
Der Papst in Budapest: Sieben Stunden auf unsicherem Terrain
Am 12. September kam Franziskus auf eine päpstliche Stippvisite nach Budapest. Ein freundlicher Pontifex, der um klare Worte nicht verlegen war.
Am 12. September kam Franziskus auf eine päpstliche Stippvisite nach Budapest. Ein freundlicher Pontifex, der um klare Worte nicht verlegen war.
Gerade einmal sieben Stunden hatte sich Papst Franziskus am Sonntag Zeit für seinen Besuch in Ungarn genommen. Und streng genommen bereiste er nicht das östliche Nachbarland, sondern er kam, um dem Abschlussgottesdienst des Internationalen Eucharistischen Kongresses, der seit 5. September in Budapest stattgefunden hatte, vorzustehen. Das Protokoll war auf ein Minimum reduziert, und das Treffen mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán dauerte nur eine halbe Stunde und fand auf „neutralem Boden“, im Museum der Schönen Künste, statt. Man konnte dann einen Tag später in der Slowakei sehen, dass Franziskus auch Staatsoberhäupter besucht, wenn er will: Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová suchte er in ihrem Amtssitz auf ... In einem TV-Interview hatte Franziskus noch kurz vor seiner Budapest-Visite gemeint, er wisse selber gar nicht, ob er Orbán auch treffen werde.
Der ungarische Premier ließ aber auch auf seine Weise den Pontifex wissen, wo er steht – in Bezug auf Flüchtlings- und christliche „Identitätspolitik“ jedenfalls ganz woanders: Als Gastgeschenk überreichte Orbán dem Papst einen faksimilierten Brief des ungarischen Königs Béla IV., der Papst Innozenz IV. vor einer Tataren-Invasion warnte. Symbolpolitik, ganz gewiss.
Christsein in der Gesellschaft
Auch wenn in Franziskus’ Reden und Predigt vor allem seine geistliche Auslegung der christlichen Botschaft im Vordergrund stand, ließ es der Papst nicht an klaren Worten und Hinweisen fehlen, wie er Christsein in der Gesellschaft versteht. Dass das im Widerspruch zur herrschenden Regierungspolitik im Land steht, dürfte wenig verwundern. Und: Die Kritik am Kurs Orbáns ist zwar im Westen präsent – auch bei kirchlichen Stimmen, in der ungarischen Kirche, und insbesondere dem Klerus, findet sich Derartiges kaum – im Gegenteil. Wenn Franziskus dann die ungarischen Bischöfe zu mehr Dialog und Mut zur Veränderung aufruft, dann gibt es wenig zu deuteln: „Entweder verschließen wir uns in einer starren Verteidigung unserer sogenannten Identität, oder wir öffnen uns für die Begegnung mit dem Anderen und kultivieren gemeinsam den Traum einer geschwisterlichen Gesellschaft“, so der Papst wörtlich. Franziskus geißelte einmal mehr – vor jüdischen Vertretern – den Antisemitismus;
auch dies ist als Botschaft zu verstehen in einem Land, in dem es regierungsoffizielle Kampagnen mit antisemitischem Einschlag gibt – etwa gegen den jüdischen Milliardär George Soros.
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