Der Friedensdienst des "Sohnes der Freiheit" ist tot

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Am 7. Mai verstarb der jüdische Theologe und Philosoph Schalom Ben-Chorin, ein Wegbereiter der christlich-jüdischen Versöhnung.

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Am 7. Mai verstarb der jüdische Theologe und Philosoph Schalom Ben-Chorin, ein Wegbereiter der christlich-jüdischen Versöhnung.

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Das Dogma von der Himmelfahrt Mariens ist noch sehr jung, erst 1950 wurde es von Pius XII. verkündet. Obwohl es - in den Dimensionen der Kirchengeschichte betrachtet - also erst "gestern" zum Glaubensgut höchster Verbindlichkeitsstufe erklärt wurde, spielt dieses Dogma heutzutage keine Hauptrolle in der katholischen Kirche. Doch ist es gerade diese Aussage über Maria, die ein Jude, ein Deutscher, zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen über Maria, die christliche, die eine Jüdin - "Mutter Mirjam" - war, machte ...

Als Friedrich Rosenthal war er 1913 in München zur Welt gekommen, in eine assimilierte Familie, die er als 15jähriger verließ, um als streng orthodoxer Jude zu seinen Wurzeln vorzudringen. Der Schüler von Martin Buber wurde dennoch zum herausragenden Vertreter eines offenen Judentums, offen vor allem für das Gespräch und die Versöhnung mit den Christen.

1935 mußte er emigrieren, in Israel nahm er den Namen Schalom ("Frieden") Ben-Chorin ("Sohn der Freiheit") an. 1956 kam er erstmals wieder nach Deutschland, war fortan ein Pionier der christlich-jüdischen Begegnung.

In Jerusalem gründete er 1958 die erste Reformgemeinde, die El-Har-Synagoge. In Büchern, in zahllosen Vorträgen und persönlichen Begegnungen versuchte er, der jüdische Weise, den Christen die jüdischen Wurzeln ihres Glaubens zu vermitteln. In seinem hierzulande meistgeachteten Werk, der Trilogie "Die Heimkehr", setzt sich Ben-Chorin denn auch mit den Zentralgestalten des Christentums auseinander, mit "Bruder Jesus" (1967), mit "Paulus" (1969) und eben, wie anfangs zitiert, mit "Mutter Mirjam" (1971).

Daß sich ein Jude, mit der Last der Schoa beladen, aber auch mit dem Schatz deutscher und europäischer Geisteskultur ausgestattet, ins Zentrum des Christentums wagte, um den Anhängern des Juden Jesus einen jüdischen Zugang zu eröffnen, hat im Judentum auch Unverständnis ausgelöst - und bei weitem nicht allen Christen die Entdeckung der jüdischen Wurzeln ermöglicht.

Die Verständigung zwischen Christen und Juden steht aber heute selbstverständlich auf der Tagesordnung. Daß dem so ist, bleibt das Verdienst Schalom Ben-Chorins. Der "Sohn der Freiheit" mag tot sein, der lebenslange Friedensdienst eines, der sich "Schalom" nannte, wird überdauern.

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