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Der priesterliche Zölibat

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Es gibt ein Pastoralproblem, das man in Erwägung ziehen kann, und zwar folgendes: Ob die Kirche unter bestimmten Umständen und als Antwort auf klar umrissene Erfordernisse, verheiratete Männer zum Priestertum zulassen kann. Es gab Präzedenzfälle in der Kirchengeschichte, wenn man auch oft zu erwähnen vergißt, daß im Mittelalter in der westlichen, lateinischen Kirche von den zu Priestern geweihten verheirateten Männern verlangt wurde, daß sie sich von der Priesterweihe an des ehelichen Verkehrs enthielten. Doch auch dies letztere ist kein absolutes Gesetz. Die heutige Kirche hat den evangelischen Pfarrern, die katholische Priester wurden, die Weiterführung eines normalen Ehelebens gestattet. Es gibt also klare Fälle, in denen die obige Frage legitim gestellt werden kann.

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Es gibt ein Pastoralproblem, das man in Erwägung ziehen kann, und zwar folgendes: Ob die Kirche unter bestimmten Umständen und als Antwort auf klar umrissene Erfordernisse, verheiratete Männer zum Priestertum zulassen kann. Es gab Präzedenzfälle in der Kirchengeschichte, wenn man auch oft zu erwähnen vergißt, daß im Mittelalter in der westlichen, lateinischen Kirche von den zu Priestern geweihten verheirateten Männern verlangt wurde, daß sie sich von der Priesterweihe an des ehelichen Verkehrs enthielten. Doch auch dies letztere ist kein absolutes Gesetz. Die heutige Kirche hat den evangelischen Pfarrern, die katholische Priester wurden, die Weiterführung eines normalen Ehelebens gestattet. Es gibt also klare Fälle, in denen die obige Frage legitim gestellt werden kann.

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Die jedoch vom niederländischen Pastoralkonzil aufgeworfene Frage ist völlig anderer Natur. Wir müssen zugeben, daß es sich hierbei um einen Aspekt der umfassenderen Krise handelt, in der sich gegenwärtig ein Teil der Kirche befindet. Es ist kein Zufall, daß man in denselben Kreisen nicht nur den Zölibat der Priester in Abrede stellt, sondern auch den spezifischen Wert des Amtspriestertums. Man praktiziert die Interkommunion und gemischte Gottesdienste, die indirekt eine Verkennung der Wirklichkeit der Eucharistie darstellen, man stellt die Autorität des Papstes in Frage und ganz allgemein die göttliche Einrichtung der Hierarchie, man neigt zu einer zunehmenden Säkularisierung des kirchlichen Lebens. Niemand bestreitet, daß mit dem priesterlichen Zölibat Probleme verbunden sind. Worauf es ankommt, ist, sie nicht zu vergrößern. In unseren Ländern gibt es unzählige Priester, die ihrer Verpflichtung treu sind, wenn es auch Krisen und Schwächen gibt

Wenn ein Körper krank ist, gibt

es zwei Lösungen: Man kann ihn zugrunde gehen lassen oder ihm die Gesundheit wiedergeben. Unzweifelhaft ist das Problem des priesterlichen Zölibats in seiner heutigen Form mit einer Krise des Glaubens und des geistlichen Lebens verbunden.

Die wahre Antwort auf die Krise des priesterlichen Lebens ist diejenige, die Paul VI. gibt, wenn er erklärt: Die Erneuerung des Priester-tums ist mit der Neuentdeckung des erhabenen Wertes des Zölibates der Priester verbunden. Der priesterliche Zölibat steht in enger Beziehung zum Glaubenseifer und zum Elan des geistlichen Lebens. DasPrdester-tum gäbe ein trauriges Beispiel, wenn es selbst in der Stunde, in der die Christen mutig kämpfen müssen, um der Wahrheit und dem christlichen Leben treu zu bleiben, mit einem derartigen Mangel aufträte.

