Im Johannesevangelium (8,1-11) findet sich ein sehr poetischer Text, der zeigt, welche Wirkungen der Bezug auf Gott haben sollte und welche nicht. Es ist die Stelle, wo Jesus von den religiösen Eliten mit einer Ehebrecherin konfrontiert wird, "damit sie ihn verklagen konnten". Sie selbst war sowieso schon zur Steinigung verurteilt. Im Munde der Theologen funktioniert Gott hier als Garant der Identifikation ihrer eigenen Person mit der religiösen Institution und ihrer Macht gegenüber der Frau, aber auch gegenüber Jesus. Gott wird zur Chiffre des drohenden Todes in der Macht einer Religionsgemeinschaft.
Im Munde Jesu kommt Gott explizit überhaupt nicht vor. Gott ist bei Jesus an dieser Stelle vielmehr eine horizonteröffnende Handlungsrealität. Jesus identifiziert sich nicht direkt mit Gott und seinem Wort, lässt vielmehr die Ikone der religiösen Macht, das "Gesetz", in einer paradoxen und ausgesprochen poetischen Symbolhandlung als etwas Prekäres, Heikles, Flüchtiges erscheinen, dessen "Zeichen im Sand" immer neu geschrieben, erkannt und gelesen werden müssen.
Die Beziehung Jesu zu seinem Gott zeigt sich in seinem Handeln. Jede Gottesbeziehung ist an ihren Konsequenzen und Folgen zu erkennen. Bei Jesus sind sie an dieser Stelle im wörtlichen Sinne "wunderbar": die Einsicht aller, noch der "Gerechtesten", in die eigene Sündhaftigkeit, die Umkehr aller aus der Verstrickung in vielfältige Geschichten von Schuld und Gewalt.
Das Volk Gottes übrigens figuriert an dieser Stelle in seiner ganzen Ambivalenz: zum einen als gewaltbereite Religionsgemeinschaft im Namen ihres Gottes, das andere Mal als einsichtsbereite Umkehrgemeinschaft in der Erfahrung der Sündhaftigkeit vor Gott. Das zentrale Kriterium des Zusammenhangs von Gott und Handeln ist die reale Gegenwart von Umkehr, Erlösung und Befreiung. Das zeigt auch das leere Grab.
Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz
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