Der Kampf um das Abendland

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Das Thema erlaubt, nein: gebietet, breite Auseinandersetzung, intensive Debatte, gründliche Gespräche: das Verhältnis von Staat und Kirche, von Politik und Religion, von Wissen und Glaube. Die Heftigkeit der Tabubrüche, die teils grotesken Missverständnisse, die Instrumentalisierung der Bilder und die sonstigen Irrtümer in dieser Gemengelage erfordern zumindest das Bemühen um Analyse und klare Sicht auf den Stand der Dinge (Lesen Sie dazu auch das Herausgeber-Wort auf dieser Seite).

Falsche Ansage, falsche Antwort

Weil es erfahrungsgemäß schwierig ist, auf einen Fehler richtig zu reagieren, könnten noch einige Herren in die Falle von Heinz-Christian Strache tappen. Er hat sich bei einer politischen Kundgebung mit einem Kreuz in der Hand gezeigt, in einer Pose, wie man sie von der Statue von Pater Markus Aviano im Zentrum Wiens kennt. Der Kapuziner half mit kräftigen Worten mit, im 17. Jahrhundert die Türken vor Wien abzuwehren, und wurde im Österreich der dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts versuchsweise dazu herangezogen, christlich-katholische Politik auf eine breitere Basis der Akzeptanz zu stellen. Und jetzt kommt Strache.

Er missbraucht das Kreuz, das wahrscheinlich stärkste Symbol dieser Welt, für Politik, konkret für politische Polemik. Dafür ist es nicht gedacht. Punktum. Zudem: Das ordentliche Auseinanderhalten von Staat und Kirche hebt keineswegs die zulässige Verbindung von Politik und Religion auf. Denn gerade Religion, namentlich das Christentum, bietet ein Welt- und Menschenbild, das Leben zu tragen und zu gestalten vermag. Es gebietet den Gebrauch von Vernunft und Gewissen, stiftet Freiheit und verknüpft diese mit Verantwortung, begründet einen Wertekanon und damit wohl auch einen Katalog der Verhaltensweisen. Christen sollen wirken, auch und gerade in der Politik, was aber, nächster Irrtum, nicht zum Fehler konfessioneller oder von Religiosität getriebener Politik führen darf. Anknüpfungspunkt von Staatlichkeit und Politik ist der Mensch in seiner Würde und seiner Existenz, aber nicht in seinem Glauben oder seiner Gläubigkeit. Die Seelen der Menschen gehören nicht den Herrschern dieser Welt. Viel mehr ist vor jenen unter ihnen zu warnen, welche die Herzen in falscher, in trügerischer Absicht ansprechen und die Gemüter in Wallung bringen. Das sind dann in der Tat bösartige Hetztiraden im Wissen um die Grundeinsicht, dass niemand etwa für eine Wasserleitung, sehr wohl aber für einen Gott in einen Krieg zu ziehen bereit ist. Es bleibt ein tiefer Schock dieser Tage, dass sich Strache all dessen bedient, dass es kaum in klarer Rede öffentlich auseinandergehalten wird.

Retter gefährden das Abendland

Zu den richtigen Feststellungen dieser Tage gehört jene, wonach das vermutete Vakuum, der spürbare Leerraum an Werten und Glaube nun durch die Politik gefüllt werde. Konkret durch jene Parteien, die das Abendland in Christenhand sehen wollen. Diese richtige Beobachtung birgt in sich die falsche Schlussfolgerung, der Vorgang sei bereits zulässig und richtig. Ist er aber nicht. Wenn es, woran kaum zu zweifeln ist, eine Verdunstung des Glaubens und der Christlichkeit gibt, dann ist dieser Raum wieder mit Glauben und Christlichkeit zu füllen. Aber doch nicht mit politischer Polemik, mit Hasstiraden, mit Feindbildern!

Wer all das missversteht, setzt in Wahrheit aufs Spiel, was zu retten er vorgibt: die Erkenntnisse, die Erfahrungen, die Weisheiten des Lebens und der Politik, die sich mit dem richtig verstandenen Begriff des Abendland verbinden.

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