Der Innitzer-Gardist

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Hermann Lein, Teilnehmer am Wiener Jugendgottesdienst und-protest des Oktober 1938 und dafür in KZ-Haft, ist 85-jährig verstorben.

November 1998: Der damalige Linzer Bischof Maximilian Aichern, der damalige evangelische Oberkirchenrat Wilhelm Dantine und ein ehemaliger KZ-Häftling mauerten im Wiener Stephansdom eine Urne mit Erde aus Mauthausen ein - Erinnerung an dunkelste Zeiten.

Der Mauthausen-Überlebende bei dieser Gedenkstunde war Hermann Lein, den mit Stephansdom und NS-Widerstand persönliche Geschichte verbindet: Lein gehörte zu jenen 7000 Jugendlichen, die am 7. Oktober 1938 beim "Rosenkranzfest" mit Kardinal Innitzer im Stephansdom waren. Innitzers Predigt wurde von den Anwesenden als klare Absage an den Nationalsozialismus verstanden, die Jugendlichen skandierten anschließend auf dem Stephansplatz lautstark Parolen gegen die NS-Herrschaft.

Die Wiener Vorfälle stellten die größte öffentliche Manifestation gegen das Regime im ganzen Reich dar, die Staatsmacht ließ tags darauf die Hitlerjugend los, die - Hetzsprüche wie "Innitzer und Jud, eine Brut" schreiend - das Erzbischöfliche Palais verwüstete.

"Heil unserem Bischof!"

Hermann Lein fuhr am 9. Oktober an der Verwüstung mit dem Rad vorbei und erzählte darüber, was dann passierte: "Hab also die zerstörten Fenster gesehen, hab gesehen, wie die Polizei die Neugierigen dazu anhielt weiterzugehen. Bin also vorbeigefahren beim Heidentor [Hauptportal des Stephansdoms] Richtung Rotenturmstraße, und da ist eben bei mir eine Emotion losgebrochen. Ich war also irgendwie empört, erzürnt im Inneren und eben gar nimmer so ganz von der Vernunft her bestimmt - bin ich zurückgefahren und habe auf dem Stephansplatz laut gerufen: "Heil unserem Bischof!", was natürlich dann eine Verfolgungsjagd ausgelöst hat. Ich bin mit dem Rad ... sehr schnell unterwegs gewesen, über den Graben, Kohlmarkt, dann fiel mir ein, einem Auto, das ich hinter mir schon spürte, kann ich nicht so ohne weiteres entkommen. Ich versuchte dann, Kurven zu fahren, Herrengasse, Strauchgasse. Und auf der Freyung gibt es eine leichte Steigung, die merkt man gar net, aber ich war eben so ausgepumpt, dass ich da das Wettrennen verloren hab."

Hermann Lein wurde also verhaftet und wegen "Volksaufwiegelung" verurteilt. Er kam zuerst ins KZ Dachau und nach Kriegsbeginn ins KZ Mauthausen. Im April 1940 wurde Lein entlassen. Seine Erfahrungen in der Haft hat er im Buch "Als Innitzergardist in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen" (1988) niedergeschrieben.

Nach dem Krieg studierte Hermann Lein Geschichte und Deutsch, war als Gymnasiallehrer und dann als Sektionschef im Unterrichtsministerium tätig. Auch im Ruhestand hielt er als Zeitzeuge die Erinnerung an die Ereignisse von 1938-45 wach. Am 1. Februar ist Hermann Lein im 86. Lebensjahr in Wien verstorben.

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