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Über die Lücke, welche die FPÖ hinterlässt.

Man ist es leid, die aktuellen Vorgänge in der FPÖ zu kommentieren. Und es scheint kaum noch sinnvoll; die adäquaten Formen der einschlägigen Wahrnehmung dürften Karikatur und Kabarett sein. Allein die Wortspenden des Vizekanzlers seit den für die FP verheerenden Landtagswahlen vor anderthalb Wochen lassen jede vermeintlich pointierte Formulierung seltsam schal erscheinen: Was sollte man etwa zur neuerlich behände ausgewickelten Veto-Keule gegenüber Tschechien oder zur Kritik an der Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung noch sagen? Man stelle sich vor, der stellvertretende Chefredakteur einer Zeitung erklärte nach desaströsen Mediaanalyse- oder Auflagenkontroll-Zahlen coram publico, dass die Blattlinie verfehlt sei oder die Qualität der Berichterstattung sehr zu wünschen übrig lasse...

Eine Steigerung, gewissermaßen als Extrapolation des Gegenwärtigen, wäre noch denkbar: dass der mit schier unbegrenzter Leidensfähigkeit ausgestattete Herbert Haupt in einem ultimativen Akt der Selbstverleugnung den Vizekanzler und Sozialminister des Versagens bezichtigt: Er als Nicht-Ich.

Aber noch einmal: Diese Dinge sind bei den Karikaturisten und Kabarettisten besser aufgehoben. Wichtiger ist die Frage, was der mögliche Sturz der FPÖ in die Bedeutungslosigkeit für das Land heißt. Sie beruht auf der Prämisse, dass es der demokratiepolitischen Befindlichkeit der Republik zuträglich sei, wenn es neben ÖVP und SPÖ noch weitere relevante politische Kräfte gibt. Nun könnte man einwenden, dass als politische Alternativen eine Rechts- und eine Linkspartei bzw. ein jeweils klar umrissener Rechts- und Linksblock genügten. Doch im Sinne der Vielfalt, des freien Spiels der Kräfte, auch als Signal gegen die ohnedies um sich greifende Funktionalisierung von allem und jedem, und weil es der politischen Kultur Österreichs entspricht, sollte man eine Lanze für das bestehende Mehrparteiensystem brechen. Viel spräche indes dafür, das zermürbende, die Wähler und Wählerinnen für dumm verkaufende Spiel der Koalitionsbildung hintanzuhalten. Wollte man das wirklich, so läge ein in steirischen VP-Kreisen entwickeltes Mehrheitswahlmodell vor, das dem Sieger eine absolute Mehrheit beschert, den Rest der Mandate aber anteilsmäßig auf die anderen Parteien verteilt, die so nicht um ihre Präsenz im Parlament fürchten müssten.

Die Grünen seien auf dem Weg, die FPÖ als dritte Kraft abzulösen, heißt es nun, nach ihren Erfolgen in Oberösterreich und (vor allem) Tirol. Die FPÖ konnte zu dieser dritten Kraft, die schon einmal die zweite war und in einem Bundesland noch immer die erste ist, bekanntlich nur wachsen, weil sie seit Mitte der achtziger Jahre weit über das immer unbedeutender werdende dritte Lager hinausgriff. Wie bei anderen Parteien auch überdeckte der glänzende Erfolg die aus den internen Entwicklungen resultierenden Brüche: zwischen jenen, die sich als die besseren, weil nationalen Sozialisten dünkten und jenen, die für rechtsliberale (Wirtschafts-)Politik ohne den - aus dieser Sicht - "ideologischen Ballast" der ÖVP standen. Nun, zurückgeworfen auf einstellige Prozentzahlen, steht die Partei nicht etwa dort, wo sie vor Jörg Haider war; nein, nachdem die Flut der Wahltriumphe zurückgegangen ist, zeigt sich ideologisch verwüstetes, bizarr anmutendes Land, das Partei-Vordenker wie Lothar Höbelt verständlicherweise nur noch in den Sarkasmus flüchten lässt.

Dass die FPÖ die "normale, liberale Partei" wird, die von vielen - auch eher linksstehenden - Kommentatoren als Desiderat beschworen wurde, ist unvorstellbarer denn je. Die spannende Frage ist, wie viel an Wählerpotenzial einer solchen Partei, möglicherweise über Umwege einer anderen Partei, irgendwann einmal bei den Grünen landet. Das klingt nur dann völlig skurril, wenn man das gängige Bild vom FP-Wähler als ressentimentgeladenem Modernisierungsverlierer vor sich hat. Aber dies hat wohl immer schon zu kurz gegriffen. Die Karten sind dabei, gänzlich neu gemischt zu werden. Die Grünen könnten tatsächlich die dritte Kraft werden. Aber man ist sich nicht ganz sicher, ob sie schon verstanden haben, was das bedeutet.

rudolf.mitloehner@furche.at

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