Der PaPst als Kreuzfahrer?

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Ein Besuch bei Geschwistern war Franziskus' Visite in Armenien zweifellos. Zum einen galt der Respekt des Papstes einer alten christlichen Denomination, die sich - noch vor der Anerkennung der Christen im Römischen Reich! - als Staatsreligion etablierte. Zum anderen waren auch theologische Differenzen zwischen der römischen und der armenischen Kirche, die nicht zuletzt bei einer "Pro Oriente"-Tagung in Wien vor mehr als vier Jahrzehnten beigelegt werden konnten, kein Thema mehr.

Aber einmal mehr trübte die Politik das friedliche Zusammenkommen der Kirchenführer. Denn dass Franziskus das Wort "Genozid" fürs Massensterben der Armenier im Osmanischen Reich vor 101 Jahren in den Mund nahm, rief dessen Neo-Statthalter erneut auf den Plan: Franziskus eine "Kreuzfahrer-Mentalität" vorzuwerfen, wie es das türkische Außenministerium tat, ist dem nationalistischen Narrativ geschuldet, dem sich die Türkei unter Recep Tayyib Erdogan befleißigt. Zuletzt der Deutsche Bundestag, nun der Papst: Alle flicken dem hehren Türkentum am Zeug, so die Botschaft, die natürlich weder etwas mit historischer Realität noch mit politischem Fingerspitzengefühl zu tun hat.

Die letzten Tage zeigten, dass die politische Sackgasse, in die sich Ankara manövriert hat, dortselbst bewusst wird: Erdogan schrieb an Wladimir Putin, dass ihm der Abschuss eines russischen Jets im Syrienkrieg leid tue, er sucht auch die Eiszeit mit Israel ob der Erstürmung eines türkischen Schiffes, das die Gaza-Seeblockade durchbrechen wollte, zu beenden. Und die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen "darf" ihre eigenen Truppen, die in der Türkei stationiert sind - entgegen bisheriger türkischer Rhetorik -, doch besuchen.

Das alles zeigt, dass trotz der Erdogan'schen Sottisen das rationale Moment der türkischen Politik nicht ganz verschwunden scheint. Auch wenn es ein frommer Wunsch bleibt, dass die türkische Tagespolitik die Bewertung des Völkermords an den Armeniern der Geschichtswissenschaft überlässt: Franziskus als Kreuzfahrer zu titulieren, ist, diplomatisch gesprochen, nicht hilfreich. Oder, um die Sache unverblümt auf den Punkt zu bringen: ein starkes Stück.

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