"Der Papst soll sagen, dass Gott gut ist"

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Trotz des Fortschrittswahns glauben wenige daran, dass die Welt besser wird: Dem künftigen Oberhaupt der Katholiken steht als erste Aufgabe vor Augen, Hoffnung zu stiften. Aber auch: Rom möge zum Thema Sexualität 10 Jahre lang schweigen. Wünsche an den neuen Papst von Regina Polak.

Der Papst soll sagen, dass Gott gut ist", sagt mein sechsjähriger Sohn Elias. Ich stimme zu. Was heißt das konkret für den nächsten Papst?

Trotz eines irrwitzigen Fortschrittswahns glauben heute wenige daran, dass die Welt besser wird. "Mit Recht dürfen wir annehmen, dass das künftige Schicksal der Menschheit in den Händen jener ruht, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können", heißt es im Dokument "Gaudium et Spes" des II. Vatikanums.

Hoffnung stiften

Ich wünsche mir einen Papst, der diese Hoffnung wahrnehmbar macht. Das soll keine naive, sondern jene Hoffnung sein, die Gründe nennt; die mit dem Schlimmsten rechnen kann ohne zu verzweifeln.

Wirksam wird sie in einer Moralität, die zum Leben ermutigt. Hörbar wird sie, wo einer die Menschenopfer in der Welt beim Namen nennt. Heilsam wird sie, wo jemand alternative Lebensweisen fördert und aufzeigt. Der neue Papst kann so das "gute Gewissen" der Welt repräsentieren.

Für Europa heißt das: Er soll uns nicht als gottverlassen abschreiben, sondern zutrauen und zumuten, den Weg der Gottes- und Menschenliebe neu zu finden.

Der neue Papst soll helfen, die Kirche wieder liebenswert zu machen. Er soll das Herz Europas öffnen, damit sein Reichtum für die übrige Welt fruchtbar werden kann.

Der neue Papst soll ein spiritueller Mensch sein - nicht weltflüchtig, nicht modernitätsfeindlich, aber auch nicht anbiedernd und mit einer großen Offenheit für die Vielfalt der Spiritualitäten. Alle sollen sehen können, wie sich eine solche Spiritualität politisch auswirkt. Amt wird dann wahrnehmbar als Dienst, Leitung als Ermächtigung der Geleiteten, Macht wird erfahrbar einzig in der gewaltlosen Ohnmacht des Wortes.

Hierarchisch wären nur mehr die Ämter organisiert, nicht die Personen: Der Papst ist mein Freund und Bruder in Christus, nicht mehr mein heiliger Vater. Synodalität wäre ein Modell für jede Demokratie, weil sie nicht nur nach Mehrheiten, sondern nach Einmütigkeit strebt. Was für ein Vorbild wäre das für die Politik!

Spirituell & politisch

Ich möchte keinen Papst, der sich fromm in den kirchlichen Binnenraum zurückzieht, denn zu groß sind die Probleme der Welt, für die er Verantwortung trägt.

Die Bedrohung der Welt durch die unzähligen Kriege und politischen Konfliktherde, durch Terror und Atomwaffen, durch den ökologischen Kollaps, durch Krankheiten und Epidemien, durch Bevölkerungswachstum, durch Armut in den südlichen Ländern der Welt und in Europa.

Der Papst soll eine Kirche fördern, die ein Werkzeug globalen Friedens ist und sich für universale Gerechtigkeit einsetzt. Auch wirtschaftspolitische, ökologische, biopolitische Fragen werden auf die Tagesordnung kommen.

Der sich weltweit ausbreitende Totalitarismus des globalen Kapitalismus wird die größte Herausforderung für den Papst sein: Kann er die Kirche dazu bewegen, sich mutig als gewaltlose, aber antitotalitäre geistige Großmacht zu Wort zu melden?

Ich wünsche mir einen pluralitätsfähigen Papst. Ein solcher kann die Vielfalt als Ausdruck der Überfülle der einen Wahrheit Gottes wahrnehmen. Das setzt authentisches Interesse am Fremden voraus.

