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Der Christ und die Welt

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Die Stifierbibliothek, aus der schon mehrere Bändchen in dieser Zeitschrift besprochen wurden, legt uns in der Abhandlung Gratrys „Was ist die Seele?“ wiederum ein wertvolles und zeitgemäßes Bändchen vor. Gratry, der heute als der größte Philosoph des vorigen Jahrhunderts eingeschätzt wird, beschäftigt sich darin mit der Philosophie der Sprache, die heute ja auch als Ausgangspunkt des Beweises für die Existenz der Geistseele genommen wird. Als Gratry die vorliegende Abhandlung schrieb, stand aber die Sprachphilosophie erst in ihren Anfängen, da ja erst Herder und in seinem Gefolge die Romantiker sich ernster damit befaßten. Der große Geist Gratrys zeigt sich darin, daß er von allem Anfang an das Sprechen Gottes ebenso in das Blickfeld seiner Betrachtung zieht wie das menschliche Sprechen und damit ein viel weiteres Blickfeld gewinnt. So kommt er auch von selbst zu viel reicheren Folgerungen. Er kann zeigen, wie die Sprache den Menschen nicht bloß über die Materie hinausweist, sondern auch über sich selbst. Es ist in den drei kurzen Kapiteln: „Was ist die Seele“, „die Sprache“, „die zwei Arten mit der Sprache zu verfahren“ der hohe Schwung des Geistes Gratrys, gleichzeitig aber auch seine tiefe Frömmigkeit, seine edle Seele spürbar. Das macht die Lesung dieses Bändchens zu einem echten Genuß.

In die Welt der Seele führt uns auch das Buch der Frau Marcelle de Jouvenel : „Einklang der Welten“.

Ein ungewöhnliches Buch. Gabriel Marcel, der bekannte katholische Existentialist schreibt die Einleitung dazu. Darin bekennt er sich voll zum Inhalt dieses Buches. Es handelt sich um außerordentliche Vorgänge. Eine Mutter, die ihren einzigen Sohn mit 15 Jahren verloren hat und darüber untröstlich ist, wird von ihrer dem Okkultismus ergebenen Freundin gedrängt, mit ihrem verstorbenen Sohne in Verbindung zu treten. Sie widersteht zuerst, weil sie, obwohl nicht positiv kirchengläubig und religiös praktizierend, doch den Okkultismus ablehnt. Schließlich läßt sie sich darauf ein, setzt sich des Abends hin, legt die Hand mit dem Bleistift auf das Papier, um sie von einer fremden Macht bewegen zu lassen, wie ihr von der Freundin geraten worden war, und siehe, die Hand gerät in Bewegung uni sehr: Dieser Vorgang wiederholt sich vom November 1946 bis zum Dezember 1948 fast täglich, Was die Pfand, von unsichtbarer Macht bewegt, niederschrieb, hat Frau Marcelle de Jouvehel nun der Oeffentlichkeit übergeben. Es sind Botschaften ihres verstorbenen Sohnes aus dem Jenseits an die Mutter, deren Inhalt einerseits zeigt, wie der verstorbene Sohn das Leben seiner Mutter aus dem Jenseits genau verfolgt,, anderseits der Mutter eine religiöse Führung gibt, die, wie Gabriel Marcel sagt, das Kind-Mutter-Verhältnis zwischen den beiden völlig umkehren und den Sohn geistig gleichsam Mutteraufgabe an seiner leiblichen Mutter erfüllen läßt.

