Die ahnungslosen Gesetzestexter vom "Integrationsvertrag"

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Die auch in der furche schon viel besprochene und selten gelobte Integrationsvereinbarung, die die Bundesregierung zur Begutachtung präsentiert hat, verfolgt ein hehres Ziel: Durch sie sollen nämlich die Menschen zu nichts Geringerem befähigt werden, als "am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teilzunehmen". So steht es in den erläuternden Bemerkungen. Aber was heißt schon teilnehmen? Ist da wirklich Partizipation gemeint (zum Beispiel das kommunale Wahlrecht) oder wirkt einfach noch der olympische Gedanke nach, dass Dabeisein schon alles ist?

Der Deutsch-Integrationskurs will offensichtlich mehr. Er hat - so steht's zumindest im Begutachtungsentwurf - jedenfalls zu enthalten: einfache Grundkenntnisse der deutschen Sprache, Themen des Alltags mit landes- und staatsbürgerschaftlichen Elementen und Themen, die europäische, demokratische Grundwerte vermitteln. Und das alles in 100 Stunden mit finanziellem Selbstbehalt.

Man kann sich wirklich fragen, wieso die EU für ihre Grundrechtscharta soviel Zeit und Geld gebraucht hat, wenns offensichtlich mit der Wertevermittlung auch schneller geht.

Nun sind die ominösen 100 Stunden für ein ernsthaftes Lernen der deutschen Sprache schon ausreichend kritisiert worden. Meine Fragezeichen mache ich heute zu den "Themen, die europäische, demokratische Grundwerte vermitteln". Die Vorstellung, dass Werte über Themen vermittelt werden könnten, zeigt eine ziemliche Unkenntnis von ethischer Erziehung und von der Bildung von Werthaltungen. Pädagogik und Psychologie als spanische Dörfer, da hilft, so fürchte ich, auch kein zur Gänze selbstbezahlter 100 Stunden Kurs für die Textverfasser. Gerade bei der Bildung von Werthaltungen kommt es weniger auf Worte oder Themen an, sondern auf Handlungen und eine einsehbare, glaubwürdige, nachahmenswerte Praxis. Die Kirchen stehen für eine solche Praxis durch Caritas und Diakonie. Deshalb ist es ganz richtig, wenn Andreas Khol sie als "unersetzliche Wertestifter in Staat und Gesellschaft" bezeichnet hat. Aber wie ist es dann möglich, dass ausgerechnet ihm die Kritik von Caritas und Diakonie am Integrationspaket "nichts wert" ist?

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich.

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