Der Papst aus Ägypten

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Der koptische Papst Schenuda III. besucht von 8. bis 11. Juli Österreich. Offizieller Schlusspunkt eines Streites zwischen den Kopten und der Republik.

Papst Schenuda zählt zweifellos zu den größten Persönlichkeiten des heutigen Ägypten. Der heute 81-jährige Schenuda ist seit 1971 Papst. (Kopten erinnern gerne daran, dass der Titel "Papa" zuerst in Alexandrien, dann erst in Rom verwendet wurde.) Der ehemalige Offizier, der in Kairo Theologie, klassische Philologie, Anglistik und Archäologie studiert und acht Jahre als Mönch im Wadi Natron gelebt hatte, erhielt seine religiöse Prägung vor allem in der Sonntagsschulbewegung, in der er seit 1939 als Lehrer wirkte. Bis heute fühlt sich Schenuda mit den Sonntagsschulen besonders verbunden. Nach seiner Ansicht ist die gegenwärtige religiöse Erneuerung der koptischen Kirche vor allem auf sie zurückzuführen.

Papst in der Sonntagschule

Aus koptischer Sicht war eine Folge der Sonntagsschulbewegung die Wiederbelebung des Mönchtums. Unter Schenudas Vorgänger Kyrill VI. wurde zum ersten Mal seit mehr als 1.000 Jahren ein neues koptisches Kloster errichtet, das Menas-Kloster, westlich von Alexandrien. Die heutige Reformbewegung des Klosterlebens weiß sich stark der Tradition der Wüstenväter verbunden, nimmt aber in wesentlich stärkerem Maße als diese auch Verantwortung für das gesellschaftliche Leben wahr. Das Anliegen der religiösen Erziehung ist Schenuda aus seiner Jugend geblieben. Bis heute unterrichtet er Theologie und gibt jeden Dienstag Katechesen in Kairo, die von bis zu 10.000 Gläubigen besucht werden.

Gegenwärtig gibt es ca. 30 Klöster. Die Angaben über die Zahlen von Mönchen und Nonnen variieren zwischen 1.500 und 5.000, vor einem halben Jahrhundert waren es angeblich nur noch 60. Die Eintretenden sind überwiegend Hochschulabsolventen aller Disziplinen, oft Kopten aus der amerikanischen, europäischen oder australischen Diaspora. In letzter Zeit bezogen die Kopten vermehrt leerstehende Klöster anderer Konfessionen in Europa und Amerika, was zumeist von der Umgebung vor allem auf Grund der starken Spiritualität vieler Mönche und Nonnen wohlwollend aufgenommen wurde.

Maria als Lichtstrahl

Eine besondere Rolle spielen Berichte über Marienerscheinungen. Die Koptische Kirche hat in diesem Jahrhundert vier als offiziell anerkannt, die letzte im Jahr 2000. Als Marienerscheinung wird in diesem Fall ein heller Lichtstrahl über einer Kirche im oberägyptischen Assiut gewertet.

Offiziell ist der koptische Papst die drittwichtigste Persönlichkeit im Protokoll des ägyptischen Staates. Faktisch hatten die Kopten in den letzten Jahrzehnten nur eine geringe politische Rolle - sieht man von Boutros Boutros-Ghali ab, der von 1992 bis 1996 UN-Generalsekretär und davor Vizeaußenminister war. Von 454 Parlamentariern sind heute sechs Kopten, und seit 1980 ist in den 26 Provinzen kein Christ mehr zum Gouverneur ernannt worden.

Mubarak ist Glück für Kopten

Nicht zuletzt unter dem Einfluss der koptischen Lobby im US-Kongress hat sich Präsident Mubarak in jüngster Zeit zu einigen ausgesprochen christenfreundlichen Schritten entschlossen: So wurde Weihnachten zum 18. nationalen Feiertag in Ägypten - ein Schritt der von Moslembrüderschaften kritisiert wurde. Auch die ägyptischen Schulgeschichtsbücher wurden überarbeitet. Bis vor zwei Jahren wurde darin nicht erwähnt, dass Ägypten einst ein fast vollständig christliches Land war. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Regierung Mubarak für die Christen unter den gegebenen Umständen einen Glücksfall darstellt - so ist etwa auch der Neubau von Kirchen gestattet, wenngleich die administrativen Hürden dafür sehr hoch sind. Einzelne Fälle von Übertritten zum Christentum werden anscheinend von staatlicher Seite geduldet. Amnesty international berichtet allerdings von Konvertiten, die aus diesem Grunde wegen Vergehen gegen das ägyptische Strafgesetz angeklagt wurden. Verurteilungen sind keine bekannt, wohl aber die Anhaltung in Untersuchungshaft. Häufiger als Übertritte vom Islam zum Christentum ist jedoch ein Religionswechsel in die andere Richtung.

