Dialog durch Tagen

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Von Arbeitslosigkeit bis zum Frauendiakonat reicht die Palette von Fachtagungen, mit denen sich Österreichs Kirche den kalten und heißen Themen nähern will.

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Von Arbeitslosigkeit bis zum Frauendiakonat reicht die Palette von Fachtagungen, mit denen sich Österreichs Kirche den kalten und heißen Themen nähern will.

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Der Stoßseufzer eines ehemaligen Bundeskanzlers, daß alles sehr kompliziert sei, ist zum geflügelten Wort geworden. Die Österreichische Bischofskonferenz wurde dieser Einsicht gerecht, als sie das Programm zum "Dialog für Österreich" mit der Abhaltung von Fachtagungen und Gesprächen mit den politischen Parteien bereicherte. "Die katholische Kirche Österreichs sucht den Dialog mit jenen, die Österreich gestalten", heißt es in der Erklärung der Bischofskonferenz. Ausgewiesene Spezialisten verschiedener Metiers haben bei den Fachtagungen das Wort. Die Forderung lautet, den Dialog nicht in seichten Gewässern zu führen, sondern Oberflächlichkeit vermeidend, eine fundamentale Bestandaufnahme und klare Perspektiven für die Zukunft der katholischen Kirche und des ganzen Landes aufzuzeigen.

Soweit ein respektables Anliegen für das "intellektuelle Flaggschiff" des Dialogs, und trotzdem rührte sich Kritik. Die Katholische Aktion (KA) bemängelte, daß sich die Fachtagungen nur gesellschaftspolitischer Probleme annehmen würden. Soll der Dialog gelingen, forderte die KA Tagungen zu kirchenintern umstrittenen Bereichen. Gerade dazu müßte in einem von der Kirche initiierten Dialogprozeß Stellung bezogen werden. Außerdem gehörten die Ergebnisse an zentraler Stelle in das Arbeitspapier für den Delegiertentag im Oktober eingearbeitet.

Warum bedurfte es der Vermittlungsarbeit durch die KA? Paul Wuthe, im Sekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz und für die Koordination der Fachtagungen zuständig, erklärt: Die Fachtagungen sind ursprünglich als Fortsetzung der im Vorfeld der letztjährigen "Wallfahrt der Vielfalt" abgehaltenen "Gösinger Gespräche" gedacht, bei denen die gesellschaftspolitische Positionsbestimmung der Kirche im Mittelpunkt stand.

Mittlerweile weist die Liste der Fachtagungen die von der KA geforderten Veranstaltungen auf. Angefangen von einer Tagung zur Rolle der Laien in Kirche und Gesellschaft (9. Mai), über ein Symposion zur Thematik Wiederverheiratete Geschiedener (22. Mai), einer Fachtagung rund um das Thema Diakonat der Frau (3. Oktober), bis hin zu Studientagen, die sich mit dem Amt in der Kirche und deren Verhältnis zu Macht, Sexualität und Geld befassen, findet sich nunmehr ein Potpourri kirchlich heißer Eisen. Die Ausweitung des Themenkanons bietet zudem der Gruppe "Wir sind Kirche" erst die Möglichkeit, sich mit den Anliegen aus dem Kirchenvolks-Begehren in den Dialogprozeß einzuklinken. Der Erfolg des ganzen Projekts lag für viele aber schon im vorhinein an der Einbeziehung dieser Gruppe. Die Tagung zur Laienthematik am 9. Mai wird jetzt von "Wir sind Kirche" mitveranstaltet (noch stattfindende Tagungen und Parteiengespräche: siehe nebenstehend).

