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Der Priester und „der andere
Mit banger borge verfolge ich seit meiner Rückkehr aus Lateinamerika (wo die Verhältnisse wesentlich von denen der USA verschieden sind) die Auseinandersetzungen über den Religionsunterricht. Als nach dem Kriegsende dort-drüben bekannt wurde, daß 1938.bis,1945 troor !;des-tstarken tteuheidnischen Druckes in OestiifreicTi nur fünf Pr6zeht der katholischen Bevölkerung aus der Kirche ausgetreten seien, war mein erster Gedanke: Gott sei Dank! Die österreichischen Katholiken haben sich glänzend gehalten. Als ein Bischof mir gegenüber die Meinung äußerte, drüben würden unter ähnlichem Druck vielleicht nur 20 Prozent treu bleiben, gab ich zur Antwort: „Das verdanken wir Oesterreicher vor allem den katholischen Müttern und den priesterlichen Katecheten.“ Ich wollte sagen: der katholischen Familie, in der wenigstens die Mutter noch vielfach Stütze und Hilfe in der religiös sittlichen Entwicklung des jungen Menschen im katholischen Sinne war, und den damals fast nur priesterlichen Religionslehrern, deren Verdienste ich erst ganz verstehen und werten lernte, als ich beobachten konnte, wie hoch die Katechese im deutschen Sprachraum über der der meisten anderen katholischen Länder damals stand. Wehmütig und kopfschüttelnd las ich darum die Forderung nach „Entlastung von der Schule, damit die Priester mehr für ihre eigentliche Aufgabe: Liturgiefeier, Sakramentenspendung. Verkündigung und Hausbesuch, frei werden.“ Damit würde also die Kate- chese nicht „zu den eigentlichen Aufgaben“ des Priesters gehören? Ich möchte für eine solche pastorale Häresie die Verantwortung nicht tragen.
Fehler an der Wurzel
Meine Tätigkeit in Lateinamerika war fast ausschließlich der Kinder- und Jugendseelsorge gewidmet. Immer wieder fiel mir dort auf, daß in den Pfarren des einheimischen Klerus nicht selten 80 Prozent und mehr der von Laienkatecheten vorbereiteten Erstkommunikanten einmal die Sakramente empfingen und dann nie wieder; daß vom Rest die meisten noch einige Male zur Beichte gingen, um dann auch für immer fernzubleiben, so daß von hundert Erstkommunikanten kaum ein ganzes Dutzend praktizierende Katholiken wurden; daß sogar aus den katholischen Privatschulen, an denen Brüder und
jcnwescern aen i\.eiigionsunierricnc eiiciucii, u wenige praktizierende junge Katholiken herauskamen, daß ein dortiger Ordensmann den von einem Bischof öffentlich als richtig anerkannten Ausspruch tat: „Wir können.nicht viel mehr erreichen, als Unruhe schaffen „für die Sterbestunde,“ Ob das sicher erreicht wurde? Werden--Ursachen solch bedauerlicher Mißerfolge Seh-' geht, wird neben anderen Umständen (religiöse Unwissenheit, das ganze öffentliche Leben be-
herrschender Laizismus und Indifferentismus, die unchristliche Familie und die sittliche Verkommenheit bis herab zur Kinderwelt) als zwei Hauptursachen feststellen müssen das mangelnde katechetische Pflichtbewußtsein beim Klerus und das weitgehende Versagen der Laienkatecheten.
Autorität fürs kritische Alter
Hier geht es zunächst um die Frage, wie weit ein Laienkatechet den Priesterkatecheten ersetzen kann. Allgemein wird man sagen müssen:
Der Laie kann den Priester genügend ersetzen als Lehrer, schwefer als Erzieher und niemals als Seelsorger.
Natürlich können didaktisch gut ausgebildete, geschickte und fleißige Laienkatecheten bessere Lernerfolge erzielen als Priesterkatecheten, die hinsichtlich Ausbildung, Geschick und Eifer nicht auf der Höhe sind. Gleichwohl wird die Wertung des Wissens und damit sein Wert für die Gestaltung des religiösen Lebens der Kinder — unter sonst gleichen Umständen — beim Priester tieferwirkend sein als beim Laien.
Der Katechet muß Erzieher zum richtigen religiösen Leben sein. Für den Erziehungserfolg ist gewöhnlich von ausschlaggebender Bedeutung die Persönlichkeit des Erziehers. Nun vergessen wir Erwachsenen zu leicht, daß dem Kinde und Jugendlichen viel stärker als uns der Priester der Vertreter der Religion, der Gesandte Gottes ist. Naturgemäß wird darum — wieder unter sonst gleichen Umständen — der erzieherische Einfluß des priesterlichen Katecheten tiefer und dauernder sein als der des weltlichen Religions-lehrer.
Der letzte Kaplan der Diözese ist wohl genau wie sein Bischof überzeugt, daß in ausgesprochen seelsorglichen Belangen der Laie den Priester niemals voll ersetzen kann. Ich denke da vor allem an die Gewissensfragen. Man müßte.sogar an eine Fehlentwicklung oder Fehlerziehung denken, wenn einigermaßen religiös erzogenen Kindern und Jugendlichen nach der Autorität Gottes nicht die des Priesters Gottes am höchsten stünde. Selbst Brüder und Schwestern der Schulorden sollten diese Tatsache nie vergessen und nie außer acht lassen. Dies gilt besonders für die Erstbeichte.
