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Der Gesandte des Papstes

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Im Dom zu St. Stephan zelebrierte der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof Dr. Giovanni Dellepiane, am Sonntag, den 21. November, anläßlich seines silbernen Bischofsjubiläums ein Pontifikalamt. Erzbischof- Koadjutor Dr. Jachy.m hielt in Anwesenheit des Bundespräsidenten Dr. Körner und des Kardinal-Erzbischofs Dr. Innitzer die Predigt. Er fand dabei für die Stellung eines Apostolischen Nuntius in Vergangenheit und Gegenwart ergreifende Worte, die über den Anlaß des Tages weit hinausreichen. Wir geben daher nachstehend die Ansprache des Erzbischof-Koadjutors, die einem historischen Akt gleichkommt, an dieser Stelle wieder. Die „Furche"

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Im Dom zu St. Stephan zelebrierte der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof Dr. Giovanni Dellepiane, am Sonntag, den 21. November, anläßlich seines silbernen Bischofsjubiläums ein Pontifikalamt. Erzbischof- Koadjutor Dr. Jachy.m hielt in Anwesenheit des Bundespräsidenten Dr. Körner und des Kardinal-Erzbischofs Dr. Innitzer die Predigt. Er fand dabei für die Stellung eines Apostolischen Nuntius in Vergangenheit und Gegenwart ergreifende Worte, die über den Anlaß des Tages weit hinausreichen. Wir geben daher nachstehend die Ansprache des Erzbischof-Koadjutors, die einem historischen Akt gleichkommt, an dieser Stelle wieder. Die „Furche"

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Aehnlich wie nach unserem katholischen Glauben Jesus Christus selbst wahrer Gott und wahrer Mensch ist, Gottheit und Menschheit in Seiner Person vereinigt, besteht auch Sein Reich, die Kirche, aus Göttlichem und Menschlichem, aus beiden Elementen baut sie sich auf, beides findet sich in ihr: Göttliches und Menschliches.

Da- der Hetr in’ Siinel- unergründlichen Barmherzigkeit Menschen in Seine Kirche berief, berief Er sie mit allen ihren Gaben, Fähigkeiten und Tugenden, mit ihrer Freiheit, ihrer Liebe und ihrer Treue; freilich auch mit ihren schwankenden Herzen, mit der Möglichkeit zu Fäll und Sünde. Sein Wirken und das Wirken der Menschen, beide zusammen, bestimmen von da den Gang der Kirche durch die Zeit und Geschichte, haben Teil an ihrer Blüte, an ihrem Verfall! Es ist göttliche Gabe und göttliche Garantie, daß die Kirche nicht vergehen, nicht sterben kann, aber menschliches Tun, wenn sie in Gefahr gerät. Der Unglaube ihrer Glieder kann sie in Todesnot stürzen,’ Gott garantiert nur, daß diese Todesnot nicht in den Tod mündet. In der Kirche fließt das göttliche Leben Christi in den Sakramenten, ward das Evangelium Christi, Seine wahre Lehre bewahrt und gehütet, aber ob sie tatsächlich die Menschenherzen ergreifen und erfüllen, hängt auch vom Tun und Wirken der Priester und Prediger ab!

So werden die Gaben Gottes an.die Kirche zugleich auch Aufgaben für die Menschen in der Kirche: Wenn die Kirche Christi heilig ist, so bedeutet dies für uns die Aufgabe, uns mit den Mitteln der Kirche wirklich zu heiligen. Wenn die Kirche Christi katholisch ist, so schließt das den Missionsauftrag ein, sie bis an die Grenzen der Erde auszubreiten. Wenn die Kirche Christi apostolisch ist, dann hat sie mit aller Sorgfalt und Achtsamkeit den Glaubensschatz von den Aposteln her zu hüten. Und wenn die Kirche Christi eine ist, dann haben alle in der Kirche sich um die Einheit zu mühen und zu sorgen! Nicht nur die Gläubigen untereinander, und nicht nur die Gläubigen zum Papst hin, sondern auch der Papst zu den Gläubigen hin. Denn wenn er nach dem Willen Gottes, wie das Vatikanum sagt, „Ausgangspunkt und sichtbare Grundlage“ (Denz. 1821) dieser Einheit ist, dann soll und will er auch so tun und handeln und regieren.

