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Silja Walter, eben 80 Jahre alt gewordene Schweizer Lyrikerin, die als Schwester Hedwig im Schweizer Benediktinerinnenkloster Fahr lebt (vgl. Furche 16/99), legt ihren sehr persönlichen Zugang zur Beichte vor. Wenn sich auch das liebevoll gestaltete Büchlein "geistliches Tagebuch" nennt, finden sich dennoch genug profane Sequenzen, die recht an- und beschaulich den Alltag der betagten Schriftstellerin spüren lassen. Aber sie bilden nur den Rahmen für einen mutigen Rechenschaftsbericht über die Beichtpraxis einer Klosterfrau, verstanden als "Chance des Beichtgesprächs" anhand zentraler Bibelstellen. Ein Jahr lang - "immer von Ostern her" - läßt sie den Leser teilnehmen an ihrer Selbstprüfung vor dem Hintergrund einer Kyrios-Theologie, die - wie viele ihrer Gedichte - geprägt ist von dem persönlich-mystischen Verhältnis zu ihrem "Herrn" und seiner Ankunft in ihrem Leben und in der Welt.

Wer sich geistlichen Voyeurismus erwartet, wird aber ebenso enttäuscht wie jemand, der sich eine vielleicht hilfreiche Abrechnung mit einer landläufig verrotteten Beichtpraxis erhofft oder eine Wegweisung aus persönlicher Ratlosigkeit im Umgang mit diesem verlorenen Sakrament inmitten des real existierenden Glaubenslebens. Selten ein konkreter Hinweis, und auch dann nur für Fortgeschrittene, wie etwa, daß die Beichtväter unter keinen Umständen jemanden abweisen sollten, "der anhand der Bibel" beichten will. Daß sie selber dies als "neu" und sinnvoll erfahren hat, bezeugt sie allerdings glaubwürdig und authentisch in diesem Buch.

Silja Walters Reflexionen, ergänzt durch Briefantworten einer theologisch hochgebildeten Freundin, bleiben innerhalb der geschützten Klostermauern, in gewissermaßen unverpesteter spiritueller Höhenluft, um die sie manch suchender Leser schlicht beneiden mag. Zwar spürt man auch Silja Walters sanfte Not mit dem einen und anderen "Confessarius"- sprich Beichtvater -, an deren Autorität sie aber doch nur ganz zart kratzt. Da stellt sich beim Leser ganz heimlich der Gedanke ein, er, der Leser, würde eigentlich viel lieber bei dieser Schwester Hedwig beichten, mit ihrer kontemplativen Einfühlung, als bei einem Confessarius. Aber dieser Gedanke des Lesers wird der Schwester Hedwig alias Silja Walter gar nicht recht sein.

Ach, dachte ich, als ich das Buch aus der Hand legte, hätte doch das meiste der kaum übersehbaren Flut gegenwärtiger geistlicher Lektüre wenigstens einen Schimmer von dessen literarischer Qualität, viele kostbare Gedanken würden nicht an sprachlicher Dürre ersticken!

DIE BEICHTE IM ZEICHEN DES FISCHES. Ein geistliches Tagebuch. Von Silja Walter. Paulusverlag, Freiburg/CH 1999. 205 Seiten, geb. öS 336,-/e 24,42

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