Gabriel Marcel sagt in der Einleitung ganz richtig, daß derlei Publikationen nicht ohne Gefahr sind, weil sie falschen Auffassungen Raum geben können. Die Frage, ob und wie man mit dem Jenseits in Verbindung treten kann, ist ja verschieden beantwortet worden. Die Tatsachen, die der Okkultismus einerseits, die Religion anderseits berichten, werden größtenteils mit einem Lächeln oder mit Verachtung abgetan. Doch dürfe dies nicht so ohne weiteres geschehen, bevor nicht wissenschaftlich die Möglichkeit einer solchen Verbindung genauestens geprüft sei. So viel jedenfalls kann als sicher angenommen werden, daß der Mensch nicht von sich aus über die Kräfte und Möglichkeiten verfügt, mit dem Jenseits in Verbindung zu treten. Dafür sind wenigstens bisher noch keine stichhältigen Erweise gebracht worden. Vom religiösen Glauben her kann als sicher angenommen werden, daß die Mächte des Jenseits, also die reinen, Geister, mit dem Diesseits der materiellen Welt in Verbindung treten können. Dafür haben wir ja zahlreiche Beweise in der Offenbarung des Alten wie des Neuen Testamentes, wie Engelserscheinungen, Theophanien, Stimmen von oben, die Macht der Dämonen usw. Um die Herausgabe dieses vorliegenden Berichtes zu rechtfertigen, ist es nicht notwendig, eine vollbefriedigende Antwort darüber zu haben, wie diese Berichte entstanden sind, oder wie Frau Marcelle de Jouvenel die tröstlichen Botschaften ihres Sohnes erhalten hat. Wir können ihrem Bericht glauben und von einer genaueren Prüfung abstehen. Mit Okkultismus oder Spiritismus haben diese Berichte kaum etwas zu tun. Sie gehören dem religiösen Bereich an. Inhaltlich stimmen sie mit der kirchlichen Lehre überein. Selbst wenn also diese Berichte nicht auf einem außernatürlichen Weg entstanden wären, könnten wir sie als ein Zeugnis des christlichen Glaubens und der christlichen Gesinnung dankbar entgegennehmen. Es steht aber auch der Annahme nichts im Wege, die Berichte seien tatsächlich auf außernatürliche Weise entstanden. In einer Zeit des reinen Diesseitsglaubens rüttelt dieses Buch sicherlich die Geister auf. Es dient nicht bloß der Neugierde und dem Aberglauben, sondern es ist eine eindrucksvolle Predigt.

Alfons Rosenberg, der uns schon in seinem Buche „Die Seelenreise“, Olten 1952, eine sehr gründliche Untersuchung und historische Darstellung aller Theorien über die Seelenwanderung gegeben hat und damit auch das Kapitel Geist und Seele beleuchtet hat, legt uns in einem anderen Buch „Der Christ und die Erde" ein zweites Werk vor, in dem er darzutun sucht, daß das 19. Jahrhundert nicht bloß vom Geist der Aufklärung, des Materialismus beherrscht war, sondern daß in diesem Jahrhundert vor allem auch starke charismatische Kräfte wirksam waren. Wir könnten das vorliegende Werk eine Geschichte des Pietismus nennen. Obwohl Rosenberg im zweiten Teil nur eine Biographie des protestantischen Pfarrers Obėrlin bringt, stellt er doch die gesamte pietistische Bewegung im Zusammenhang mit der Aufklärung dar. Es geht dem Autor hauptsächlich darum, den Pietismus als eine religiöse Erw’eckungs- und Erneuerungsbewegung aufzuzeigen. Ohne Zweifel waren hier echte religiöse Kräfte am Werk, denen auf katholischer Seite die Erneuerung durch die Romantiker entspricht. So sehr die Leistungen und das Verdienst all dieser Männer Anerkennung und Würdigung verdient, darf aber nicht übersehen werden, daß diese charismatischen Kräfte im Verhältnis zum aufgeklärten und liberalen Geist ihrer Zeit nicht vielvermögend waren. Sie haben das Verdienst, die Erneuerung des religiösen Lebens angebahnt zu haben. Ihre Schwäche war aber, daß sie glaubten, abseits der philosophischen und geistesgeschichtlichen Auseinandersetzungen durch eine isolierte Frömmigkeit das Ziel erreichen zu können. Erst der Mut zur geistigen Auseinandersetzung mit den Zeitproblemen, der Mut zu einer ebenbürtigen christlichen Wissenschaft auf allen Gebieten machte die christlichen Kirchen zu vollgültigen Gesprächspartnern der modernen Welt.

Dr. Alois Schrott SJ.

Im Sinnkreis des Ewigen. Von Peter Wust. Herausgegeben von Hermann Westhoff. Mit einem Geleit von Karl Pfleger. Styria-Verlag, Graz. 341 Seiten. Preis 74.20 S.