Außerdem sind die Gründe, die man gegen den Zölibat vorbringen will, unwahr. Da ist zunächst der geschichtliche Grund: Man behauptet, daß die Priester in der Urkirche verheiratet waren. Das ist eine bequeme Art, mit einem sehr komplizierten Problem fertig zu werden. Fest steht, daß dies nie die allgemeine Regel war. Von Anfang an hat man dem Zölibat der Priester eine große Bedeutungbeigemessen. Der Zölibat ist nicht nur im Westen seit dem viertem Jahrhundert allgemeines Gesetz sondern das Konzil von Karthagc (390) bezeichnet ihn als eine apostolische Tradition. Man vergißt, daf in der Ostkirche zwar verheirateter Männern die Priesterweihe erteilt worden ist, daß man aber zöliba-tären Priestern nie die Heirai erlaubt hat. Daraus kann mar schließen, daß der priesterliche Zöli bat, wenn er auch nie eine absolut Regel war, so doch immer als Aus druck einer antiken Überlieferuni und im Westen als die Norm erschie nen ist.

Dann sagt man, daß auch die Glau bigen heute den priesterlichen Zöli bat ablehnen. Um das zu beweisen werden zahlreiche Umfragen ver öffentlicht. Aber wer sieht nicht, da Meinungsumfragen zum weit

aus größten Teil die Ansicht ganz bestimmter Gruppen wiedergeben? Sie entsprechen nicht dem Denken der Gesamtheit des christlichen Vol-* kes. Die Umfrage des Sofres-Insti-tutes in Frankreich hat gezeigt, daß die Mehrheit der Katholiken eine Heirat der Priester ablehnen. Außerdem werden diese Umfragen in den Gebieten am Atlantik angestellt, wo eine Krise des Glaubens und des geistlichen Lebens besteht. Diese :nder stellen aber nicht die ganze Kirche dar, auch wenn sie von sich behaupten, ihr kämpferischer Flügel zu sein. Man hat das gut auf der Bischofssynode gesehen, wo die Oberhirten aus Osteuropa, Asien und Afrika völlig andere Haltungen eingenommen haben. Es ist kein Zufall, daß die erste Stimme, die sich gegen die Vorschläge der holländischen Kirche erhob, gerade die von Kardinal Bengsch aus Ostdeutschland war.

Frankreich seinerseits hat sich bereits entschieden. Die im vergangenen Oktober in Lourdes zur Ple-narkonferenz versammelten französischen Bischöfe haben feierlich erklärt, daß sie zum Priestertum nur solche Jugendliche zulassen wollen, die bereit sind, ein zölibatäres Leben auf sich zu nehmen. Natürlich hat die Presse dieser Er-

klärung nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wie den Verlautbarungen der holländischen Versammlung. Und doch ist es eine klare und entscheidende Aussage. In dieser Frage hat sich der französische Episkopat um den Papst geschart. Das sollen die Gläubigen wissen, damit, wenn sie etwas anderes hören oder lesen, in der Lage sind, dagegen zu protestieren. Geschickte Manipulationen umgeben das Problem wie eine Staubwolke, und diese Manöver werden noch zunehmen. Wird es das christliche Volk dulden, daß kleine Gruppen durch Druckausübung die Gesetze erlassen? Wird es seine Hirten verlassen und leugnerischen Lehren nachlaufen? Noch ein Letztes will ich hinzufügen. Für einige unter den Vorkämpfern stellt die Kampagne gegen den priesterlichen Zölibat lediglich einen Vorwand dar. Durch ihn wollen sie die Autorität des Papstes treffen. Wir sehen ein Manöver kommen, das darin- besteht, Paul VI. gegen die bischöfliche Kollegialität auszuspielen. Geschickte Aufrufe werden an den Weltepiskopat gerichtet, er solle sich mit den Holländern solidarisch erklären. Damit will man die Autorität des Papstes untergraben, sie langsam einzingeln, um sie dann zu unterdrücken.

Auf dem Grund aller Kampagnen, die einander ablösen, liegt die Abneigung gegenüber der Autorität Roms. Diejenigen, die am meisten verwirrt werden, ja am meisten skandalisiert werden, sind bisweilen unsere orthodoxen und evangelischen Brüder, die um die Stärke wußten, welche die Autorität Roms für die ganze Christenheit darstellte. “ ' ' Pvom wird sich nicht aus den Angeln heben lassen. Worauf es jedoch ankommt, ist daß das christliche Volk sich angesichts dieser Welle der Kontestation um den Papst schart, um ihm seine Treue und sein Vertrauen zu bekunden.

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