tutu - © APA/Hochmuth

Desmond Tutu, Doktor honoris causa

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Südafrikas "Ikone der Versöhnung" und Friedensnobelpreisträger 1984, war in Wien, um das evangelisch-theologische Ehrendoktorat entgegenzunehmen. Der anglikanische Alt-Erzbischof von Kapstadt nimmt sich kein Blatt vor den Mund.

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Südafrikas "Ikone der Versöhnung" und Friedensnobelpreisträger 1984, war in Wien, um das evangelisch-theologische Ehrendoktorat entgegenzunehmen. Der anglikanische Alt-Erzbischof von Kapstadt nimmt sich kein Blatt vor den Mund.

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Ubuntu war das Wort, das letzten Freitag auch an der Universität Wien eine große Rolle spielte. Es stammt aus der südafrikanischen Sprache Nguni und bedeutet so etwas wie "Menschlichkeit" und "Gemeinsinn". Nelson Mandela, der Altvordere der südafrikanischen "Regenbogen-Nation" führt dieses Wort Ubuntu im Mund - als afrikanische Lebensphilosophie, nach der der einzelne als Teil eines Ganzen verstanden wird. Achtung der Menschenwürde, das Streben nach einer friedlichen Gesellschaft sowie das Eintreten an ein universelles Band des Teilens folgen daraus. In diesem Sinn gehört Ubuntu wesentlich zum postkolonialen Lebensgefühl Südafrikas.

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Ein anderer Altvorderer des Freiheitskampfes am Kap etablierte Ubuntu auch als theologisches Prinzip: Desmond Tutu, 78, Friedensnobelpreisträger 1984 und emeritierter Erzbischof von Kapstadt, hat Ubuntu in seine "Public Theology" integriert. Diese afrikanische Theologie versucht, aus der Erfahrung der Unterdrückung des Apartheid-Regimes, die Menschlichkeit wiederherzustellen, indem sie etwa die (ehemaligen) Unterdrückten dazu ermutigt, ihre Unterdrücker als Gleiche vor Gott zu sehen. Solches Prinzip war auch ein Grundstein für die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die Erzbischof Tutu zwischen 1995 und 1998 leitete und in der Vergangenheitsbewältigung auf südafrikanisch versucht wurde. Tutus Kampf für die Gleichberechtigung Homosexueller und gegen die Ausbreitung von HIV in Südafrika sowie seine Sorge um Aids-Waisen begründet er gleichfalls mit dieser anglikanisch-afrikanischen Spielart der Befreiungstheologie.

Für die Ubuntu-Theologie

Für dieses Engagement verlieh die Evangelisch-theologische Fakultät Wien dem agilen und vor Humor sprühenden Kirchenmann das theologische Ehrendoktorat. Wenn er alles richtig verstanden habe, meinte der frisch Promovierte unter dem Gelächter der feierlichen Versammlung, sei er nun ein Doktor der Universität Wien, um dann eindringlich für seine Überzeugung der Versöhnung zu werben: Anders als von manchen befürchtet, habe nach dem Ende der Apartheid in Südafrika nicht Rache das Leben bestimmt, vielmehr sei Nelson Mandela, die "Ikone der Versöhnung", den Weg der Vergebung gegangen. Er rief dementsprechend die Situation etwa in Sri Lanka, in Afghanistan, im Irak, in Gaza in Erinnerung.

Desmond Tutu seinerseits kann ebenfalls als "Ikone der Versöhnung" gelten. Er ließ sich in den letzten Jahren nie den Mund verbieten - auch wenn er aneckte und kritisierte: den nunmehrigen Präsidenten Südafrikas Jacob Zuma ebenso wie Simbabwes Diktator Robert Mugabe. Dass er immer wieder das Leid der Palästinenser angesprochen hat, hat ihm den Vorwurf antijüdischer Einseitigkeit eingetragen. An manchen - auch katholischen - Universitäten der USA konnte Tutu nicht sprechen, weil es Proteste jüdischer Organisationen gegeben hatte (aber mindestens ebenso starke jüdische Proteste gegen eine Ausladung Tutus).

Vor Journalisten thematisierte Tutu in Wien diese Schwierigkeiten und bekräftigte, dass er für die Menschen in Gaza eintritt und sich dafür nicht als "Antisemit" anklagen lassen will: "Ich habe mich seinerzeit sehr scharf gegen US-Präsident Ronald Reagan gewandt. Aber niemand sagte damals, ich sei antiamerikanisch. Ich bin überhaupt nicht, anti' und nicht gegen irgendjemanden, außer dass ich anti-Ungerechtigkeit bin."

"Ich bin ja längst in Pension"

Unter dem Motto: "Ich bin ja längst in Pension und muss daher aus meinem Herzen keine Mördergrube machen", ging der anglikanische Alt-Erzbischof von Kapstadt auch an andere politische Fragen heran. Zum neuen südafrikanischen Präsidenten, dem er - gelinde gesagt - reserviert gegenübersteht, meinte Tutu: Man müsse sehen, dass Zuma einen überwältigenden Sieg von fast 66 Prozent eingefahren hätte. Tutu plädierte für eine "Wait-and-see"-Politik, er will den neuen Präsidenten also an seinen Taten messen. Im Vorfeld der Wahlen hatte der streitbare Erzbischof die südafrikanischen Politiker beschuldigt, sie würden die Demokratie verraten. In Wien präzisierte er, dass die Politiker nach dem Ende der Apartheid vor allem altruistisch gewesen seien: "Ihr einziger Gewinn war die Freiheit." Heute herrsche hingegen nicht mehr derselbe Idealismus: "Aber schauen Sie sich an, was gerade im britischen Parlament an Skandalen passiert …"

Für kritisches Abwarten spricht sich der Erzbischof auch im Falle von Simbabwe aus: Gerade nach der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit unter Oppositionschef Morgan Tsvangirai müsse man dem Land eine Chance geben.

Jesus wollte nicht die Kirche retten

Desmond Tutu ist auch in seiner anglikanischen Kirche eine kraftvolle Gestalt, die für Wandel eintritt. In der Zerreißprobe, in der sich die anglikanische Weltgemeinschaft unter anderem wegen der Frage der Frauenordination und dem Umgang mit Homosexuellen befindet, positioniert sich Tutu gegen die konservativen Amtsbrüder vor allem aus Afrika und Asien ein. Auf Frage der FURCHE präzisierte Tutu: Die Frauenordination sei im Welt-Anglikanismus kein wirkliches Thema mehr. Auch wenn es konkret in Südafrika zur Zeit noch keine Bischöfinnen gebe, sei klar, dass die Kirche durch Frauen als Geistliche bereichert werde. Schwieriger, so Tutu, sind die Auseinandersetzungen rund um die Homosexualität. Sein Credo für den Umgang mit Homosexuellen lautet: "Ich kann doch Menschen nicht für etwas bestrafen, wofür sie nichts können." Und er setzt hinzu: "Jesus war immer an der Seite der Verfolgten. Wir leben in einer Welt voller Armut und Gewalt. Unser Land weint - und da kümmern wir uns darum, wer mit wem schläft?!" Auch zur Frage, ob die anglikanische Kirche als Weltgemeinschaft überleben wird, ist des Erzbischofs Antwort klar: "Jesus ist nicht gekommen, um die Kirche zu retten. Jesus ist vielmehr gekommen, um die Welt retten."

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