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Am 29. Juni 2014 rief die Terrorgruppe ISIS über Twitter ein Kalifat aus, das Teile Syriens und des Iraks umfassen soll. ISIS-Chef Al-Baghdadi hat sich zum Kalifen für die Muslime ernennen lassen und aufgerufen, alle Muslime mögen ihm folgen. Der Begriff Kalif wurde nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahre 632 n. Chr. verwendet, um seinen Nachfolger als Staatsoberhaupt zu bezeichnen. Der Kalif war damals das politische Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft (Umma). Endgültig abgeschafft wurde diese Staatsform im Jahre 1924 in der Türkei durch Mustafa Kemal Atatürk.

Nach dem Tod Mohammeds verstand man das Amt des Kalifen als Nachfolger im politischen Sinne, denn Mohammed war nicht nur ein Prophet mit einem göttlichen Auftrag, sondern zwischen 622 und 632 zugleich ein Staatsoberhaupt. Es dauerte jedoch nicht lange und es tauchten Kalifen auf, die sich nicht als Nachfolger Mohammeds verstanden, sondern als Stellvertreter Gottes. Der Kalif agierte nun nicht mehr nur als Politiker, sondern wurde zudem zum Sprachrohr Gottes. Seine Entscheidungen durften daher nicht mehr zur Disposition gestellt werden. Problematisch dabei ist jedoch, dass der Gedanke eines Stellvertreters Gottes, um Politik in dessen Namen zu betreiben, der islamischen Lehre nicht nur fremd ist, sondern ihr auch widerspricht. Der Prophet Mohammed ist nicht eines plötzlichen Todes gestorben, sondern nach einer langen Krankheit. Dennoch hat er sich zur Frage seiner politischen Nachfolge nicht geäußert. Auch der Koran schweigt darüber. Der Grund liegt darin, dass der Islam vermitteln will, dass es sich bei dieser Frage keineswegs um eine religiöse, sondern um eine rein profane Angelegenheit handelt, welche die Menschen untereinander aushandeln sollen. Al-Baghdadi sieht sich jedoch als Stellvertreter Gottes, Gott aber braucht keinen falschen Kalifen.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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