"Sodomitische Ideologie“: In solcher Diktion wettern die katholischen Bischöfe der Slowakei gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe.
R asch kommen die "Bischöfe der Slowakei“ zur Sache: Der erste Absatz des Schreibens an die "lieben Brüder und Schwestern“ beginnt mit dem Wort "Advent“ und endet mit der "Kultur des Todes“. Nicht weniger als zehnmal kehrt die Wortprägung Johannes Pauls II. dann wieder. "Wenn der Mensch sich gegen die göttliche Ordnung stellt, induziert er eine Kultur des Todes“, heißt es da. Die "Akteure der Kultur des Todes“ gebrauchten zu ihrer Durchsetzung höchst raffinierte Methoden und verpackten ihre Anliegen in edlen Worten wie "Menschen- und Kinderrechte“.
Vor allem stört die katholischen Bischöfe, dass die "Anhänger der Kultur des Todes mit der neuen Gender-Ideologie daherkommen“. Mit der Lehre von der Gleichheit der Geschlechter bei der Geburt wollten sie "dem Mann das Recht auf die Identität als Mann, der Frau das Recht auf die Identität als Frau und der Familie das Recht auf die Identität als Familie“ nehmen. Durch die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe entstehe "eine Art sodomitisches Pasquill (Schmähschrift; Anm.), das dem göttlichen Willen widerspricht und der göttlichen Strafe den Weg bahnt“.
Ein besonderes Augenmerk widmen die Bischöfe dem Vordringen der "sodomitischen Ideologie“ im Schul- und Vorschulwesen, die "das Kind nicht nur um seine Würde bringen, sondern auch moralisch und psychisch völlig verkrüppeln würde“. Im Kommunismus sei der "Lehrer missbraucht worden, gegen den Willen der Eltern ihren Kindern den Atheismus aufzudrängen, heute droht ihm noch etwas Schlimmeres“.
Angst vor dem Untergang
Nicht minder markant wie der inflationäre Gebrauch des Topos "Kultur des Todes“ ist jener der Begriffe "Volk“ und "Heimat“. Von der vom Schöpfer verliehenen Würde von Mann, Frau und Familie werde auch die "Würde des Volkes“ abgeleitet. Ein Volk, in dem dieser Zusammenhang bestritten werde, verliere die "würdige Stellung vor Gott und der Welt“; die "Kultur des Todes“ bedrohe "tatsächlich die Existenz des Volkes“. Den Pro-Life-Marsch, der in Kaschau/Koˇsice am 19. September 80.000 Menschen auf die Beine gebracht hat, werten die Bischöfe als Aufruf an die Volksvertreter, "sich nicht zu scheuen, die Würde und Lebensfähigkeit unseres Volkes zu schützen“.
Konsequenterweise münden diese Überlegungen in die Feststellung: "Unsere Stimme, bei welchen Wahlen auch immer, kann nur jener Kandidat erhalten, der die Kultur des Todes ablehnt. Mit einer gegenteiligen Haltung würden wir jene Vorfahren missachten, die ihr Leben für das Wohl des Vaterlandes hingegeben haben.“ Eine eigenartige Formulierung angesichts des Umstands, dass das Vaterland der Slowaken ein Jahrtausend lang das Königreich Ungarn war, in dem sie zuletzt gedemütigt und in ihrer Nationswerdung schwerstens behindert wurden.
Die Brisanz des nationalen Fragenkomplexes lässt sich an zwei Wahlgängen ablesen. Der erste hievte nur eine Woche vor dem ersten Adventsonntag in den Sessel des Landeshauptmanns der Region Banská Bystrica den 36-jährigen Marián Kotleba, der auf Flugzetteln versprochen hatte, er werde "die ungerechte Bevorzugung nicht nur zigeunerischer Parasiten beseitigen“.
In den Kommentaren zum Hirtenbrief konnte die Frage nicht ausbleiben, wo denn die Stimme der katholischen Kirche nach dem Sieg dieses Faschisten geblieben sei. Zwar habe die Kirche Kotlebas Ansichten und Ziele nicht direkt unterstützt, aber sie trage dazu bei, "aktiv jene mentale Atmosphäre zu schaffen, die Kotlebas Erfolg ermöglicht hat“, so Peter Morvay in der Tageszeitung Sme. Und die Lesben- und Schwulenaktivistin Romana Schlesinger fügt hinzu, das Verhalten der Kirche bewirke "einen Anstieg der Homophobie und der Selbstmordversuche junger Menschen mit anderer als heterosexueller Orientierung“.
Für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2013 hat schon rund ein Dutzend Kandidaten seine Bewerbung angekündigt, darunter mehrere, die dem katholischen Lager zuzuordnen sind. Auf Seite der regierenden Linkspartei "Smer“ spricht manches dafür, dass Ministerpräsident Robert Fico seinen Stellvertreter Miroslav Lajˇ˘cák ins Rennen schickt. Dieser treibt als Vorsitzender des Menschenrechtsbeirats der Regierung zwar eine "Menschenrechtsstrategie“ voran, hat deren Beschluss aber wegen Einspruchs der katholischen Kirche um ein Jahr verschoben. Und als Außenminister hat er sich, wenngleich erfolglos, für einen Besuch Benedikts XVI. in der Slowakei ins Zeug gelegt.
Papst Franziskus als Zeuge?
Dass der Ton des Adventhirtenbriefs doch ein ziemlich anderer als jener von Benedikts Nachfolger Franziskus ist, konnte den Kritikern natürlich nicht verborgen bleiben. Der Prager Theologe Tomá˘s Halík meint, er sei neugierig, wann es in der Slowakei "zensurierte Texte von Papst Franti˘sek“ geben werde, "der die Kirche auffordert, das Getto der Inhaber der Wahrheit zu verlassen und ein kompetenter Partner in einer freien Diskussion über ernste Fragen unserer Zeit zu sein“.
Die Bischöfe halten dagegen einen Brief, in dem Kardinal Bergoglio im Hinblick auf die Lobby für die Einführung der Homo-Ehe von "teuflischem Hass“ gesprochen habe. In einem Brief an Justo Carbajales, den Exekutivdirektor der Laiensektion der Argentinischen Bischofskonferenz, habe der nunmehrige Papst 2010 genau dieselben Argumente zum Schutz von Ehe und Familie verwendet wie jetzt die Slowakische Bischofskonferenz. Worte, wie jene am Ende von Bergoglios Schreiben, sucht man im Hirtenbrief freilich vergebens: "Diese Aufgabe vertraue ich dir an: Von eurer Seite soll, in der Rede wie im Herzen, keine Aggressivität und Gewalt gegen einen Bruder sein. Christen verhalten sich als Diener der Wahrheit, nicht als ihre Herren.“
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