Die Benediktinische Wende

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Joseph Ratzinger wurde als Benedikt XVI. zum sanften Werber für seine Glaubensbotschaft. Gleichzeitig beginnt er, der katholischen Kirche eine "Gegenreform" zu verpassen.

Mit 78 der ultimative "Karrieresprung": Wenn der Amtsträger dieser Tage den 80er begeht, ist er gleichzeitig noch so "jung" im Amt, dass die Konturierung seines Pontifikates keineswegs abgeschlossen ist. Andererseits war Joseph Ratzinger der (Kirchen-)Öffentlichkeit schon so lange ein Begriff, dass die Neugierde des Kommentators sich darauf richtet, wie Benedikt XVI. der katholischen Kirche seine Wertvorstellungen aufprägt.

Keine Frage, dieser Papst hatte und hat Überraschendes parat: Dass der Glaubenshüter und prophetisch Zornige wider den "Relativismus" als Papst keine Donnerkeile schleudert, sondern in seinen Worten als sanfter Werber für die Glaubensbotschaft, wie er sie versteht, in Erscheinung tritt, nimmt viele ein. Jetzt hat er gar ein Buch über Jesus von Nazareth verfasst, das er explizit nicht als "lehramtlichen Akt" versteht, und zu dem er sagt, es stehe "jedermann frei, mir zu widersprechen". Solche Töne wurden von einem Papst noch nie gehört und sind auf der Haben-Seite der "Benediktinischen Wende" zu verbuchen, die dieser Papst seiner Kirche verpasst.

Eine Wende, die Benedikts Handschrift trägt? Ja, denn es könnte sich als Paradox dieses Pontifikats erweisen, dass mit beschriebenen positiven Überraschungen gleichzeitig die "Gegenreform" einhergeht, auf die die Konservativen, die seit Jahren "Rauch Satans" (© Papst Paul VI.) beklagen, der mit dem II. Vatikanum in die Kirche eingedrungen sei, sehnlich warten.

So kehrten in den letzten Wochen traditionalistische Gruppierungen in den Schoß der Kirche zurück (unter Erlaubnis, den vorkonziliaren Messritus beibehalten zu dürfen). Und die Unkenrufe der Ultrakonservativen, die tridentische Messe könnte wieder weitgehend erlaubt werden, sind so laut, dass in Rom die Spatzen von den Dächern pfeifen, ein derartiges Papstschreiben sei bereits unterwegs.

Die Frage des Ritus ist keineswegs zweitrangig. Denn sie drückt den Grundkonflikt innerhalb der katholischen Kirche aus: War das II. Vatikanum ein Versuch, die Kirche und ihre Tradition mit der Gegenwart zu versöhnen, so betrachten die konservativen Konzilskritiker dies als Verrat an ebendieser Tradition. Seit 40 Jahren versucht diese Kritik die Reform zu bremsen - von Anfang an mit Erfolg. Vertreter des weltoffenen Flügels wie der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl klagen seit langem, der Aufbruch des II. Vatikanums sei "im Sprung gehemmt" worden. Und Joseph Ratzinger gehört bekanntlich seit den 70er Jahren zu den Bremsern wider die Aufbrechenden. Nur ein Beispiel: Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher konstatierte vor einiger Zeit in der Furche, die Kirche nach dem II. Vatikanum habe ein Problem mit ihrem Weihepriestertum. Und er meinte damit keineswegs bloß die Zölibatsdiskussion. Das, was Benedikt XVI. aber auch zuletzt übers Priesteramt verlautete, zeigt, dass er der Zementierung der traditionellen Sicht das Wort redet und keineswegs an einer Neubestimmung dessen interessiert ist, was Priestersein heute bedeutet.

Auch wenn es nur mehr die Generation 65plus ist, welche die vorkonziliare Kirche erlebt hat, scheint es dem derzeitigen Zeitgeist zu entsprechen, dieser Zeit nachzutrauern. Kommt nach dem religiösen Esoterik-und Fernost-Boom nun eine Wiederbelebung vermeintlich besserer Kirchenzeiten mit (unverständlichem) Latein und angeblich dem "Numinosen" mehr Raum gebenden Riten? Die konservative Konzilskritik hofft darauf. Man findet auch im bislang religiös desinteressierten (deutschsprachigen) Feuilleton Sympathisanten für diese Position: Eine paradoxe Allianz von Fernstehenden mit konservativen Katholiken entsteht da.

Keine guten Karten für die, die einer "Ecclesia semper reformanda" - der sich immer erneuernden Kirche - das Wort reden und versuchen, deren Glaubensbotschaft sowie deren Struktur in einer veränderten Welt neu zu positionieren.

Der gegenwärtige Papst versucht dem - freundlich werbend, aber um nichts weniger bestimmt - seinen Rückgriff auf einen traditionellen Katholizismus entgegenzusetzen. Doch - wie beim Jesus-Buch des Papstes - sollten Katholiken die Möglichkeit haben, solcher Kirchensicht zu widersprechen. Hoffentlich finden sich gewichtige Stimmen, die das auch wirklich tun.

otto.friedrich@furche.at

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