Ich wünsche mir einen Papst, der Freude hat an theologischer Reflexion und uns Theologinnen nicht nur damit beauftragt, die Lehre zu erklären, sondern mit uns diskutiert, ohne dass man sich fürchten muss, Sprechverbot zu bekommen.

Pluralitätsfähig & pontifikal

Ich wünsche mir eine Regionalisierung der Kirche, die den einzelnen kontinentalen Traditionen Selbständigkeit zumutet. Einheit soll er nicht durch administrative Uniformisierung und autoritär-patriachalen Zentralismus gewährleisten. Beides sind Methoden des Bürokratismus der Moderne. Einheit sichert mein Wunsch-Papst durch ein gut organisiertes Zusammenspiel von Hierarchie und Synodalität, Kollegialität und Personalität, Subsidiarität und Solidarität. Vor allem aber durch Orientierung am Evangelium und Vertrauen in Gottes Geist.

Mein Traumpapst setzt die Ökumene und den Dialog der Religionen fort - auf Augenhöhe, mit Lernbereitschaft und Profil. Denn ich fürchte mich vor der Macht der selffulfilling-prophecy des "Clash of civilization - Zusammenpralls der Kulturen". Und ich befürchte eine Spaltung Europas und Amerikas in katholisch-orthodoxe und protestantische Blöcke.

Der Papst muss auch Brücken bauen können. Er kämpft für Versöhnung und gegen Polarisierungen in Kirche und Welt. Binnenkirchlich haben wir diese Situation zwischen den Progressiven und Konservativen. Der neue Papst wird beiden Seiten zumuten, um Versöhnung und Konsens zu streiten, voneinander zu lernen und unlösbare Differenzen zu ertragen. Dabei wird er achten, dass er nicht jene, deren Spiritualität er näher steht, unabsichtlich bevorzugt oder milder beurteilt.

Für eine große Zahl von Österreicherinnen und Österreicher sind die Themen Wiederheirat Geschiedener, Zölibat, und Frauenpriestertum zentral. Sie sind Stolpersteine, die viele davon abhalten, sich der Kirche anzunähern. Daher sind Reformen ausständig. Wo es um der Eucharistiefähigkeit gläubiger Gemeinden erforderlich ist, sollen auch Verheiratete auf Vorschlag der Gemeinde für diese geweiht werden können.

Ich wünsche mir aber auch, dass der Zölibat aufgewertet wird: Sein Sinn ist die sakramentale Darstellung der eschatologischen Dimension des christlichen Glaubens. Gerade in unserer diesseitsorientierten Welt möchte ich das nicht missen. Zu fragen wäre, ob hier nicht die Orden wieder viel stärker gefördert gehörten? Ob der neue Papst nicht alle Christinnen und Christen zu einem Leben im Geist der evangelischen Räte auffordern müsste? Wie diese Dimension des Eschatologischen noch repräsentiert werden könnte? Der Zölibat sollte jedenfalls langfristig kein Hindernis für eine priesterliche Berufung sein.

Heiße Eisen

Der übermäßige Stellenwert der Sexualität innerhalb wie außerhalb der Kirche irritiert mich immer wieder. Ich wünsche mir, dass Rom zehn Jahre zum Thema Sexualität schweigt. Viel wichtiger fände ich, wenn sich der Blick aus den Schlafzimmern der Menschen auf deren Finanzgebarungen richten würde, und der Papst mit der Kirche überlegt, wie ein Christ mit seinem Geld, mit Aktien und Fonds umgeht.

Schließlich die Frauen: Wenn der neue Papst uns Frauen nicht so sehr idealisieren würde, wäre das befreiend. Sprech- und Denkverbote über die Frauenordination braucht es nicht. Die Kirchenleitung müsste die Kirche nicht vor Frauen im Amt schützen, weil auch Frauen nur endliche Geschöpfe sind, die wie Männer den Christus auf Erden nur repräsentieren, niemals aber vollkommen realisieren können.

Die Autorin ist Pastoraltheologin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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