"Der Fortschritt muß weitergehen"

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Fortschritt, Forschung und Ethik waren die Themen eines Vortrages des Physikers Reinhart Kögerler vom Katholischen Akademikerverband

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Fortschritt, Forschung und Ethik waren die Themen eines Vortrages des Physikers Reinhart Kögerler vom Katholischen Akademikerverband

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Atombombe, Bio-Waffen, vielleicht bald der geklonte Mensch: Auf so manche Glanzleistung menschlicher Forschung würden wir gern verzichten. Trotzdem: Der Fortschritt muß weitergehen. "Wir brauchen Wissenschaft und Technik, um unsere Probleme zu bewältigen", erklärte Reinhart Kögerler, Universitätsprofessor für Physik an der Universität Bielefeld und Sektionsleiter im Wirtschaftsministerium, letzten Freitag bei einer Podiumsdiskussion des Katholischen Akademikerverbandes zum Thema "Wissen und Verantwortung".

Zugegeben - die meisten dieser Probleme sind hausgemacht. Menschlicher Forschungsdrang hat Kettenreaktionen ausgelöst, die nicht mehr umzukehren sind. Zu fragen, ob unser Leben anders besser wäre, bringt uns aber um keinen Schritt weiter. "Zurück zur Natur" zu wollen, würde bedeuten, unser Schicksal unkontrollierbaren Prozessen zu überlassen - weil unsere Umwelt eben nicht mehr naturgegeben, sondern vom menschlichen Denken geprägt ist. Die Welt ist, wozu wir sie gemacht haben: pluralistisch und höchst veränderlich..

Die Verantwortung der Menschen unter diesen Bedingungen: Weiter zu denken und zu forschen, sich aber nicht einreden zu lassen, daß alles, was machbar ist, auch getan werden darf und mit allen seinen Folgen akzeptiert werden muß. Die spezielle Verantwortung der Christen: Eine Orientierung zu finden und ein Verfahren zur Kommunikation in der Pluralität zu entwickeln.

Die Pluralität als solche ist eine Chance und kein Übel. Egal, ob auf weltanschaulichem, religiösem oder wissenschaftlichem Gebiet: "Andersdenken ist eine Bereicherung", so Kögerler. "Eine gemeinsame Ethik ist nicht erreichbar, wäre aber auch gar nicht erstrebenswert." Ihre Grenzen erreiche die Pluralität dort, wo sie beginne, sich selbst zu zerstören. Kögerler: "Sektiererische Haltungen schaden der Welt." Weil sie Alleinvertretungsansprüche geltend machen und Menschen einengen.

Jede Zeit brauche außerdem spezielle Tugenden - das Medienzeitalter etwa die Wahrhaftigkeit. Das bedeute mehr als "Du sollst nicht lügen". Kögerler: "Es geht darum, den wahren Gehalt der Dinge zu suchen." Ein klarer Auftrag an die Wissenschaft - trotz des Risikos, daß dabei neue Kettenreaktionen in Gang gesetzt werden. "Die Gefahr, durch Untätigkeit schuldig zu werden, ist größer", ist der Physiker überzeugt. "Wir sollten uns nicht freiwillig unserer Handlungsmöglichkeiten begeben."

Wird die Menschheit jemals reif genug sein, um verantwortungsvoll mit ihren Möglichkeiten umzugehen? Kögerler: "Es gibt gerade in der jüngsten Zeit Beispiele dafür, daß Menschen Verantwortung übernehmen und in vorbildlicher Art Schuld abtragen. Im Menschen, genau wie in seinen Produkten, liegen zwar Gefahren, aber durchaus auch Chancen." Chancen für eine bessere Welt? Zumindest für eine Welt, die Zukunft hat.

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