Adolf Holl - © Foto: APA / BARBARA GINDL / gi

Der Rauch Adolf Holls

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Der Staatspreisträger und sein jüngster Monolog. Eine Hommage samt etwas Polemik.

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Der Staatspreisträger und sein jüngster Monolog. Eine Hommage samt etwas Polemik.

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Diesen Freitag erhält Adolf Holl den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik. Der dornige Weg vom katholischen Priester zum Ketzer, Religionswissenschafter, Club-2-Moderator und immer noch in jeder Faser der Existenz von Religion gepackten Schriftsteller erhält nun auch "offizielle" Anerkennung.

Holls Verdienste stehen auch für den Rezensenten - nicht zuletzt aufgrund eigener Holl-Erfahrungen - außer Zweifel: Den Teenager, zwischen konzilsbewegtem Elternhaus und stockkonservativem Religionsunterricht, brachte in den siebziger Jahren die Lektüre von Holls Aufreger-Buch "Jesus in schlechter Gesellschaft" zum notwendigen Zweifel an vermeintlich endgültigen Gewissheiten. Der Student entdeckte und verschlang einige Jahre später Holls "Mystik für Anfänger", dann seine Franziskus-Biografie "Der letzte Christ", sein Buch über die Weltreligionen, seine Wiederentdeckung der Demut und noch einiges mehr.

Was an Holl bis heute fasziniert (obwohl er unter Kardinal König als Priester und als Theologe suspendiert wurde), ist die bleibende Verwurzelung in katholischem Humus, wobei er - im Gegensatz etwa zu Eugen Drewermann, einem anderen von Wächtern der erzkatholischen Lehre Misshandelten - dennoch kein Berufs-Klagender wurde. Sein publizistisches Charisma befähigte ihn überdies, komplexe Wirklichkeiten und Erfahrungen in eine einfache, pointierte Sprache zu gießen und mit dem Wissen über große Zusammenhänge nie hinterm Berg zu halten.

Was an Holl bis heute fasziniert, ist die bleibende Verwurzelung in katholischem Humus, wobei er dennoch kein Berufs-Klagender wurde.

Als der Schreiber dieser Zeilen den mittlerweile 72-jährigen Holl zu Religion und Sexualität befragte, da malte der Interviewte die Menschheitsgeschichte einmal mehr mit dicken Pinselstrichen. Es konnte dabei schon vorkommen, dass Holl seine Kulturdiagnose in einem einzigen Satz von der jüngeren Altsteinzeit bis in die Gegenwart schweifen ließ: Wem, wenn nicht solchem Polyhistor, sollte ein für "Kulturpublizistik" vergebener Preis zukommen?

Adolf Holl gibt aber auch Anlass zu Widerspruch. Insbesondere sein jüngstes Büchlein "Weihrauch und Schwefel", das in der von ihm mitherausgegeben "Bibliothek der Unruhe und des Bewahrens" im Styria-Verlag erschienen ist, reizt zur Replik. Denn in dem schmalen Band, vom Autor als "Monolog" bezeichnet, kulminiert ein - auch anderswo latenter - Holl-Zug, der arg in die Vergangenheit gerichtet ist.

Dabei ist Holls Grundzugang zum Thema wie immer originell: Er nähert sich den "Religionsangelegenheiten" über die Sinne, über Gerüche, Bewegungen, die Farben, die Aura und so weiter.Problematisch wird es, weil Holl dabei mit einem Schwang in einer vorkonziliaren Religiosität zu landen droht: Es ist schon interessant, dass einer, der im selben Buch schreibt, in den sechziger Jahren habe er gehofft, mit Papst Johannes XXIII. werde der Staub aus den Talaren der Geistlichen geschüttelt, sich wieder zurücksehnt nach den vermeintlich authentischen Erlebnissen der vormodernen Kirche: Heutige Kirchenbauten sind prinzipiell kalt, echte Kirchenmusik endet nach Holl bei Anton Bruckner, und auch die Trauer, dass das Latein aus der Liturgie verschwunden ist, kann er nicht verbergen.

Es wäre nicht Holl, stellte er seine Nostalgie nicht gleich auch wieder in Frage - indem er etwa die Aufklärung und gleichzeitig das Fehlen derselben denunziert.

Ja, der Jungpriester Adolf Holl hatte seine mystischen Erlebnisse, als er - knapp nach der Priesterweihe - allein die heiligen Messriten in klösterlicher Einsamkeit vollzog. Gott sei Dank, darf ein nachkonziliarer Christ dem entgegnen, hat die Liturgische Bewegung, vom Konzil sanktioniert, die Messfeier von der mystischen Privaterfahrung des Priesters hin zur Eucharistie-Gemeinschaftsfeier entwickelt: unterm Strich ein Quantensprung, den die Bremser nach dem Konzil wieder rückgängig machen wollten. Das "Numinose" sei da verloren gegangen - äußerte auch ein amtierender österreichischer Bischof, und Holl gibt dem in "Weihrauch und Schwefel" ganz und gar Recht.

Man fühlt sich als katholischer Zeitgenosse schon von Amtskirchenmännern wie etwa Kardinal Ratzinger gedrängt, wieder an ein "mystisches" Christentum, das in der Annäherung an die vorkonziliaren Ritualformen viel gottesnäher sei, anzuschließen - und man ist verstimmt, dass einen Holl, der Ketzer, in dieselbe Richtung stößt.

Man kann das Büchlein aber nicht einmal mit dem Bemerken beiseite legen, dies sei halt ein Holl für konservative Rechtgläubige, denn Marienfromme etwa verprellt der Autor schon auf den ersten beiden Seiten mit einer provokanten Beschreibung von Sexualfantasien beim Küssen von Marienstatuen, sodass solch potenzielle Leser sich erzürnt abwenden werden anstatt das Holl'sche Plädoyer für die numinose Vergangenheit weiter in die Hand zu nehmen.

Aber es wäre nicht Holl, stellte er seine Nostalgie nicht gleich auch wieder in Frage - indem er etwa die Aufklärung und gleichzeitig das Fehlen derselben denunziert.

Vor gut 30 Jahren meinte Papst Paul VI. in einer Predigt über die nachkonziliare Kirche, er habe "den Eindruck, dass der Rauch Satans durch irgendeinen Riss in den Tempel Gottes eingedrungen" sei. Nach der Lektüre von "Weihrauch und Schwefel" darf vermutet werden, dass Staatspreisträger Adolf Holl auch zu solch sinnlich-päpstlicher Metapher heftig nickend den Kopf schüttelt.

Buch

Weihrauch und Schwefel

Ein Monolog
Von Adolf Holl
Styria (Bibliothek der Unruhe und des Bewahrens, Band 4), 2003
104 Seiten, brosch., € 16,90

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