Deutscher Katholikentag 2022: Wird Veränderung gehen?
In den Tagen um Christi Himmelfahrt findet in Stuttgart der 102. Deutsche Katholikentag statt. Standortbestimmung für eine Großkirche, die krisengebeutelt und zwischen Reformern und Bewahrern polarisiert ist. Ein Ausblick.
In den Tagen um Christi Himmelfahrt findet in Stuttgart der 102. Deutsche Katholikentag statt. Standortbestimmung für eine Großkirche, die krisengebeutelt und zwischen Reformern und Bewahrern polarisiert ist. Ein Ausblick.
„Veränderung geht!“ Das Ausrufezeichen im Programmheft zum 102. Katholikentag, der von 25. bis 29. Mai 2022 in Stuttgart stattfindet, ist bewusst gesetzt. Es hält die Schwebe zwischen der Aufforderung, in Kirche und Gesellschaft anstehende Herausforderungen anzunehmen, und einer Selbstwahrnehmung der katholischen Kirche in Deutschland, namentlich mit dem Synodalen Weg und seinen Reformagenden. Katholikentage stellen seit jeher Standortbestimmungen dar.
Unter dem Leitmotiv „Leben teilen“ will dieser Katholikentag den Impuls christlichen Glaubens angesichts der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs auch politisch zur Geltung bringen: „Dieser Katholikentag legt den Fokus auf brandaktuelle Themen: die globale Friedenspolitik in Zeiten des Krieges, die Klimakrise, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, angesichts von Millionen Menschen auf der Flucht. Er stellt sich aber auch den Herausforderungen in der Kirche, ohne die kein glaubwürdiges Engagement möglich ist.“
Das Themenspektrum wie das Problemensemble sind damit denkbar weit gesteckt. Gesellschaftspolitische und innerkirchliche Reformagenden verzahnen sich. Nur eine glaubwürdige Kirche kann die Botschaft von der schöpferischen Lebensmacht Gottes an die Menschen bringen und eben auch politisch wirken. Der Mut einer kirchlichen Aufbruchsstimmung steht freilich unter Vorbehalt. Wo der Kampf gegen den Missbrauch von Macht in der katholischen Kirche eint, beginnen die Zerreißproben erst angesichts konkreter Reformvorhaben.
Rücktritt in Speyer – ein Fanal
Wie ein Fanal wirkt da der Amtsverzicht des Speyrer Generalvikars Andreas Sturm vor wenigen Tagen. „Ich muss raus aus dieser Kirche. Weil ich Mensch bleiben will“: Unter diesem Titel erscheint demnächst ein Buch, in dem Sturm die Gründe für seinen Übertritt zur altkatholischen Kirche darlegt. Der Missbrauchsskandal steht an erster Stelle, aber auch das Verbot einer Ordination von Frauen und der Pflichtzölibat spielen für Sturm eine wesentliche Rolle – alles Themen, die der Synodale Weg in seinen Foren diskutiert. Sturms Hoffnung auf die Reformfähigkeit der katholischen Kirche hat sich erschöpft. Bischöfliche Kritiker aus der Weltkirche bestätigen ihn darin. Energischer Einspruch gegen deutsche Reformambitionen trifft im Gegenzug auf Erklärungsversuche wie vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, warum es eines kirchlichen Aufbruchs auf allen Ebenen bedarf. Veränderung geht?
Blickt man auf die Situation des Erzbistums Köln, stellt sich diese Frage wie unter Laborbedingungen. Kardinal Rainer Maria Woelki wurde im Zuge der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in seiner Diözese, aber auch angesichts von tiefgreifenden Spannungen, ja Verwerfungen eine monatelange Auszeit verordnet. Seine Rückkehr zu Beginn der österlichen Bußzeit löste freilich keine Probleme, sondern vollzog sich im Schatten neuer Vorwürfe. Es ging u. a. um die Finanzierung des kardinalen Projekts einer eigenen Theologischen Hochschule, aber auch um die Begleichung von Spielschulden eines Priesters. 500.000 Euro wurden dafür aufgewendet.
„Opfer von Sexualstraftaten, teilweise ohne gesicherte Einnahmen wie bei einem Priester, werden mit einem Betrag abgespeist, welcher weniger als zwei Prozent von dem beträgt, was die Kirche als Ausgleich für die selbstverschuldete finanzielle Schieflage eines Priesters zu zahlen bereit war“, kommentierte der Sprecher des Betroffenenbeirats der DBK, Johannes Norpoth, diesen Vorgang. Aber auch die kirchenrechtliche Korrektheit des Vorgangs steht zur Diskussion. Intransparenz lautet noch der geringste Vorwurf an die Adresse des Erzbischofs. Während ihn Rom in dieser Hinsicht freispricht, prozessiert der Kardinal gegen die Bild-Zeitung, um die Rede von einem „Woelki-Skandal“ zu untersagen.
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