Der neue Papst in Ägypten

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Der neue Patriarch der koptischen Christen, Tawadros II. (koptisch: Theodor), wird sein Amt in Kairo am 18. November antreten. Die rund zwölf Millionen Kopten unter 70 Millionen ägyptischer Muslime haben schwere 40 Jahre hinter sich, seit Anfang Dezember 1972 das Pfarrhaus von Chanka im Nildelta im Namen der Reislamisierung angezündet wurde. Von da an gab es immer wieder Morde und Entführungen, Zerstörung von Kirchen sowie Brandschatzungen christlicher Häuser und Geschäfte. In der ägyptischen Revolution von 2011 und erst recht mit der Machtergreifung der Muslimbrüder im letzten Sommer wurde diese Drangsal zu einem Dauerzustand. Ganze koptische Gemeinden wurden und werden aus ihren Heimatorten vertrieben. Dazu kam, dass die koptisch-orthodoxe Kirche seit dem Ableben des großen Schenuda III. im März führungslos war.

In den am 4. November - seinem 60. Geburtstag - nach einem langen Wahlverfahren aus einem Dreiervorschlag ausgelosten neuen "Papst und Patriarchen von Alexandria“ setzen die Kopten jetzt ihre einzige Hoffnung. Der 60-jährige Pharmazeut, Wüstenmönch, seit 1997 Bischof und jetzt Patriarch Tawadros wird von seinen Gläubigen als "Licht am Ende des Tunnels“ begrüßt: "Wir erhoffen nun bessere Tage als diese Zeit der Austreibungen, Brandstiftungen und Tötungen“, sagt Madleine Anwar der Tageszeitung Al-Ahram. Sie ist damit an richtiger Adresse: Das früher nasseristische Blatt wird jetzt von den Muslimbrüdern kontrolliert.

Die koptische Wochenzeitung Watani nennt Tawadros "den guten Hirten seiner bedrohten Herde“. Michel Mounir, ein mutiger Aktivist für Menschen- und Christenrechte in Ägypten, bestätigt dem neuen Patriarchen "ein ebenso guter Manager“ wie von "tief innerlicher Spiritualität“ zu sein, "der beste unter den drei Endkandidaten“. Pfarrer Konstatin Nadib von jener Kirche in Alexandria, die Schauplatz des Anschlags von Anfang Jänner 2011 war, meint sogar: "Das ist Gottes Plan. Wir alle sind jetzt zuversichtlich: Tawadros ist ein weiser Mann.“

Weisheit und ebenso Klugheit wird der Koptenpatriarch auch brauchen, um den äußeren, aber ebenso internen Nöten seiner Kirche die Stirn zu bieten. Einerseits spricht er sich dafür aus, das Bemühen seines Vorgängers Schenuda um ein trotz allem möglichst gutes Verhältnis zu Ägyptens Muslimen aufrechtzuerhalten: "Seit urdenklichen Zeiten haben Ägypter aller Religionen zusammengelebt … Wir müssen unseren Platz in der ägyptischen Gesellschaft einnehmen und ein Miteinander mit den Muslimen finden!“

Doch offene Worte zur Abwehr der bevorstehenden Gefahr einer ganz vom politischen Islamismus geprägten neuen Verfassung findet Tawadros II. gleich in seinem ersten Rundfunkinterview: "Eine nur mit dem islamischen Recht der Scharia konforme Konstition ist inakzeptabel. Religiöse Satzungen haben keinen Platz in einer Staatsverfassung. Die muss für alle da sein, muss die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen zusammenbringen!“

Die Bewegung des arabischen Frühlings hat auch innerhalb der koptischen Kirche zur Infragestellung alter Traditionen geführt, der Unauflöslichkeit der Ehe z. B. Tawadros, 15 Jahre Jugendbischof an der Seite von Patriarch Schenuda, will solche Forderungen "anhören und ernst nehmen“. Das Gespräch mit der Jugend soll "nicht länger von einer starren Position vollendeter Tatsachen aus erfolgen: Wir dürfen nicht befehlen, wir müssen überzeugen!“

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