Bei der ersten Fachtagung im vergangenen November, "Optionen gegen Armut und soziale Ausgrenzung", wurde auf die Funktion der Kirchen als soziales Warnsystem hingewiesen, die ihre sozial-ethische Kompetenz verstärkt gegenüber anderen politischen und gesellschaftlichen Kräften einbringen müßten. Bezüglich eines garantierten Grundeinkommens referierten Vertreter der politischen Parteien ihre Ansichten, die von skeptischer Ablehnung bis zu überschwenglicher Befürwortung reichten. Der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau und der Direktor des evangelischen Diakonischen Werkes Michael Chalupka wiesen auf den wenig berücksichtigten Aspekt der Sinnstifung durch Arbeit hin. Die Existenzsicherung allein sei zu wenig, denn mit der Arbeit verlieren die Menschen die Einordnung in die Gesellschaft. Chalupka beklagte auch die einseitige Ausrichtung derzeitiger Bildungspolitik. Wird in den Bereich Technik stark investiert, finden soziale Ausbildungslehrgänge keine Unterstützung.

Auf der Tagung zum Thema "Sozial und gerecht - Parameter für politische Entscheidungen", unterstrich Bischof Paul Iby die Anwaltschaft der Kirche für die Opfer einer unsozialen Gesellschaft. "Die Kirche muß das Gewissen der Gesellschaft sein und sagen, was ihrer Meinung nach sozial und gerecht ist, und was nicht." Über mangelnde Solidarität trauerte Volkshilfe-Präsident Josef Weidenholzer: "Wenn vor 100 Jahren die Menschen in Massen am 1. Mai in die Öffentlichkeit geströmt sind, um ihre Solidarität zu zeigen, tun sie das heute am 8. Dezember, um genau das Gegenteil zu dokumentieren."

"FRAUEN ARBEITsLOS" lautete das Motto einer Fachtagung, wo einerseits Forderungen an Politik und Wirtschaft verbalisiert wurden, der Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt entgegenzutreten, andererseits die Referentinnen und Referenten die berufstätigen Frauen ermutigten, ihre Opferrolle abzulegen und sich auch außerhalb der traditionellen Berufsfelder zu engagieren. Frauenministerin Prammer forderte die Unterstützung der Gesellschaft für Frauen, die im Spannungsverhältnis von Familie und Beruf stehen. Besonders Wirtschaftstreibende seien zu diesem Problem angefragt, andererseits müßten aber auch von der Politik Maßnahmen gesetzt werden, die es wirtschaftlich interessant machen, in Frauen zu investieren.

Im Symposion "Medien zwischen Markt und Macht - Die Kirche zum Thema der Verteilungsgerechtigkeit" (vgl. Furche 6/98) führten Fragen, wie die Kirche der Medienkonzentration in Österreich gegenüberstehen soll, und welches Verhältnis die Kirche im Umgang mit den Medien hat, zu kontroversiellen Diskussionen. Hier - wie auch schon beim Studientag zur Rolle der Frau im Arbeitsleben - wurde die kircheninterne Stellung selbst zur Disposition gestellt. Blieb beim Thema Frau und Arbeitswelt die Frage nach dem Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern nicht aus, meldete sich auf der Medientagung Kritik zur Kommunikationsstruktur der Kirche. Der Tenor dieser Anfragen lautete, daß, wenn die Kirche ihre mahnende Funktion in der Öffentlichkeit glaubwürdig vertreten will, sie auch in ihrem Binnenbereich den nötigen Reformwillen zeigen muß.

"Wege aus der Jugendarbeitslosigkeit" suchte das von der Katholischen ArbeiterInnenjugend mitveranstaltete Studienwochenende in Michaelbeuern. Der Hauptreferent Christoph Zöchbauer von der Gewerkschaftsjugend stellte klar, daß in Österreich trotz einer im EU-Vergleich geringen Jugendarbeitslosigkeit, in der Altersstufe der 15-24jährigen trotzdem jeder und jede zehnte Arbeit suche. Kommt es nicht sofort zu verstärkten Beschäftigungsinitiativen, sind im Herbst 9.000 arbeitslose Jugendliche zu befürchten.