Den „Respekt" vor Wust in „Geschmack" an den Büchern von Peter Wust zu verwandeln, wäre — nach Karl Pfleger — der Sinn und Erfolg dieses Buches. Wust stand sich selbst im Wege: der Philosoph, so gründlich er auch war, förderte seine Bücher nicht durch seine beeindruckende. Persönlichkeit und seinen „auffälligen" Tod, sondern hinderte sein Renommee als Denker. Wir törichten Zeitgenossen lieben die Fachmänner — und verlangen, daß sie diesem Fachwissen oder Fachkönnen nichts anderes mehr hinzufügen. „Leider" war Peter Wust viel zu sehr Christ und Bekenner, als daß er in Büchern und Vorlesungen sich hätte verausgaben können. Er lebte und wurde Philosopher war der Christ mit dem „ra-

tionabile obsequium", mit dem aus Kenntnis und Erkenntnis stammenden Glaubensgehorsam. So kam es, daß man Wust liebte, aber nicht las. — Das vorliegende Buch ist eine Zusammenfassung des Herausgebers, aus der Feder des Philosophen, und zugleich eine Art Bekenntnis-Autobiographie. Bis auf das letzte Kapitel spricht der Philosoph (im strengen Wortsinn: der Denker über den „Menschen"und seine „Natur"). Aber seine Hemdärmel sind immer zu lang — sie schauen dezent aus dem Rockärmel hinaus: Wust verleugnet nie den Christen, der er ist und aus Passion ist. Wer die seitendicke „Dialektik" nicht liest oder versteht, wird dieses Buch lesen können, weil es verständlich, gefällig und mit demütiger Einsicht goschrieben ist. Diego Hanns Goetz OP.

Ideen aus Oesterreich. Notring-Almanach 1954. Verlag des Notringes der wissenschaftlichen Verbände, Wien. 160 Seiten.

Der Notring der wissenschaftlichen Verbände, der nunmehr auf ein vierjähriges Bestehen zurückblicken kann, hat einen guten Griff getan, als er sich entschloß, in seinem heurigen Almanach zu zeigen, „wie viele große Gedanken aus unserem kleinen Land in die Weit verströmten". 71 Kurzaufsätze aus berufenen Federn mit je einem dazugehörigen Bild sind großen Männern und Leistungen aus Oesterreich gewidmet, die nur zum geringen Teil allgemein bekannt sind, wie z. B. die Mendelschen Vererbungsgesetze, Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie, Werndls Hinterladergewehr, Wilhelm Kreß und seihe Flügmaschine und so weiter. Wenig bekannt ist, daß Oesterreich als erster Staat der Welt im Jahre 1883 den direkten Leihverkehr mit wissenschaftlichen Bibliotheken des Auslandes aufgenommen hat und damit einen wesentlichen Beitrag zum freizügigen Verkehr geistiger Güter über alle Grenzen und Entfernungen hinweg geleistet hat. In seinem Vaterlande fast ganz vergessen ist auch der Linzer Jesuitenpater Johann Grueber, einer der kühnsten Reisenden der Geschichte, der im Jahre 1661 als erster Europäer Lhasa betrat und zum erstenmal sichere Kunde von dem geheimnisvollen Schnea- lande Tibet und seinam Priesterkönig nach dem Abendlande bracht.

Dr. Bruno Zimmel

Im Zerrspiegel. Heitere Glossen zur deutschen Sprache. Von Oskar J a n c k e. Bechtie-Veflag, Eßlingen 1954. 80 Seiten, Preis DM 3.80.

Der bekannte Literaturkritiker und Mitarbeiter des Süddeutschen Rundfunks, früher Redakteur der Zeitschrift „Das literarische Deutschland", bekämpft in diesen Glossen — ähnlich wis M. Lichnowsky — verschiedene Sünden gegen den Geist der deutschen Sprache, wie sie heut leider nur allzu häufig vorkommen Er behandelt nicht nur grobe Fehler und die üblen Produktionen des Papierdeutsch, sondern auch feinere Bedeutungsunterschiede der Wörter, die allgemein zuwenig beachtet werden. Das Streben nach richtigem Sprachgebrauch ist von hohem. Wert für die Erziehung zum klaren . Denken. Jancke versteht es ausgezeichnet, das Falsche mit wenigen Zeilen satirisch scharf anzuprangern. Solche Belehrungen sind sehr heilsam, besonders wenn sie ohne Schulmeisterliche Trockenheit in so geistreicher und unterhaltsamer Form wie hier gegeben werden.

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