Dharamsala: Ort des Exils und vieler Sehnsüchte
Dharamsala, eine indische Kleinstadt am Fuß des Himalaya, ist das Zentrum der tibetischen Exilregierung und Sitz des Dalai Lama. Der ist zwar nicht immer persönlich da, aber dafür immer mehr buntes Volk auf der Suche nach ihm, sich selbst und allem möglichen anderen.
Dharamsala, eine indische Kleinstadt am Fuß des Himalaya, ist das Zentrum der tibetischen Exilregierung und Sitz des Dalai Lama. Der ist zwar nicht immer persönlich da, aber dafür immer mehr buntes Volk auf der Suche nach ihm, sich selbst und allem möglichen anderen.
Unten, in Lower Dharamsala, auf 1220 m Seehöhe gelegen, ist nicht nur die spirituelle Erleuchtung zumeist noch recht mäßig: Der kleine Marktflecken liegt oft im Nebeldunst der Ebene und lebt von einem Busbahnhof mit angeschlossener Busbahnhofsbar, wo auch frühmorgens schon Chai und Aloo Paratha gereicht wird, wem danach ist – Milchtee mit Kartoffelfladenbrot, viel mehr ist da nicht zu holen. Heizung auch keine, man kauert draußen um kleine Feuerchen, wo feuchter Müll und frisch getrocknete Kuhfladen ein wenig Wärme spenden. Das Hotel Paradise dahinter ist nur wenig kuscheliger. Hier bleibt keiner länger als nötig, bis auf ein paar dunkle Schemen mit Horn und Huf, die sich am Kotwali Basar Styroporkartons einverleiben und recht zufrieden kauen und wiederkauen.
Bedeutender Touristenort Nordindiens
Kein Wunder, dass alle anderen nach oben wollen: Upper Dharamsala, auch als McLeod Ganj – der Name eines früheren britischen Gouverneurs – bekannt, liegt rund 600 Meter höher und ist mit dem unteren Ort längst zusammengewachsen. Der Jeep-Trail braucht dafür bei atemberaubenden Steigungen und einspurigen Serpentinen nicht einmal vier Kilometer, die Umfahrung für Busse über zehn Kilometer. Asphaltiert bis oben sind sie eigentlich beide, denkt man die Schlaglöcher weg. Dahinter beginnen ein paar Allradpisten hinauf zu den wolkenverhangenen Gletschern hinter den Waldkuppen, die irgendwann zu Fußwegen werden: Rechtzeitig vorher umdrehen kann nicht schaden, was nicht alle indischen Neureichen wahrhaben wollen, die hier Schutz vor dem Dampf der Metropolen suchen. Die Hill Station im Bundesstaat Himachal Pradesh – ein klimatisch begünstigter Ferienort der britischen Verwaltungsbeamtenschaft zu Kolonialzeiten – hat eine Jahresmitteltemperatur von angenehmen 19 Grad.
Die frühere britische Garnisonsstadt wurde 1905 durch ein Erdbeben dem Erdboden gleichgemacht und dümpelte allmählich der Vergessenheit entgegen, bis der 14. Dalai Lama – damals blutjung – 1960 um indisches Asyl ansuchte und sich hier niederließ. Und dann ging‘s los: Dieses Dharamsala, das obere am Berg nämlich, ist zu einem der bedeutendsten Touristenorte Nordindiens geworden, tibetisches Kulturzentrum, Travellerenklave und Trekking-Hotspot gleichermaßen. Und eines der schicksten Stelldicheins für indische Honeymooner, die an lauschigen Plätzchen wie dem verwachsenen alten Friedhof hinter der Kirche „St. John in the Wilderness“ nicht nur Affen füttern, sondern ein wenig Zeit zu zweit finden wollen. Und das ist in Indien nicht immer leicht, nicht einmal hoch oben.
Ja, es regnet oft dort, nicht nur in der Monsunzeit: Kein Wunder, dass der Ruhesitz für verheiratete Offiziere „Cloud‘s End“ heißt. Richtig, es gibt schönere Orte im Himalaja, mit Blick auf nahe Gipfel und weiße Gletscher. Korrekt, es wird viel zu viel gebaut – denn ebene Flecken gibt es nur ein paar hundert Meter entlang der Jogbara Road und der Temple Road, hinunter zum Allerheiligsten, wo im Tsuglagkhang Complex der Photang zu finden ist, die offizielle Residenz des Dalai Lama, die Namgyal Gompa und das Tibet Museum.
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