Der Erzbischof aus der "Bernardin-Fabrik"

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Die Bestellung von Wilton Gregory, 71, zum Erzbischof von Washington D. C., ist richtungsweisend. Nicht nur, weil er der erste Afroamerikaner auf diesem Bischofsstuhl ist. Sondern auch, weil nach dem Missbrauchs-Skandal um Theodore McCarrick, Leiter der Hauptstadtdiözese 2000-06, dem der Papst die Kardinalswürde aberkannte und im Februar gar aus dem Priesterstand entließ, sowie nach Vertuschungsvorwürfen an dessen Nachfolger, Kardinal Donald Wuerl, der im Oktober zurücktrat, nun ein kirchlicher Saubermann gefragt war. Ein solcher ist Gregory zweifellos: 2001-04 war er Vorsitzender der US-Bischöfe, und damals, in der ersten großen Missbrauchskrise, machte er sich als durchgreifender Promotor neuer strenger US-Kirchenrichtlinien zu Missbrauch einen Namen (und viele Gegner unter den Konservativen). Gregory, 1947 in Chicago geboren, konvertierte mit 11 Jahren zur katholischen Kirche. Als junger Priester nahm ihn die Ikone des liberalen US-Katholizismus, der Chicagoer Kardinal Joseph Bernardin (1928-96), unter seine Fittiche, mit nur 36 Jahren wurde Gregory sein Weihbischof. Im Pontifikat Johannes Pauls II. war es aber nicht förderlich, aus der, wie Konservative despektierlich sagten, "Bernardin-Fabrik" zu kommen. 1993 wurde Gregory Bischof von Belleville in Illinois, Ende 2004 dann Erzbischof von Atlanta in Georgia, einer Diözese, wo die Katholikenzahl von 24.000 (1959) auf heute über eine Million angewachsen ist. Gregory erwarb sich den Ruf, ein unbestechlicher Mann und großartiger Seelsorger zu sein; es gelang ihm, in seiner Diözese Brücken zwischen den Kirchenlagern zu bauen. Konservative machten dennoch im Vorfeld seiner Ernennung zum Erzbischof von Washington Stimmung gegen den bösen "Liberalen". Gregory ist auf der Linie von Papst Franziskus, nicht zuletzt beförderte er die Umsetzung der Ökologie-Enzyklika "Laudato si" nach Kräften. Gregory ist auch der ethischen Linie seines Mentors Bernardin verpflichtet, sich nicht nur für das vorgeburtliche Leben, sondern gleichermaßen für Gerechtigkeit und Würde aller Menschen einzusetzen. Der bekannte US-Jesuit und Publizist Thomas Reese schrieb zu Gregorys Ernennung: "Sie können darauf wetten, dass Bernardin im Himmel einen Freudentanz aufführt."

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