Der gute Staat -Versuch und Wirklichkeit

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"Zimbabwe ist ein Beispiel für die Probleme der Entwicklungspolitik. Korruption und schwache Identifikation der Bürger mit dem Staat sind durchgängige Merkmale."

Adieu Mugabe

Robert Mugabe war seit den 80er-Jahren Regierungschef und Präsident der ehemals britischen Kolonie Rhodesien. Nun wurde er gestürzt. Doch die Aussichten für das Land sind trübe.

Die gute Führung eines Staates, die "good governance", ist bei weitem kein neues Phänomen. Sie ist im Gegenteil uralt, so alt, dass es der Versuch einer zur "guten Regierungsführung" zählenden Maßnahme bis ins Neue Testament geschafft hat. Der Durchführende dürfte der Prokonsul Publius Sulpicius Quirinius gewesen sein, ein Mann des Kaisers Augustus und Befehlshaber der syrischen Legionen. Konkret geht es um die Installierung eines nachhaltigen Steuerwesens in Judäa zur Zeit der Geburt Christi. Denn -und ab hier ist die Geschichte vermutlich sogar besser bekannt als Hänsel und Gretel: "In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal ..." Dieser wohl bekannteste Versuch der "good governance" wurde übrigens von den Einwohnern Judäas mit Unruhen und heftigen Protesten quittiert. Immerhin wollte der Kaiser Informationen über alles Eigentum und Einkommen der Bürger haben und davon einen Teil für den Unterhalt des Staates. Auch das Vermögen des mutmaßlichen Wanderarbeiters Josef und seiner Maria, die über Liegenschaften in der Nähe von Betlehem verfügt haben dürften.

Der Weg zum Staatsglück

Aber das sind eben alte Geschichten. Das Gesicht der Welt hat sich seitdem so stark verändert wie das, was heute alles unter dem Begriff "good governance" verstanden wird: als ein Weg, Rechtsstaatlichkeit zu verankern zum Wohl und Besten der Bürger, nicht der Regierenden. Soweit das relativ unstrittige Ziel. Der Weg dorthin ist freilich so umstritten, wie es der Begriff "gut" offen lässt, was einer darunter meinen möchte.

So pflastern Meinungsverschiedenheiten politischer und ökonomischer Natur die Strategien Richtung Bürger-und Staatsglück. Schafft beispielsweise Reichtum Demokratie, oder ist Demokratie erst Voraussetzung für Reichtum? Die Debatte über das Primat der Wirtschaftsentwicklung über der politischen Freiheit ist nach wie vor offen. Vor allen deshalb, weil zum Teil autoritäre Regime in Asien (China, Singapur) große Fortschritte in Sachen Wachstum und Wohlstand erreicht haben.

Angewendet wird der Begriff vor allem in der Entwicklungspolitik, als Platzhalter für geordnete

und zuverlässige Institutionen, eine funktionierende Bürokratie und ein gesichertes Sozialwesen, auf dem sich eine prosperierende Volkswirtschaft erheben soll. Im Rahmen westlicher Entwicklungshilfe sollten alle armen Ländern der Erde sich so einen Anteil am Reichtum sichern können. Doch die Bilanz der über 50 Jahre alten Bemühungen der Entwicklungshilfe muss trotz bester Absichten als verheerend beschrieben werden, zumindest was den afrikanischen Kontinent betrifft. 1970 musste ein Zehntel der Afrikaner mit einem Einkommen unter einem Dollar pro Tag auskommen. 2015 waren es zwei Drittel. Und das trotz eines Stroms von Milliarden und Abermilliarden Dollar, die nicht in "good governance" landeten, sondern in "bad governance" versickerten.

Als jüngstes herausragendes Beispiel dafür kann die Geschichte Zimbabwes gelten, dessen autoritär regierender Präsident Robert Mugabe vor wenigen Tagen aus dem Amt geputscht wurde.

In den 1980er-Jahren galt Mugabe als Hoffnungsträger des Modells einer wachstumszentrierten Entwicklungspolitik. Das Land galt als die Kornkammer Afrikas, dazu noch gesegnet mit reichen Diamant-und Goldvorkommen.

Zunächst verlief der Prozess tatsächlich erfolgreich. Der Übergang von der kolonialen Herrschaft einer weißen Minderheit zu einer gemischtrassigen Demokratie schien beispielgebend. Die globalen Finanzinstitutionen verordneten Strukturanpassungsprogramme, die eine Öffnung der Märkte vorsahen bei gleichzeitiger Abwertung der Zimbabwe-Dollars, um die Wirtschaft konkurrenzfähig zu machen. Vor allem der Sektor der Dienstleistungen und der Infrastruktur sollten gefördert werden und die globalen Marktchancen sichern.