Die Auswanderung zahlreicher Kopten, westliche Schätzungen sprechen von 10.000 pro Jahr, ist auf die wirtschaftlich schwierige Situation vieler Ägypter zurückzuführen. Schenuda ist dementsprechend die Gründung von neuen Gemeinden für die Diasporakopten ein vorrangiges Anliegen; auch die Gemeinden in Österreich sind zum Großteil erst in jüngster Zeit entstanden. Deshalb braucht es nicht zu wundern, dass der Schwerpunkt des Besuchs von Schenuda in Österreich die Einweihung neuer koptischer Gotteshäuser in Wien und Graz sowie im neuen koptischen Kloster in Obersiebenbrunn bei Wien sein wird. Daneben stehen offizielle Begegnungen sowie ein Vortrag am 9. Juli in der Nationalbibliothek auf Einladung von Pro Oriente auf dem Programm. In der Nationalbibliothek wird der weltweit größte Bestand an koptischen Handschriften und Dokumenten aufbewahrt.

Welcher Natur ist Jesus?

Zweifellos hat Papst Schenuda in der Ökumene Kirchengeschichte geschrieben. Auf Initiative von Kardinal König lud 1971 die Stiftung "Pro Oriente" altorientalische (bzw. "orientalisch-orthodoxe") und römisch-katholische Theologen zu Gesprächen nach Wien ein. Wichtigstes Thema war die Christologie, also jene Frage, an der 451 die Kircheneinheit zerbrochen war. Der damalige Erzbischof Schenuda brachte den entscheidenden Vorschlag, die Grundidee für die "Wiener Christologische Formel". Sie vermeidet die strittige Terminologie (zwei Naturen oder eine Natur), drückt aber zugleich für beide Seiten den Glauben an Christus - Gott und Mensch - in authentischer Weise aus. Festgehalten wurde weiters, dass beide Konfessionen den richtigen Glauben beibehalten haben. Die Kompromissformel stammt im Wesentlichen aus der koptischen Liturgie. 1973 wurde die Wiener Formel Grundlage einer offiziellen Erklärung zwischen Papst Paul VI. und Papst Schenuda III, 1988 offiziell festgehalten, dass dieser wichtige Streitpunkt zwischen Katholiken und Kopten nicht mehr existiert.

Geschätzter Johannes Paul I.

Für die Beziehungen zwischen dem katholischen Rom und dem koptischen Alexandria war auch die Wahl von Papst Johannes Paul I. von großer Bedeutung. Als Patriarch von Venedig hatte er die Reliquien des Hl. Markus, der Tradition nach der Gründer der Kirche von Alexandrien, zurückgegeben. Bis heute zeugen Bilder des 33-Tage-Papstes im Patriarchat in Kairo von seiner Hochschätzung.

Überraschender Weise hat heute die koptische Kirche das Thema "Fegefeuer" wieder zum Gegenstand von ökumenischen Gesprächen mit der katholischen Kirche gemacht. Eigentlich war über die Frage schon beim Konzil von Ferrara-Florenz Einigung darüber erzielt worden. Ein weiteres Thema ist die heutige katholische Lehrauffassung von der Heilsvermittlung durch nichtchristliche Religionen.

Kopten schlechter gestellt

Die Schätzungen über die Zahl der Kopten variieren sehr stark. Amtliche Zahlen sprechen von 2,3 Millionen, was jedenfalls zu niedrig sein dürfte. Die Kirche selbst spricht von 16 Millionen Kopten, die Diaspora eingerechnet. Westliche Schätzungen sprechen von acht bis zwölf Millionen, darunter auch "Krypto-Christen", also solche, die sich aus Angst vor Nachteilen nicht offiziell zum Christentum bekennen.

Der Besuch von Papst Schenuda III. von 8. bis 11. Juli markiert das Ende einer Verstimmung durch eine legistische Unachtsamkeit: Das österreichische Religionsgesetz von 1997 stellte auf Grund eines Versehens die 5.000 Angehörigen der koptischen Kirche schlechter als die anderer vergleichbarer Kirchen. Der Fehler konnte 2003 durch das "Altorientalengesetz" korrigiert werden. In den fünf Jahren dazwischen war - so überraschend es scheinen mag - nicht nur die Beziehung zwischen koptischer Kirche und der Stiftung Pro Oriente belastet, sondern auch die Beziehung zu Rom.

Der Autor, Theologe und Jurist, ist Ostkirchenexperte und arbeitet derzeit in der politischen Sektion des Außenministeriums.

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