Dies ist aber eine schier übermenschliche Aufgabe für diesen Menschen, für den Nachfolger Petri, für den Statthalter Christi selbst auf Erden! Einer der Größten auf dem Papstthron, Innozenz III., an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert, hatf wohl etwas von dem Ungeheuren dieser Aufgabe gefühlt, wenn er sagt: „Da das Oberhaupt der Kirche, menschlicher Natur gemäß, nicht an verschiedenen Orten zugleich sich befinden, noch auf Windesflügeln in entlegene Gebiete sich begeben kann, so sendet er, damit der Gang der Geschäfte nicht Not leide, seine Le g a t e n..

Sie sind also seine besonderen Helfer und Mitarbeiter, um die Einheit des Reiches, des Rechtes, der Regierung imd des Kultes nach dem, Willen Christi zu bewahren. Es scheint uns klar und verständlich, daß diese Legaten zur ständigen Einrichtung wurden in dem Jahrhundert, wo im Westen der Kirche diese Werte von den Menschen her besonders gefährdet waren, wo die Einheit der Kirche auch in Todesnot lag, im Jahrhundert der Glaübensspältung: 1583 wird so die Nuntiatur in Wien eingerichtet.

Seit dreieinhalb Jahrhunderten und länger gibt es also bei uns diese ständigen Gesandten und Vertreter des Papstes, die Apostolischen Nuntien.

Was das menschlich dem einzelnen zumutet trotz der Erhabenheit dieses Amtes, das hat uns schon sehr früh ein anderer angedeutet, der selbst als Nuntius, als Apokri- siar, wie es damals hieß, nach Konstantinopel geschickt wurde, der nachmalige heilige Papst Gregor der Große. Als hoher Regierungsbeamter hatte er eine glänzende Laufbahn aufgegeben, hatte er seine Güter verkauft und war ins Kloster gegangen. Er hatte sich so; wie er meinte, ein für allemal aus den Stürmen der Welt in den sicheren Hafen des Klosters gerettet. „Ich muß aber mein Lebensschiftlein nicht fest genug dort angebunden haben“, so schreibt er, „denn unter dem Vorwand kirchlichen Auftrags befand ich mich plötzlich wieder inmitten des Strudels weltlicher Geschäfte! Zu spät merkte ich, wie ich mich noch viel mehr um den Frieden des Klosters hätte wehren sollen. Habe ich denn, wenn auch nur zögernd, die Weihe empfangen, um dadurch um so geeigneter zu werden, den Dienst zu tun im irdischen Palast des Kaisers?“ So fragt und klagt er im fernen Byzanz, fern von Rom, fern seinem geliebten Kloster. (Vgl. Ep. ad Leandrum, Migne PL, 75, Sp 511.)

Nun, Temperamente und Neigungen mögen verschieden sein — aber immer ist mit diesem Amt das zusätzliche Opfer verbunden: die eigene Heimat zu verlassen und im selbstloser Bemühung um das Verständnis eines, natürlich gesprochen, fremden Volkes zu ringen und um seine Liebe zu wgrben, gerade weil man ja zuletzt nicht als’ Abgesandter des Richters, sondern des Vaters der Christenheit kommt! ‘

Was ist dann aber auch selbstverständlicher, als daß die persönlichen Gedenktage eines Päpstlichen Nuntius, dii sonst die eigine Heimat, eine eigene Diözese gefeiert hätte, von dem Land, von der Diözese mitgefeiert werden, in die ihn der höchste Auftrag geschickt hat. Deshalb sind auch wir hier zum festlichen Gottesdienst versammelt, um auf diese Weise Se. Exzellenz den Apostolischen Nuntius zum silbernen Bischofsjubiläum zu beglückwünschen. Wir denken daran, daß er bisher als Priester und Bischof der Kirche in drei Kontinenten in hervorragender Weise gedient hat. Wir danken ihm bei dieser Gelegenheit vom Herzen für seine Liebe und Treue zu unserem Lande, zu Oesterreich, und versichern ihn unserer besonderen Ergebenheit.

Und es wird dieses Feiern seinen guten Sinn und ‘seine Berechtigung haben, auch hier an heiliger Stätte, mitten im heiligen Opfer, wenn wir eben im Glauben hinter der Person des Abgesandten den Heiligen- Vater selber sehen, „den Ausgangspunkt und die sichtbare Grundlage der Einheit der Kirche“, und hinter der Kirche noch unseren Herrn und Heiland selbst, der in unergründlicher Barmherzigkeit nicht nur Menschen in die Kirche getufen hat, sondern zum Dienst an der Kirche berufen hat!

