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Der Teufel schläft noch immer nicht

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In der Diskussion um seine Rückkehr geht es nicht um den Teufel als Person, sondern darum, daß weder der einzelne noch die Gesellschaft dem Bösen beikommt.

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In der Diskussion um seine Rückkehr geht es nicht um den Teufel als Person, sondern darum, daß weder der einzelne noch die Gesellschaft dem Bösen beikommt.

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Mit „Rückkehr des Teufels?” brachte Anfang des Jahres die Linzer „Theologisch-praktische Quartalschrift” ein seit längerem virulentes Thema auf den Punkt. Beinahe zeitgleich prangte im (üblicherweise untheologischen) Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” der Satan auf der Titelseite, um die Coverstory „Lust am Bösen. Der göttliche Teufel” anzukündigen. Auch in der Septembernummer des Zeitgeistmagazins „Wiener” kam das Böse zu Titelehren, und in Lech am Arlberg versammelten sich vor ein paar Wochen Philosophen, um über ebendieses nachzudenken (vgl. FURche 39/1997). Auch der Philosophie-Bestseller dieses Sommers steuerte zum Thema bei, Rüdiger Safranskis „Das Böse oder: Das Drama der Freiheit” (Buchtip: Seite 16) war kurzfristig ein Gesprächsthema in allen wichtigen Medien des deutschen Sprachraums.

Nach Jahren soziologischer - teilweise von marxistischer Sichtweise geprägter - Zugänge zum Phänomen des Bösen treten nun wieder die Philosophen auf den Plan (vgl. Andrzej Szczypiorski auf Seite 15) und mit ihnen die Theologen - teilweise im Schlepptau von Entwicklungen, in denen das „Dämonische” wieder stärker thematisiert wird. Parallel dazu fördert der Esoterikmarkt diesen Prozeß: Okkultes ist wieder modern geworden. Aus diesem Zusammenhang heraus scheint auch eine verstärkte Faszination des Satanismus zu resultieren; immer wieder wurden in den letzten Jahren spektakuläre Fälle - bis hin zum Mord - aus der einschlägigen Szene bekannt.

In der katholischen Kirche gibt es ebenfalls Indizien für eine „Bückkehr des Teufels” - auch jenseits jener fundamentalistischen Gruppierungen, für die der Teufel seit jeher zum Weltbild gehört. Das 2. Vatikanische Konzil vor 30 Jahren hatte mit dem Teufel wenig am Hut (jedenfalls kommt dieser in den Konzilsdokumenten nur ganz selten vor). Anders wird der Teufel kirchenamtlicherseits ein Vierteljahrhundert später thematisiert. Im 1993 erschienenen Weltkatechismus gibt es konkrete Aussagen über ihn, unter anderem heißt es: „Satan ist auf der Welt aus Haß gegen Gott und gegen dessen [... ] Reich tätig. Sein Tun bringt schlimme geistige und mittelbar selbst physische Schäden für den Menschen und jede Gesellschaft.” Daß damit der Teufel aber tatsächlich einen neuen Stellenwert als ein eindeutig persönliches Wesen erlangt nachdem er in den Jahren zuvor aus den meisten kirchlichen Texten verschwunden ist und durch Begriffe wie „das Böse” oder „die Finsternis” verdrängt wurde, ist dennoch nicht klar zu konstatieren.

Wahrscheinlich ist das christliche Verhältnis zur Gestalt des Teufels derzeit ein eher ambivalentes. Ein Beispiel dafür mag der Hamburger katholische Theologe Otto Hermann Pesch bieten, der bei einem Vortrag vor einigen Tagen schwerste wissenschaftliche Bedenken gegen die im Weltkatechismus festgelegte Lehre von einem persönlichen Teufel als Quelle eines überpersönlichen Bösen artikulierte. Gleichzeitig machte Pesch aber darauf aufmerksam, daß die Bestreitung eines Teufels als Person nicht zu einem „Unschuldswahn” führen dürfe: Wenn die Wirklichkeit des Bösen so verharmlost werde, so Pesch, „müßte man mit Nachdruck die Bedeweise vom persönlichen Teufel beibehalten”.

Vielleicht ist in dieser Aussage eine Spur zu entdecken, wie „Rückkehr des Teufels” eigentlich zu deuten wäre - jenseits der Diskussionen um die „Persönlichkeit” Satans. Denn unbestritten bleibt, daß des Bösen und der Strukturen des Bösen nach wie vor nicht Herr zu werden ist: Auschwitz, der Gulag, Hiroshima sind - unterschiedliche, nicht vergleichbare — Kulminationen jenes Unheils, das in diesem Jahrhundert stattfand. Trotz dieser geschichtlichen Erfahrungen ist das Böse nicht gebannt - weder in individuellem Kontext, noch in der gesellschaftlichen Dimension. Das Unüberwundene wird sowohl durch die monströse Vergangenheit (Drittes Beich ...) offenbar als auch durch die fernsehgerechte Allgegenwart heutigen Barbarentums (von Afghanistan über Bosnien und Buanda bis Zaire) selbst in den Wohnzimmern der Wohlstandsgesellschaft.

Sich der Frage zu stellen, ob der Teufel wieder zurückkehrt, geht somit nur dann von richtigen Voraussetzungen aus, wenn damit eine Auseinandersetzung mit der Kehrseite des Menschlichen gemeint ist. Oft wird geäußert, das derzeitige Aufkommen der Thematik habe mit endzeitlicher Stimmung, zumindest aber mit dem Nahen einer Zeitenwende zu tun. Unabhängig davon, ob derartige Befunde stimmen: Heutige Menschen und gegenwärtige Gesellschaften stehen vor der Aufgabe, sich dem „Teuflischen” in ihnen so zu stellen, daß ein befreiender Umgang, vielleicht gar ein Schritt zur Überwindung gewagt werden kann.

Dabei darf die Frage nicht vernachlässigt bleiben, ob ein „Böser” oder die „Mächte des Bösen” nicht -psychologisch verständlich - benutzt werden, um individuelle Schuld von sich abzuwälzen. Nicht zuletzt geht es auch um Ängste, die unbewältigt in ein allgemeines Böses oder in einen Teufel projiziert werden.

Daß der Teufel (wen oder was man darunter auch versteht), um überwindbar zu werden, ins Bewußtsein zurückkehren muß, ist ebenfalls eine Facette dieser Auseinandersetzung. Die alte Redensart: „Der Teufel schläft nicht”, spricht seit langem genau davon.

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