Das Kind beichtet seine Sünden ja nicht dem Schulbruder oder der Schulschwester-oder dem Laienkatecheten, sondern dem Priester. Auch für das Kind kann das Bekenntnis schwer sein. Es wird ihm aber sehr erleichtert, wenn es, vom Priester vorbereitet, weiß, daß dieser mit den möglichen Kindersünden schon rechnet. Der Priester mit seiner Erfahrung des Beichtstuhls wird darum immer am besten befähigt sein, die Kinder auf ein richtiges und beruhigendes Beichten vorzubereiten. Dies wohl zu beachten ist erst recht wichtig dort, wo Kinder auf die Erstbeichte vorzubereiten sind, die noch gar keinen persönlichen Kontakt mit dem Priester hatten und dazu auch noch oft von der Umwelt ein ganz falsches, angsterweckendes oder abstoßendes Bild vom Priester in sich tragen.
Im. Kjndesalter steht der .priesterlichen Autorir tät itf .Gewissensfragen' gewiß-' effr nöch*voH *bew --hurtig dicelterliche AutorWät gegenüber. Doch im Reifealter, wo die Autorität der Eltern zu wanken beginnt, ja nicht selten vor dem kriti-
sehen Blick des Jugendlichen beinahe zusammenbricht, wird gewöhnlich nur oder doch am stärksten die Autorität des Priesters Halt und Sicherheit bieten.
Die Wichtigkeit intensiver seelsorglicher Betreuung im Reifealter wird vielfach noch immer nicht richtig gesehen. Man darf es beinahe pro-videntiell nennen, daß heute infolge der verfrühten Reifung die kritischeste Zeit unserer so sehr gefährdeten jungen Leute noch ins Volks- und Hauptschulalter fällt. Beim Zurücktreten der elterlichen Autorität erscheint dem Jugendlichen
mit Recht immer mehr der Priester als der von Gött ihm gegebene Gewissensberater. Einem wohlmeinenden, verstehenden priesterlichen Freund schließt er am ehesten sein ganzes Inneres auf. Nie ist darum das Zurückdrängen oder gar Ausschalten des priesterlichen Einflusses so verhängnisvoll wie in den Jahren, in denen die wichtigsten Entscheidungen fürs Leben fallen.. In einer Berufsschule sprach ein in jeder Hinsicht qualifizierter, vorbildlich katholischer Fachlehrer zu den Lehrlingen öfter auch über Reifungsfragen. Sie gestanden, er werde nie ernst genommen; nach der Stunde werde gelacht und gewitzelt. Einer fügte bei: „Wenn aber Pater H. zu uns spricht, wird es ganz ernst genommen.“ Ein Student wandte sich in einer delikaten Gewissensangelegenheit brieflich an mich. Der Brief schloß mit dem Satz: „Bitte, verzeihen Sie die Belästigung durch meinen Brief, aber der Priester ist in meinen Augen für solche Schwierigkeiten mehr zuständig als alle anderen Menschen.“ ,
“Forderungen oau'rZ tfaflo
1. Die.Erteilung des Religionsunterrichtes muß grundsätzlich als strenge Pflicht der zuständigen Seelsorge festgehalten werden. Sie den Laienkatecheten zu überlassen, ist immer als ein nur. im Priestermangel begründeter und gerechtfertigter Notbehelf gewesen.
2. Nur in Fällen wirklicher Unmöglichkeit dürfen die verantwortlichen Seelsorger die Erstbeicht- und Abschlußklassen der Volks- und Hauptschulen den Laienkatecheten überlassen. Aber auch in diesen Fällen muß ein Priester wenigstens ein paar Religionsstunden zur letzten Vorbereitung auf die erste Beichte und zur lebenskundlichen Vorbereitung für den Ueber-“ tritt ins Leben halten. Aus jugendpsychologischen Gründen sollten Buben im Reifealter nicht von Laienkatechetinnen betreut werden.
3. Wo es irgendwie möglich ist, sollte auch in der ersten Klasse der Volks- und Hauptschule ein Priester Katechet sein, damit die Kinder den oft so notwendigen persönlichen Kontakt mit dem Priester finden und dann leichter im Laienkatecheten dessen Stellvertreter und den Beauftragten der Kirche sehen.
4. Der Wert der Glaubensstunde als Ergänzung und Vollendung des Religionsunterrichtes in der Schule ist hoch anzuschlagen, wenn sie regelmäßig und richtig gehalten wird und die Kinder und Jugendlichen wirklich teilnehmen. Sehr häufig kommen aber fast nur die Kinder solcher Familien, in denen auch ohne Glaubensstunde ein normales religiöses Leben der Kinder gesichert wäre.
Mit diesen Darlegungen soll grundsätzlichr nichts gegen die Laienkatecheten gesagt sein; auch soll nicht ihre Notwendigkeit bezweifelt oder ihre Verdienste verkleinert werden. Es muß aber hingewiesen werden auf ernste Bedenken, die sich bei einer Ueberbetonung ihrer Notwendigkeit, Ueberschätzung ihres Einflusses oder bei ihrer nicht pastoral klugen Verwendung ergeben müssen.
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