Und es wird dieses Feiern auch noch Sinn und Berechtigung haben, heute, an diesem ernstesten Sonntag des Kirchenjahres, wo uns aus dem Evangelium die Posaunen des kommenden Weltgerichtes entgegendröhnen und uns mahnen, daß wir alle einmal Rechenschaft ablegen müssen, welches Amt immer wir auf Erden bekleidet haben. Wir werden dann diese Stunde hier in St. Stephan guten Gewissens verantworten können, wenn wir vor dem kommenden Weltenrichter, den wir noch in Seiner Milde unter uns haben, in der Brotsgestalt verborgen, die Hände falten und füreinander vom Herzen beten: Herr, lehre uns Deine heilige Kirche immer besser verstehen, lehre uns Deine heilige Kirche immer mehr lieben in der Tat und in der Wahrheit.

Leben und Werk

Der Apostolische Nuntius in Oesterreich, ErZbischof Dr. Giovanni Dellepiane, wurde am 21. Februar 1889 in Genua geboren und auch dort am 25. Juli 191’4 zum Priester geweiht. Er konnte somit in diesem Jahr auch seinen 65. Geburtstag und sein 40jährig’es Priesterjubiläum feiern. Gleich nach seiner Priesterweihe wurde er als FeM- kurat einberufen und war als solcher bis 1920 an der Front, vor allem in Lazaretten tätig.

Nach kurzer Seelsorgetätigkeit als Kooperator in ‘Völtaggio bei Genua würde er im November 1921 zum Sekretär des neuernannten Erzbischofs von Smyrna ernannt und mußte dort die Kämpfe zwischen Türken und Griechen miterleben, im Verlauf derer der erz- bischöfliche Palast und alle katholischen Werke zerstört wurden. Als Generalvikar konnte Msgr. Dellepiane tatkräftig an der Wiederherstellung des katholischen Lebens der Erzdiözese mitwirken. 1929 wurde er schließlich zum Apostolischen Administrator der Erzdiözese ernannt.

Noch im selben Jahr erreichte Msgr. Dellepiane die Berufung zum ersten Apostolischen Delegaten in Belgisch-Kongo und Ruanda- Urundi und die Ernennung zum Titular- Erzbischof von Stauropolis. Am 30. November’ 1929 wurde er in der Kapelle des Kollegiums der Propaganda Fide durch Kardinal Van Rossum zum Bischof geweiht.

Der erste Apostolische Delegat traf am 26. April-1930 in Leopold ville ein. Er organisierte zunächst den Dienst der Delegation, erbaute deren Residenz und besuchte mehr mals alle Missionen. Erzbischof Dellepiane berief, insgesamt drei Plenarkonferenzen aller Missionsordinarien (1932, 1936 und 1944) ein, die dem Studium aller Missionsprobleme des großen Landes und der Festlegung der großen Linien der kirchlichen Organisation dienten. Unter den Zielen waren Katechumenat und christliches Leben, Knabenseminarien und Zentralpriesterseminarien, einheimische religiöse Kongregationen, Schule und sozialärztliche Hilfe, Katholische Aktion und Sozialwerke, Christliche Gewerkschaften zu nennen. Der Apostolische Delegat ergriff besonders auf dem Schulsektor besondere Initiativen. Seine Gründung des „Lovaniums“ stellte den Anfang der heutigen katholischen Universität „Lovanium“ in Belgisch-Kongo dar.

Während des zweiten Weltkrieges konnte die päpstliche Vertretung in Belgisch-Kongo der Bevölkerung wertvolle Dienste in Verbindung mit dem Nachrichtendienst des Vatikans leisten. Während der Tätigkeit Erzbischof Dellepianes stieg die Zahl einheimischer Katholiken von 700.000 auf ungefähr vier Millionen.

1949 wurde Erzbischof Dellepiane schließlich von seinem Wirkungsfeld in Afrika abberufen und zum Apostolischen Internuntius in Oesterreich ernannt, 1952 folgte schließlich die Ernennung zum Apostolischen Nuntius. Auch in Wien hat Erzbischof Dr. Dellepiane in den Jahren seines Wirkens als Vertreter des Heiligen Stuhls das Vertrauen und die Hochachtung der österreichischen Bevölkerung gewonnen. Erzbischof Dr. Dellepiane ist Träger u. a. folgender Auszeichnungen: Großoffizier der Krone Italiens; Graßkreuz der Belgischen Krone; Großkreuz des königlichen Ordens des Löwen.

Der Bundespräsident hat dem Apostolischen Nuntius in Oesterreich, Erzbischof Dr. Dellepiane, das große goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Oesterreich verliehen. Die Insignien der Auszeichnung wurden dem Erzbischof am 20. November in Anwesenheit des Außenministers Ing. Dr. Figl sowie des Kabinettsdirektors Dr. T o 1 d t vom Bundespräsidenten überreicht.

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