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,.. denn Petrus fliegt für alle

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Sollte ein Papst, der scheinbar rast- und ruhelos um den Erdball reist, mehr für die Einheit der Christen tun, als viele Worte ausrichten können? Wie ist das Spannungsfeld Papstamt und Ökumene im ausgehenden zweiten Jahrtausend?

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Sollte ein Papst, der scheinbar rast- und ruhelos um den Erdball reist, mehr für die Einheit der Christen tun, als viele Worte ausrichten können? Wie ist das Spannungsfeld Papstamt und Ökumene im ausgehenden zweiten Jahrtausend?

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Der Primat des Papstes galt und gilt immer noch als das große Hindernis der Ökumene. Vom sogenannten „antiochenischen Zwischenfall", von dem im Galater-ßrief berichtet wird, bis zur Enzyklika „Ut unum sint" vom Mai 1995 reicht die Geschichte des Petrusdienstes in Dokumenten. Der Vorrang war immer dem Petrus vorbehalten - oder doch nicht so, wie es in der römisch-katholischen Lehre verkündet und zu glauben eingefordert wurde?

Die Enzyklika von 1995 vertritt die Einsicht, daß „die Gestalt, welche der Petrusdienst in der gegenwärtigen römisch-katholischen Kirche besitzt,... derart (ist), daß der Sinn dieses Dienstes, nämlich der Einheit aller Christen effektiv förderlich zu sein, zur In-effizienz verurteilt ist", wie dies jüngst der Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann bei einer Tagung in der Katholischen Akademie in Bayern zu „Papstamt und Ökumene" formuliert hat.

Nun haben offensichtlich nicht wenige Phänomene der vergangenen Jahre darauf hingewiesen, daß selbst innerhalb der römischen Kirche Lehr-

aussagen und Dokumente nicht nur nicht auf Zustimmung oder Ablehnung stießen, sondern schlicht nicht zur Kenntnis genommen wurden.

Die Ursache? Viele Theologen sind der Ansicht, daß dabei die Ortskirchen beziehungsweise die Diözesen eine tragende Rolle spielen oder spielen müßten, will sich das Oberhaupt der römisch-katholischen Christenheit nicht über deren primäre Kompetenz hinsichtlich des Glaubens und des christlichen Lebens hinwegsetzen. Denn Lehräußerungen der Päpste, die nicht in Abstimmung mit dem Gesamt- oder Regionalepiskopat ver-lautbart wurden, haben oft nur den Blick auf ein Problem gerichtet, aber ohne daß die von Rom vorgeschlagene Lösung unmittelbar als solche akzeptiert worden wäre. Dies ist zum Beispiel bei der Enzyklika „Humanae vitae", der Pillen-Enzyklika Papst Pauls VI., geschehen, um ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit zu nennen.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat bereits (in „Lumen gentium") die 1 >ehrkompetenz des Papstes eingeordnet in den Bereich der Lehrkompetenz der Bischöfe und beide in Verbindung gebracht mit dem untrüglichen sensus fideliwn der Kirche im Ganzen.

Von dieser Seite her nun scheinen entscheidende Hindernisse in der Ökumene abgebaut zu werden. Eine neue Positionierung des Petrusdienstes nach der Schrift scheint möglich und in greifbare Nähe gerückt. Der evangelische Theologe Wolfhart Pannenberg, Professor für Systematische Theologie in München, meint,

eine Form dieses Dienstes des Bischofs von Rom als „Anwalt der Einheit der Gesamtchristenheit" zeichne sich zum Beispiel in der Reisetätigkeit des gegenwärtigen Papstes ab. Und schließlich: „Je weniger der römische Bischof dabei (wenn er zu Nöten der gesamten Christenheit spricht, Anm.) einen Anspruch auf Gehorsam herauskehrt, desto wirksamer würden solche Äußerungen sein können."

Die Kirchengeschichte aus der frühesten Zeit läßt erkennen, daß man Kephas als einen Typus verstehen könnte, mit dem alles, was gesagt wird, verbunden ward (Peter Neuner).

Freilich gibt es auch die absolutistischen Belastungen des Ersten Vati-kanums. Dazwischen scheint sich mit

dem Pontifikat Johannes Pauls II., der offensichtlich nun selbst in Fragen der Ökumene Stellung bezieht, ein Konsens finden zu lassen, der die Christenheit insgesamt, nach den vielen gegenseitigen Verletzungen und Angriffen, unter das Wort des Herrn und die Frohbotschaft auf den Weg der Einheit zurückbringt. Bei einem Blick in die lukanischen Abschiedsgespräche wird dem Kephas gezeigt, wie er nach seiner Bekehrung, also nach seinem Versagen wieder im Kreis der Jünger aufgenommen ist. Letztlich trägt also nicht Kephas, sondern der Herr die Jüngerschaft.

Der Autor ist

Redakteur bei den „Salzburger Nachrichten ".

Kirchenaustritte in Österreich

Tendenz fallend

Es zeigte sich in allen Diözesen mehr oder weniger deutlich: die Austrittswelle des Jahres 1995, wo insgesamt 43.527 Katholiken der Kirche den Rücken kehrten, ist wieder abgeflaut. Insgesamt 35.887 Austritte (vorerst noch ohne die Diözese St. Pölten, die ihre Zahlen erst später veröffentlicht) wurden für das Jahr 1996 registriert; im Vergleich zum Vorjahr - 41.763 Ausgetretene (wieder ohne St. Pölten) - sind dies um 5.876 Austritte, das sind rund 14 Prozent, weniger.

Am stärksten zu beobachten war der Rückgang in Wien und in Innsbruck. Waren es in der Erzdiözese Wien um 21,1 Prozent weniger Ka-

tholiken als im Vorjahr, die die Kirche verließen, so kam die Diözese Innsbruck auf das Ergebnis von knapp 12 Prozent. Demgegenüber stehen die vergleichsweise niedrigen Werte der Diözesen Salzburg, Eisenstadt und Graz-Seckau, wo die Austrittszahlen nur geringfügig zurückgingen, (siehe 'Tabelle)

Der positive Trend des Jahres 1996 kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Zahlen weiterhin sehr hoch sind. Was führt dazu, daß Menschen aus der Kirche austreten? Der Frage nach den Ursachen soll in einer „Motivstudie", welche von der Diözese Innsbruck erstellt wird, nachgegangen werden. P.C.B.

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