Der Koran und Weihnachten

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Es klingt provozierend, wenn ich sage, dass gerade der Koran das Buch ist, das den Dialog zwischen Muslimen und Christen am stärksten anregt. Denn mir ist kein Buch außer dem Neuen Testament bekannt, das Jesus so sehr verehrt und würdigt wie der Koran selbst. Die Auseinandersetzung mit dem koranischen Jesus zeigt, dass der Koran Jesus als mehr als nur einen Überbinger einer Botschaft darstellt. Demnach sind Jesus selbst, sein Leben und sein Wirken zugleich Inhalt dieser Botschaft. Daher wundert es nicht, dass der Koran Parallelen zu sich selbst und zu Jesus herstellt: Beide sind Zeichen Gottes für die Menschen, die er den Menschen gibt, um ihnen Barmherzigkeit zu erweisen. Beide sind das Wort Gottes. Beide sind aber auch der Geist Gottes und beide wurden durch den Heiligen Geist verkündet. Gerade die koranische Gleichsetzung Jesu mit dem Geist Gottes verweist auf seine Geisterfülltheit und gibt der islamischen Theologie einen Anlass, die Funktion Jesu in einem anderen Lichte zu sehen, eben als Inhalt der göttlichen Botschaft.

Der Koran verweist somit darauf, dass sich Gott selbst nicht nur im Koran offenbart hat. Inwieweit können wir Muslime Jesus von Nazaret als Selbstoffenbarung Gottes anerkennen, ohne natürlich Jesus zu vergöttlichen? Dies scheint mir eine dringende Anfrage an die islamische Theologie heute zu sein. Aber mir scheinen die koranischen Hinweise auf eine solche Anerkennung sehr einleuchtend. Indem der Koran Jesus zugleich mit dem Wort und dem Geist Gottes gleichsetzt, zeigt er, dass es ihm nicht um eine apologetische Haltung gegenüber dem Christentum geht, sondern er lädt Muslime wie Christen ein, sich mit Jesus intensiv auseinanderzusetzen. Der Koran gibt auch uns Muslimen Anlass, Jesus gerade zu Weihnachten zu würdigen, und zwar unabhängig von theologischen Spekulationen. In diesem Sinne wünsche ich Muslimen wie Christen frohe und gesegnete Weihnachten.

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