pope mccarrick - © APA / AFP Photo / Pool / Jonathan Newton - PApst Franziskus trifft Kardinal Theordore McCarrick 2015 in Washington

Der Fall Theodore McCarrick: „Tragische, klerikale Inkompetenz“

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2018/19 entließ der Papst Theodore McCarrick als Kardinal und aus dem Priesterstand. Zwei Jahre später zeichnet ein vatikanischer Report die Fehlgriffe und Vertuschungen in dieser Missbrauchscausa nach.

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2018/19 entließ der Papst Theodore McCarrick als Kardinal und aus dem Priesterstand. Zwei Jahre später zeichnet ein vatikanischer Report die Fehlgriffe und Vertuschungen in dieser Missbrauchscausa nach.

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Der Fall des Ex-Kardinals und Ex-Priesters Theodore McCarrick hat tiefe Wunden innerhalb der katholischen Kirchenleitung gerissen. Er gehört auch zu den größten Felsblöcken, die Papst Franziskus in den Weg gelegt werden – und ist noch lange nicht zu Ende. 2018 hatte Franziskus den Rücktritt des heute 90-jährigen Alterzbischofs von Washington aus dem Kardinalskollegium angenommen, Anfang 2019 entfernte er ihn auch aus dem Klerikerstand. Zuvor hatten sich nicht nur jahrelange Gerüchte verdichtet, der einflussreiche Kirchenmann habe noch als Bischof mit Seminaristen und jungen Erwachsenen sexuell verkehrt, sondern auch die Vorwürfe, er habe seine Machtposition für Missbrauch ausgenutzt – und zwar auch an Jugendlichen –, hatten sich erhärtet. Die FAZ bezeichnete McCarrick als „Harvey Weinstein der katholischen Kirche“ und traf zumindest die öffentliche Sichtweise in den USA auf den Punkt.

Der Wutbrief des Ex-Nuntius

Im August 2018 erregte ein Wutbrief des früheren US-Nuntius Carlo Maria Viganò großes Aufsehen, in dem Papst Franziskus zum Rücktritt aufgefordert wurde, weil er bereits seit 2013 über die Verbrechen McCarricks im Bilde sei. Er, Viganò, habe diese dem Papst persönlich berichtet, aber der habe nichts unternommen und sogar Sanktionen, die bereits Benedikt XVI. gegen McCarrick ausgesprochen habe, wieder zurückgenommen. Tatsächlich hatte bislang niemand etwas von diesen behaupteten Sanktionen mitbekommen, McCarrick bereiste die ganze Welt und tat sich unter anderem als vatikanischer Emissär in China hervor. Papst Franziskus schwieg zu Viganòs Vorwürfen, der Vatikan kündigte jedoch an, die ganze Causa und vor allem die Entscheidungsmechanismen und Verantwortlichkeiten zu untersuchen und den Bericht darüber zu veröffentlichen. Zwei Jahre später, am 10. November 2020, publizierte das vatikanische Staatssekretariat den „Bericht über das institutionelle Wissen des Heiligen Stuhls und die Entscheidungsfindung in Bezug auf den früheren Kardinal Theodor Edgar McCarrick“.

Das 450 Seite dicke Konvolut ist einmalig und stellt einen Präzedenzfall dar: Nicht nur, dass mit McCarrick erstmals ein Kardinal wegen Missbrauchs in den Laienstand zurückversetzt wurde, ist ein kirchenhistorisch exemplarischer Vorgang. Der Report offenbare die „tragische Inkompetenz vieler, die mit der Untersuchung der Anschuldigungen“ seit vielen Jahren befasst seien, meinte etwa Robert Barron, Weihbischof in Los Angeles und in den USA so etwas wie ein bischöflicher YouTubeStar, gegenüber dem US-Online-Magazin Crux. Barron sprach dabei auch von einer „klerikalen Kultur“, die „selbstreferenziell und selbstschützend“ agiert habe. Ein Blick in den Report, der auf Dokumenten des Staatssekretariats, der Glaubenskongregation, anderer Dikasterien in Rom und betroffener Diözesen in den USA sowie auf Interviews mit 90 Zeugen von bis zu 30 Stunden Dauer beruht, offenbart tatsächlich eine Aneinanderreihung von Ignoranz, Wegschauen, Verharmlosen – kurz aller systemischen Schwächen, derer das System katholische Kirchenspitze (lokal und global) schon lang geziehen wird.

Nur ein Beispiel ist die Anzeige einer Oberin der Barmherzigen Schwestern im Jahr 1994 beim damaligen Nuntius in den USA über sexuelles Fehlverhalten des Erzbischofs McCarrick. Der Nuntius qualifizierte diese Anschuldigungen, die Ordensoberin „habe sich wichtig machen wollen“. Solche Beispiele von klerikaler (und männlicher) Überheblichkeit finden sich im Report zuhauf. Interessant ist vor allem, wie der Bericht die Letztverantwortung der jeweiligen Päpste in der Causa beurteilt. Franziskus, der auch als einer der befragten Zeugen angeführt wird, findet sich weitgehend exkulpiert; die Behauptung von Ex-Nuntius Viganò, der derzeitige Pontifex sei schon vor sieben Jahren über McCarricks Untaten ins Bild gesetzt worden, lässt sich demnach nicht erhärten.

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