Das führte tatsächlich zu einem Wachstum von durchschnittlich fünf Prozent. Doch gleichzeitig betrug die Inflation 20 Prozent. Die Bürger spürten vom Aufschwung nichts, im Gegenteil. Die Arbeitslosigkeit kletterte auf 45 Prozent, Cholera und Aids taten ein Übriges. Der Zusammenbruch der Wirtschaft hatte eine Hyperinflation zur Folge, die den Simbabwe-Dollar obsolet machte. Mugabe machte die Weißen dafür verantwortlich und begann mit Enteignungen, die von EU und USA mit Sanktionen beantwortet wurden.

Doch diese Strafmaßnahmen sind zweifelhaft, auch weil sie oft an den eigenen Interessen scheitern. So hat die EU Sanktionen gegen die Zimbabwe Mining Development Corporation aufgehoben, die unter dem Verdacht steht, von Mugabes Partei ZANU-PF als Geldmaschine benutzt zu werden. Die African Development Bank schätzt, dass in den vergangenen Jahren durch Veruntreuung und Betrug bei Bodenschätzen zwölf Milliarden US-Dollar verloren gegangen sind.

Gibt es Hoffnung für Zimbabwe nach dem Militärputsch? Erste Aktionen des Mugabe-Nachfolgers Emmerson Mnangagwa lassen daran Zweifel aufkommen. Die neue Regierung schließt die Opposition weiter aus. Die Gerichte mussten den Militärputsch als gerechtfertigt beurteilen.

Zimbabwe mag nur ein kleines Beispiel für die Probleme und bemühungen sein, mit denen die Entwicklung eines Staatswesens einhergeht. Aber die Bausteine Korruption und Vetternwirtschaft, Machtklüngelei und schwach ausgeprägte Identifikation der Bürger mit dem Staat sind durchgängige Erscheinungsbilder.

Bürokratie und Fortschritt

Aus zahlreichen Beispielen in Afrika und Südamerika haben sich zwei deutsche Forscher, Ludgera Klemp und Roman Poeschke bemüht, ein Gesamtbild der "good governance" zu zeichnen und Strategien für die Zukunft abzuleiten. Die Ergebnisse waren ernüchternd, weil das Erreichen guter Staatsstrukturen ein langsamer Wachstumsprozess ist, der viele Jahre in Anspruch nehmen kann.

Zweitens: Armut kann nicht automatisch durch Wirtschaftswachstum beseitigt werden.

Gleichzeitig muss gesagt werden, dass die Öffnung der Märkte in vielen Fällen (vor allem in Asien, also Südkorea, Taiwan und Singapur) den Staaten enormen Reichtum gebracht haben.

Erfolgreiche Entwicklungspolitik kann demgemäß nur dann erfolgreich gestaltet werden, wenn der Staat über eine gut verankerte Struktur von Behörden und einen stabilen Sicherheitsapparat verfügt. Und zusammengefasst meinen Klemp und Poeschke: "Auf die Fragen, warum sich bestimmte Länder entwickeln und andere nicht, was Entwicklungsgesellschaften zusammenhält und was zum Auseinanderbrechen von Staaten führt, gab es keine allgemeingültigen Antworten."

Entwicklungsdelder

Hilfe -Wunsch und Realität

Der Wirtschaftswissenschafter Karl Aiginger hat 100 Milliarden Euro zusätzliche EU-Entwicklungshilfen für Afrika gefordert. "Diese Summe macht 0,7 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes aus", sagte er am Mittwoch im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Wien. Alle Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig, dass Europa sich auch aus eigenem Interesse mehr in Afrika involvieren müsse. "Im Moment werden für Afrika rund zehn Milliarden Euro bereitgestellt", so Aiginger, der bis 2016 Leiter des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung war. Die zusätzlichen 100 Milliarden seien jedoch notwendig. Afrika habe enormes Potenzial und sei das "China von morgen". Aiginger schlug vor, besonders Steueroasen und illegale Kapitalexporte einzubremsen und so die zusätzlichen Mittel aufzubringen. Konstantin Huber vom Finanzministerium betonte, dass die bestehenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Afrika "neoliberal" und "nicht zielführend" seien. "Nicht freier, sondern fairer Handel ist wichtig", fügte er hinzu.

Die EU hat diese Woche nicht 100 Milliarden, sondern rund 30 Millionen Euro zur Bewältigung der Migration im Rahmen ihres Afrika-Trust-Fonds hinzugefügt. Der Fonds hat bisher ein Volumen von 3,2 Milliarden Euro. Eines der neuen Programme im Umfang von zehn Millionen Euro sieht die freiwillige Rückkehr und Reintegration von Migranten nach Nordafrika vor.

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