7104765-1995_26_06.jpg
Digital In Arbeit

Die Bibel als Freundin der Frauen

19451960198020002020

Bei einem Symposion zum Thema Bibel und feministische Theologie trafen einander in Wien führende Exegetinnen.

19451960198020002020

Bei einem Symposion zum Thema Bibel und feministische Theologie trafen einander in Wien führende Exegetinnen.

Werbung
Werbung
Werbung

Seit mindestens 100 Jahren beschäftigt Frauen, die sich kritisch mit der Bibel auseinandersetzen, die Frage nach dem Zusammenhang von Bibelinterpretation und Frauen-Unterdrückung. 1895 wurde dazu unter dem Titel „Woman's Bible” eine Sammlung kritischer Kommentare von der US-Amerikanerin Cady Stan-ton herausgegeben.

Dies war der Anlaß für ein internationales Symposion zum Thema Bibel und Feministische Theologie. Es fand von 15. bis 17. Juni 1995 im Bildungshaus Lainz statt. Beferentinnen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und den USA diskutierten den aktuellen Forschungsstand feministischer Exegese. An Vorträgen, Fachdiskussionen und Arbeitskreisen beteiligten sich 120 Frauen aus dem In- und Ausland.

Elisabeth Schüssler-Fiorenza, die international renommierte Exegetin aus Havard, betonte in ihrem Hauptreferat, daß Frauen die Bibel einer kritischen Relecture unterziehen müssen, sodaß sie nicht mehr zur Stabilisierung verschiedener Unterdrückungsmechanismen, sondern vielmehr zur Ermächtigung von Frauen aus allen Schichten und Rassen beitragen kann. Der Horizont dieser Art der Ribelauslegung ist eine umfassende Perspektive von Gerechtigkeit für alle Frauen und Männer. Resonderen Akzent legte sie darauf, die Rassismuskritik farbiger Frauen in der Reflexion weißer Theologinnen stärker zu berücksichtigen.

Marie Theres Wacker, ab Wintersemester 95 Lehrstuhlvertreterin für Theologische Frauenforschung in

Münster, gab einen Überblick über die Entwicklung feministischer Exegese im deutschsprachigen Raum seit 100 Jahren. In ihrer durchaus kritischen Betrachtung weiblicher Auslegungstraditionen warnte sie vor allem vor immer wiederkehrenden antiju-daistischen Affekten, die frauenfeindliche Texte als „jüdisch” bezeichnen. Hier werde lediglich eine Unterdrückung durch eine andere ersetzt, betonte Wacker.

Das Referat von Irmtraud Fischer, Alttestamentlerin aus Graz und erster habilitierter Theologin Österreichs, zeigte an einem konkreten Beispiel auf, wie spannend und anregend die Beschäftigung mit biblischen Texten aus feministischer Perspektive sein kann. Sie stellte dar, wie am Anfang der Exodusgeschichte Frauen zu den Wegbereiterinnen der Befreiung werden und eine kluge weibliche Strategie der Subversion sich als erfolgreicher erweist als männliche Gewalt.

Herausfordernde Fremdheit

Im Fachgespräch und der Podiumsdiskussion der Exegetinnen war die Frage zentral, welche biblischen Texte als verbindliche Handlungsorientierung gelten können, beziehungsweise in welcher Form. Dabei sollte Bibel nicht einfach als Spiegel eigener Erfahrungen gelesen werden, sondern auch ihre herausfordernde Fremdheit behalten.

In dieser Spannung von Begegnung und Fremdheit der Bibel standen auch die kreativen Workshops, die mit ganzheitlichen Methoden Bibel erschlossen, sowie die Arbeitskreise, die sich konkreter Textarbeit widmeten. Eine Frauenliturgie und ein Fest bildeten den Abschluß dieser intensiven Tage. Die Bibel erwies sich als eine zwar schwierige Freundin der Frauen, mit der aber dennoch gelebt und gefeiert werden kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung