Die Entdeckungen des Krisen-Witzes

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Wie der konjunkturelle Einbruch den Humor und die Satire anspornt - und wie aus einem lustig gemeinten Gag blanker wutbürgerlicher Ernst werden kann.

Der Humor ist eine sehr heilsame Einrichtung der menschlichen Psyche in schmerzvollen Zeiten. Der deutsche Satiriker Eckart von Hirschhausen, ein ausgebildeter Arzt, kann sich nicht genug ergehen über die Vorzüge des Lachens unter Leidensdruck: "Es gibt drei Wege mit unauflöslichen Widersprüchlichkeiten der Welt umzugehen: die Psychose, den Traum und den Humor. Da wähle ich auf jeden Fall den Humor.“

An den genannten unauflöslichen Widersprüchen gibt es derzeit mehr als genug - egal aus welcher Quelle sich der Nachrichtenstrom ergießt: Griechenland, die Krise Europas und die Risiken für die Weltwirtschaft, Eurobonds und Rettungsschirm, Finanzmarktstabilität, politisches Versagen angesichts hocheffizienter Spekulanten, der Kampf der Moral gegen eine systemisch notwendige Gier und überhaupt: das Böse gegen das Gute. An solchen Begriffen und Gegensätzlichkeiten, meint Hirschhausen - kann man entweder zerbrechen - oder eben lachen.

Wer sich tiefer auf das Phänomen des Krisenhumors einlässt, findet den Humor tatsächlich als "Notwehrinstrument“ vor, wie Jürgen von der Lippe sagt, um mit Absurditäten umzugehen: "Nehmen Sie nur den Euro-Rettungsschirm mit seinen - was weiß ich - 128 Trillionen Euro, den die Staaten haben wollen. Woher nehmen die denn das Geld? Sie wollen es von Banken, die das Geld selbst nicht haben. Das ist doch witzig! Es bleibt einem nichts, als sich darüber kaputt zu lachen.“ Griechenland und seine Bürger werden dabei naturgemäß aufgrund der aktuellen Lage besonders oft Ziel und Opfer diser Notwehr.

Untiefen des Humors

An der unteren Geschmacks- und oberen Vorurteilsgrenze laufen dabei Kabarettisten wie Olaf Schubert. Er reimt: "Die Griechen machen immer einen auf lässig: Ich trink Ouzo - was machst du so?“ "Die Bankenkrise, die kommt aus Griechenland, ohne denen das jetzt in die Schuhe - äh - in die Sandalen schieben zu wollen...“ Oder: "Die griechischen Zloty, heißen die Drachmen?“

Britische Komiker gehen das schon wesentlich differenzierter an. Das Duo "Clarke and Dawe“ analysierte vor wenigen Tagen die Lage der Staaten und Banken im Süden der EU wie folgt: Im Rahmen eines fiktiven Wirtschaftsquiz taucht zunächst die Frage auf, wie viele Milliarden Euro sich bestimmte europäische Staaten bei anderen ausgeborgt haben. Dabei stellte sich heraus, dass ein jeder Staat beim anderen knietief in der Kreide steht - und die Banken ebenso. Am Ende formuliert das Duo die entscheidende Frage so: "Wie kann eine Pleitevolkswirtschaft einer anderen Pleitevolkswirtschaft Geld leihen, die gar kein Geld hat, weil sie das Geld, das sie bekommt, niemals zurückzahlen kann, das sie von einer anderen Pleitevolkswirtschaft geliehen hat, Geld, das sie nicht hätte verleihen sollen, vor allem deshalb nicht, weil die andere Pleitevolkswirtschaft es niemals zurückzahlen können wird?“

Aus Witz mach Manifest

Im Vergleich dazu operiert der Humor im deutschen Sprachraum aggressiver. Roland Düringers Karikatur eines Wutbürgers, der sich gegen das System empört, mauserte sich binnen weniger Tage zum sinnstiftenden politischen Manifest mittelständischer Misere und Aggression - und das ohne jedes Augenzwinkern. Ein kurzer Auszug, der sich gegen die Politik richtet: "Wir sind einfach nur wütend, weil es in diesem Land keine Pressefreiheit gibt und wir von (politisch und wirtschaftlich, Anm.) abhängigen Medien entweder mit geistigem Müll oder mit Falschinformation zu geschissen werden. Wir sind wütend, weil wir merken, dass wir als Spielroboter gehalten wurden und den Maschinen dienen. Und wir sind die, die nicht mehr unsere Stimmen in Urnen werfen werden. Wir werden sie behalten, damit wir schreien können: Wir sind wütend, wir sind wütend, wir sind wütend …!!“

So werden im Kabarett aus Opfern Täter und umgekehrt - aus Tätern Opfer. Der deutsche Kabarettist Butzko hat sich die Tatverdächtigen der Krise im Allgemeinen - die Manager und Banker - zum Ziel genommen: "Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verkündet also, dass er auf seine Bonuszahlungen verzichtet. Aber nicht zugunsten der Steuerzahler, sondern zugunsten seiner Mitarbeiter, die das Geld notwendiger brauchen als er. Logisch - die Bürger werden ja demnächst wegen der Krise weniger Geld haben. Also beschließt der Chefhehler seinen Taschendieben den Verdienstausfall zu ersetzen.“

Dimensionen des Unrechts

Der bayerische Künstler Erwin Pelzig errechnet seinem Publikum die Unterschiede der Krisenfolgen zwischen Arm und Reich aus. Dass also die Reichsten 800 Menschen der Welt immer noch insgesamt 2,8 Billionen Dollar besitzen, dass die Krise auf der anderen Seite 250 Millionen Menschen arbeitslos gemacht habe: "Wäre es im Rahmen der offensichtlichen globalen Ungerechtigkeit nicht gerechter, die Ungerechtigkeit auf möglichst wenige aufzuteilen, das dafür aber möglichst gerecht? Also, um es auf den Punkt zu bringen: Besser 800 Arschkarten als 250 Millionen.“

Eckart von Hirschhausen versteht wiederum die Aktion der europäischen Politiker nicht: "Mir kommt das so vor wie meine Großmutter, die während des Strickens manchmal sehr hektisch wurde. Ich fragte sie dann, was machst du denn da? Und sie sagte: Ich muss fertig werden, bevor die Wolle alle ist. So kommt mir die Krisenpolitik vor. Man verbreitet schlechte Nachrichten und wundert sich dann, dass die Welt sich entsprechend verhält.“

Aber wie machen das eigentlich die Griechen selbst? Sie tun sich schwer angesichts der harten Realität. Eine Athener Zeitung mischte vergangene Woche aus den Ingredienzien Humor, Zynismus und Selbsterbauung einen Cocktail zum Trost der Bürger. Unter einem Bericht über den wachsenden Ansturm auf Armenausspeisungen und einem geharnischten Kommentar gegen die von Deutschland vertretene Sparpolitik war eine Sentenz von Victor Hugo zu lesen: "Unglück macht Menschen, Wohlstand macht Ungeheuer.“

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