Theologen, Philosophen und Naturwissenschaftler trafen sich zu einer Fachtagung über die "Personwürde im Kontext der modernen biotechnologischen Entwicklungen" (vgl. Furche 12/98). Der interdisziplinäre Ansatz zeigte die Bandbreite der Anschauungen im Spannungsfeld zwischen Wahrung der Menschenwürde und den rasant fortschreitenden biotechnologischen Möglichkeiten. Für ein striktes Verbot des Klonens und von Eingriffen in die menschliche Keimbahn plädierte der Ethiker Dietmar Mieth. Der Biochemiker und frühere Wissenschaftsminister Hans Tuppy trat gegen eine pauschale Verurteilung und für die bedachtsame Prüfung der Mittel und Ziele biotechnischen Vorgehens ein.

Im von der "Kontaktstelle für Weltreligionen" und dem ORF veranstalteten "Dialog als Hoffnung der Zeit - Ursprünge, Kriterien und gesellschaftliche Relevanz dialogaler Prozesse" betonte Kardinal Schönborn die Aufgabe der Christen in einem Staat, die menschlichkeitsfördernde Dimension des Evangeliums umzusetzen. Nationalratspräsident Fischer stellte fest, daß der Staat die Rechte und Würde der Menschen achten muß, wobei die dahinterliegende weltanschauliche Begründung unterschiedlich sein kann.

Eine Fachtagung zum arbeitsfreien Sonntag fand in Pernitz statt, weil die dort ansässige Papierfabrik den ersten Kollektivvertrag aufgrund der neuen Sonntagsruhebestimmungen abgeschlossen hat. Der Sonntag als Ruhetag sei für eine Gesellschaft, die neben wirtschaftlichen Kalkulationen noch andere Werte hat, eine unaufgebbare Position, hieß es in einem Referat.

Die Ergebnisse aller Fachtagungen sollen zusammengefaßt am Delegiertentag im Oktober eingebracht werden. Der Unternehmensberater Helmut Karner kritisiert das ungenaue Konzept dieser abschließenden Tagung (vgl. Artikel Seite 14). Den Delegierten fehle , so Karner, eine klare Zielvorgabe und das Bewußtsein für die praktische Relevanz ihrer Arbeit. Der Leiter des "Dialog"-Büros Gerhard Lang sieht ebenfalls Schwächen im bisherigen Verlauf des Projektes, zweifelt aber nicht daran, daß der Dialog Wege aus der Kirchenkrise weist. Wie weit Langs Optimismus tatsächlich gerechtfertigt ist, wird schon die allernächste Zukunft weisen.

Parteiengespräche zum "Dialog" Kirche und Parteien im Gespräch Ort: Salzburg Termine: 30. April 1998: FPÖ 6. Mai 1998: LIF 15. Mai 1998: SPÖ 12. Juni 1998: ÖVP 24. Juni 1998: Grüne Bildungshaus St. Virgil, 5026 Salzburg, Ernst-Grein-Straße 14 & 0662/65901-0 Dokumentation Soziale Gerechtigkeit Alle Fachtagungen zum "Dialog für Österreich" sollen dokumentiert werden. Soeben ist jener Band erschienen, welcher die im November und Dezember abgehaltenen Tagungen "Optionen gegen Armut und soziale Ausgrenzung" und "Sozial und gerecht - Parameter für politische Entscheidungen" umfaßt. (Zum Inhalt dieser Tagungen siehe nebenstehenden Artikel) ARMUT ODER SOZIALE GERECHTIGKEIT. Hg.: Kath. Sozialakademie Österr., Kath. Aktion Österr., Österr. Bischofskonferenz. Verlag Zeitpunkt, Graz 1998. 120 Seiten, kt., öS 110,Bestellungen: Katholische Sozialakademie Österreichs, 1010 Wien, Schottenring 35. & 01/3105159, Fax 01/3106828, e-mail: ksoe@ping.at

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