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Ein kleines, aber wichtiges Meditationsbuch von Karl Rahner wurde neu aufgelegt.

Über "Alltägliche Dinge" dachte der Jesuit Karl Rahner 1964 in der von Hans Küng herausgegebenen Reihe "Theologische Meditationen" nach - ein Text von nicht einmal 30 Seiten. Die theologisch-spirituellen, allgemein verständlichen Miniaturen handeln "Von der Theologie des Alltags", "Vom Gehen", "Vom Sitzen", "Vom Sehen", "Vom Lachen", "Vom Essen" und "Vom Schlaf".

Gnade erfahren

Den Abschluss macht einer der großartigsten Kurzaufsätze Rahners überhaupt: "Von der Erfahrung der Gnade im Alltag". Darin verdichtet sich eine ungeheure Stringenz seines Denkens einerseits. Anderseits hat man - jenseits aller billigen Psychologisierung und eines sehr flachen Erfahrungsbegriffs - einen ganz gezielt erfahrungsbezogenen Zugang vor sich. Spirituelle Erfahrungen sind ausgeweitet: Was heißt Gnadenerfahrung im umfassenden Sinn des Wortes? In welchen oft banal erscheinenden alltäglichen Situationen können Menschen den "Geschmack des Geistes" bekommen, wenn auch "sehr anonym und unausdrücklich vielleicht"?

Das Bändchen, in den 60er und 70er Jahren vielfach aufgelegt, war längst vergriffen. In der Gesamtausgabe Karl Rahners "Sämtliche Werke" für Band 23 vorgesehen, ist es mit dieser Publikation wieder zugänglich gemacht - in einer sehr ansprechend aufgemachten Geschenkausgabe, bebildert mit sieben eindrucksvollen Ölbildern des Künstlers Andreas Felger.

Gott finden in allen Dingen

Warum der Verlag diesen Rahner-Klassiker unter einem neuen Titel veröffentlicht, bleibt mir unverständlich; aus bibliografischer Sicht wirft dies ein Problem auf. Anderseits ist der Text damit wieder allgemein zugänglich. Außerdem lohnt es sich, den neu dazugekommenen Essay des kompetenten Rahnerkenners Albert Raffelt zu lesen: "Gott finden in allen Dingen. Einige Bemerkungen zu Karl Rahners Theologie des Alltags" (70-94). Raffelt sieht in den Meditationen eine "Apologie des Unscheinbaren": Der Alltag sei für Rahner gerade "nicht Füllsel, sondern der Stoff, in dem das Heil gewirkt wird, die endgültige Entscheidung getan wird". Das bestätigt, worauf zum Beispiel auch Johann Baptist Metz immer wieder hinweist: Rahner besaß eine zutiefst "antielitäre Haltung" und war sich nicht zu schade, sich auf das einzulassen, was andere abwertend die "Niederungen des Alltags" nennen.

Der geadelte Alltag

Nur wenige Theologen können für sich in Anspruch nehmen, auch für den Durchschnittschristen oder den "bekümmerten Atheisten" nicht nur "Schönes", sondern auch Hilfreiches, Aufbauendes, Tröstendes verfasst zu haben. Rahner hat den Alltag geadelt und damit Christen indirekt ermutigt, nicht in ein Sonntagschristentum zu flüchten, das meint, der Sonntag bzw. die Liturgie seien die Kompensation für den grauen Alltag. Deswegen ist es kein Zufall, dass er seinen Text mit einem Rilke-Zitat einleitet: "Wenn dein Alltag dir arm scheint, klage nicht ihn an; klage dich an, daß du nicht stark genug bist, seine Reichtümer zu rufen." Die sieben hier gesammelten Meditationen machen Mut zu einem geerdeten Glauben.

Von der Gnade des Alltags. Meditationen in Wort und Bild. Von Karl Rahner, mit Bildern von Andreas Felger. Verlag Herder, Freiburg 2006. 94 Seiten. e 15,40

Andreas R. Batlogg, Jesuitenpater, stv. Schriftleiter der Zeitschrift Stimmen der Zeit in München und Mitherausgeber der Rahner-Gesamtausgabe bei Herder, hat gemeinsam mit dem amerikanischen Systematischen Theologen Melvin E. Michalski ein Interview-Buch zu Karl Rahner (1904-1984), über den beide Theologen forschen, herausgebracht. Das Gros der Gespräche führte Michalski 2001 in Deutschland und Österreich mit Weggefährt(inn)en Rahners; die geplante englische Veröffentlichung dieser auf deutsch geführten Gespräche zerschlug sich, aber Batlogg und Michalski haben gut daran getan, die Gespräche nun zu veröffentlichen: ein Buch über den Menschen Karl Rahner ist entstanden, beobachtete und beschrieben auch von prominenten Gesprächspartnern: Die Kardinäle König und Lehmann sind ebenso darunter wie seine prominentesten theologischen Schüler Johann Baptist Metz und Herbert Vorgrimler, mit dem Michalski erst 2005 ein Interview führen konnte. Gespräche mit Ordensbrüdern oder mit Rahners 2004 verstorbener Schwester Elisabeth Cremer runden die Oral-history-Biografieab, die ihren Reiz aus den unterschiedlichen Zugängen und Erlebnissen der Interviewten gewinnt.ofri

Begegnungen mit Karl Rahner Weggefährten erinnern sich.

Hg von Andreas R. Batlogg, Melvin E. Michalski. Verlag Herder, Freiburg 2006. 382 Seiten, geb. e 25,60

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