Der Widerstand des ALFRED DELP

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Am 2. Februar jährt sich die Hinrichtung von Alfred Delp durch das nationalsozialistische Regime zum 70. Mal. Zur Erinnerung an den Jesuiten und Mystiker.

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Am 2. Februar jährt sich die Hinrichtung von Alfred Delp durch das nationalsozialistische Regime zum 70. Mal. Zur Erinnerung an den Jesuiten und Mystiker.

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Seit Monaten lässt mich ein Wort von Papst Franziskus an Ordensobere nicht los: "Weckt die Welt auf. Seid Zeugen eines anderen Handelns!" Alfred Delp war so einer. Er ist für mich zur Verkörperung dieser Aufforderung geworden, zu seiner Zeit, und er eckte mit seinem Denken und Handeln an - im eigenen Orden ebenso wie beim NS-Regime, das sein Leben vor 70 Jahren am Galgen enden ließ.

Hinrichtungen fanden damals in Berlin-Plötzensee im Zwei-Minuten-Takt statt. Es ging alles zackzack, mit deutscher Gründlichkeit sozusagen. Die versagte in einem wesentlichen Punkt: Nach seiner Hinrichtung wurde Delp verbrannt, aufgrund eines "direkten Führerbefehls", seine Asche wurde verstreut. Ein Grab gibt es also nicht. Nichts sollte an Alfred Delp erinnern. Diese Rechnung ging aber nicht auf. Denkmäler wurden für Delp errichtet, Straßen, Häuser, Schulen sind nach ihm benannt, sogar eine Kaserne der Bundeswehr in Donauwörth trägt seinen Namen.

"Im Angesicht des Todes"

"Mein Verbrechen ist, dass ich an Deutschland glaubte auch über eine mögliche Not- und Nachtstunde hinaus", schreibt Delp in einem Brief nach dem 11. Jänner 1945, also bereits nach der Verurteilung, und er fügt hinzu, dass er dies "als katholischer Christ und als Jesuit" tue. Alfred Delps Leben brach jäh ab, im 38. Lebensjahr.

Zwei Jahre nach seiner Hinrichtung veröffentlichte der Hamburger Jesuit Paul Bolkovac Tagebuchfragmente, Meditationen, Reflexionen, Kassiber und Briefe von Alfred Delp, "geschrieben zwischen Verhaftung und Hinrichtung 1944-1945", wie es im Untertitel heißt. Dieses Buch trug den Titel "Im Angesicht des Todes".

Es machte Delp und sein Schicksal schlagartig bekannt. Es ist ein Klassiker geworden, vielfach aufgelegt, und wird oft in einem Atemzug genannt mit Dietrich Bonhoeffers Aufzeichnungen "Widerstand und Ergebung", auch wenn Delp nie Bonhoeffers weltweite Popularität erreicht hat. Der Trappist Thomas Merton, dessen 100. Geburtstag am 31. Jänner begangen wird, wertete Delps Texte als "die vielleicht klarsichtigsten ... christlichen Meditationen unserer Zeit". Er zögerte nicht, ihn in den 1960er- Jahren im Vorwort einer amerikanischen Ausgabe als Mystiker zu bezeichnen.

Neues Interesse an Delp weckte in den 1980er-Jahren die Herausgabe seiner "Gesammelten Schriften" und einer umfangreichen Biografie durch Roman Bleistein SJ. Auch das Motto des Deutschen Katholikentags 1984 ("Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt"), das dem Schlusssatz einer Weihnachtsmeditation Delps entnommen war, prägte sich ein.

Ein gar kurzes Leben

Alfred Delp wurde am 15. September 1907 in Mannheim geboren. Katholisch getauft, evangelisch (wie sein Vater) sozialisiert, führte eine Ohrfeige des Pastors beim Konfirmandenunterricht zur Wende im Leben: Alfred empfing im Juni 1921 die Erstkommunion, wurde gefirmt, kam auf ein bischöfliches Gymnasium und trat dem "Bund Neudeutschland" bei. Im April 1926 wurde er Jesuit - in Tisis (Vorarlberg). Nach Studien in Pullach bei München und Valkenburg (NL) - dazwischen arbeitete er drei Jahre als Präfekt zuerst an der "Stella matutina" in Feldkirch, dann in Sankt Blasien im Schwarzwald - wurde er im Juni 1937 zum Priester geweiht.

Weil ihm die Nazis die Immatrikulation an der Universität München verweigerten, landete er bei den Stimmen der Zeit. Im April 1941 beschlagnahmte die Gestapo das Redaktionsgebäude, Delp wurde Kirchenrektor in Bogenhausen. Die Menschen schätzten ihn als wortgewaltigen, furchtlosen Prediger, der sich über mitschreibende Gestapospitzel lustig machte.

Während des Krieges war Delp wiederholt in Wien, um in Kardinal Theodor Innitzers "Theologischem Arbeitskreis" um Prälat Karl Rudolf mitzuarbeiten. 1943 wurde Delp zu einem Vortrag innerhalb der Priesterfortbildungskurse eingeladen. Karl Rahner war zeitlebens stolz auf seine Freundschaft mit Delp.

Im März 1942 traf Delp erstmals mit Helmuth James Graf von Moltke zusammen, der von Augustinus Rösch SJ, dem Provinzial, einen Experten erbeten hatte. Es ging um die Planung einer christlichen Sozialordnung nach dem zu erwartenden Zusammenbruch des Dritten Reichs. Drei Mal nahm Delp an mehrtägigen Treffen teil. Der "Kreisauer Kreis", nach Moltkes Gut in Schlesien so genannt, war keine militärische Widerstandsbewegung.

Persönliche Reifung in der Haft

Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944, mit dem Delp nichts zu tun hatte, wurde er verhaftet. Die gut sechs Monate in Berlin 1944/45 markieren einen Persönlichkeitswandel, ja eine Reifung Delps, die mit zu verfolgen auch heute noch unter die Haut geht. Isolationshaft, Folter, Hunger, Depressionen veränderten ihn: "Es geht nicht ohne ein Minimum an Transzendenz."

"Ökumenisch" solle die Kirche sein, "und sie muß diakonisch sein. In all dem muss sie sich für den armen und geplagten Menschen - Christi wegen - verschleißen lassen." In dem Zusammenhang fällt das Wort von der "Mystik der Erde".

Alfred Delp war ein Jesuit, auf den sein Orden heute stolz ist. Zu seinen Lebzeiten war das nicht so. Er war kein pflegeleichter Jesuit. Sein Widerstand kam aus dem Glauben, einem Glauben, der nicht sediert, einem Glauben, der hellwach macht - kritisch im ignatianischen Sinn. Das ist: "Unterscheidung der Geister"!

Der Autor ist Chefredakteur der "Stimmen der Zeit", München

Alfred Delp

Im Widerstand gegen Hitler von Rita Haub

Topos Taschenbücher 2015

156 Seiten zahlr. Abb., kt. € 10,25

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