Die Furche ist schön

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Rede des toten Zeitungslesers vom Weltgebäude herab, dass kein Fürchten sei.

Franzobel * 1967

Schriftsteller

Die Furche? Ist die schön. Und hundertmal & überhaupt. Die Furche ist schön, und schon schön ist die Furche. Ich bin hundertmal verliebt in Furchen. Und die Furche ist sehr schön, das lernen wir, wenn sie am Donnerstag endlich vor der Haustür liegt, hundertmal, fünfzigmal im Jahr, dass die Furche richtig schön ist, und das ist das Schöne an der Furche, dass hundertmal, fünfzigmal schon die furchtlosen Schulkinder lernen, wie schön und überall diese Furche ist, damit sie es nur ja nie mehr vergessen. Ist die schön. Und überhaupt. Die Sonne. Und damit sie es nur ja nie mehr vergessen, wie schön, schön die Furche ist, müssen schon die furchtlosen Angsthasen hundertmal, hundertmal schreiben: Die Furche ist schön. Ist die schön. So schön ist die Furche, dass schon die Angsthasen es aufschreiben müssen. Müssen schreiben: Die Furche fängt schön an, und schön hört die Furche auch auf. Ja. So ist das mit der Furche. Durch und durch schön. Hundertmal. Fürchtet Euch nicht.

Dabei ist die Furche wirklich schön, nur dieser Name? Eine Ackerbauern-Blut-und-Bodenzeitung? Eine aufgeworfene Scholle, schwere, braune Erde, aus der Regenwürmer kriechen? Die Furche? Fürchtet Euch nicht. Die Furche, meine Lieben, hat etwas Kurioses. Schon dass sie einzig ist, unwiederholbar, macht so schnell ihr keiner nach. Die Furche, meine Lieben, hat etwas Furioses, leicht Perverses, weil es so x-beliebig kommt. So krummblättrig. So rundherum daher. Sie schmeckt nach Druckerschwärze und Kastanienreis, nach lauen Herbstlüftchen, Huschhuschhusch, nach Jetzt-will-ich-nicht-alleine-sein. Kalt ist sie wie Leberkäse, ausgeraucht, und warm wie Spucke da im Mund. Die Furche. Sie grinst, wenn sie die Gänsehäute die Rücken runter laufen sieht, und weint, wenn man ihr ungerührt entgegentritt. Die Furche, sie bringt nichts, nimmt nichts mit, ist einfach da, macht sich's bequem. Die Furche, meine Lieben, ist etwas Kurioses. Schon dass sie einzig ist, unwiederholbar, macht so schnell ihr keiner nach.

Fürchtet Euch nicht.

2002

die furche, 19. 9.

Sehr verehrtes Publikum, bestimmt haben auch Sie schon einmal welche wo gesehen, Menschen, nämlich solche, die, wenn sie wegfahren, dies nicht, und zwar unter gar keinen Umständen ohne einer so genannten Jause tun. Ich kenne diese Spezies des homo jausnbrotes vor allem von der Eisenbahn. Kaum setzt sich der Zug in Fahrt, packen sie schon ihre Jägerwürste, Eier, Salzstreuer, Tomaten aus. Oft haben sie auch Plastiksackerl mit Sauerkraut dabei, zumindest Salzgurken, ein paar Knoblauchzehen und jede Menge Quargeln oder Schlierbacher. Mit der größten Selbstverständlichkeit erzählen sie dann schmatzend, ein von einem Schweizermesser aufgespießtes Stück Brot mit Jägerwurst vor einem hin und her fuchtelnd, dass dem Essen in der Fremde ja keinesfalls zu trauen sei, weil man ja gar nicht wisse, was da alles drinnen ist. [...]

Aber vielleicht sind ja auch wir, die wir den Verlust der österreichischen Sprache beklagen, ich stelle es jedem frei, sich hier zuzurechnen oder nicht, denke aber, dass kaum einem Österreicher eine Angleichung an das Deutschendeutsch recht sein wird, vielleicht sind also auch wir mit unserem Österreichisch diesen Jausenauspackern gar nicht so unähnlich? Nur dass wir statt der Würste und Eier Wörter aus dem Rucksack holen, nämlich: Paradeiser, Schwammerl, Semmerl, Weckerl, Kipferl, Erdäpfelsalat. [...].

2003

die furche, 6. 2.

Wir leben in einer relativ gottlosen Zeit, niemand spricht noch Tischgebete, und man baut auch keine Kirchen mehr, der Ehrgeiz der Architekten wird in Profanbauten gesteckt, in Einkaufszentren, Fußballstadien, Skisprungschanzen - das sind die Kirchen unserer Zeit. Der Glaube an Schutzheilige und Engel aber schwindet, da kann selbst der Papst, die einzige Instanz, die entschieden gegen den Irakkrieg protestiert, Selig- und Heiligsprechungen vornehmen, soviel er will. [...]

Doch was kommt da, in solch einer ausweglosen Situation den Gläubigen zupass? Ein Wunder! Ein Mann mit Nägeln in den Beinen, ein Medizinstigmatisierter, der von den Abgeschriebenen auferstanden, in den Weltcupzirkus zurückgekehrt ist, wieder zu gewinnen, Weltmeister zu werden. Ein Wunder namens Hermann Maier. [...]

Heilige sind selten kompromissbereit, bornierte Sturschädel eigentlich, Besessene, nicht vernunftbegabt. So gesehen verkörpert Hermann Maier vielleicht wirklich einen modernen Heiligen, einen, der sich ganz auf seine Sache konzentriert. [...] Zwei Wunder fordert der Vatikan von einem Heiligen, zwei Wunder hat auch Hermann Maier schon getan, das erste, als er nach dem kapitalen Stern von Nagano, dem wohl berühmtesten Sturz der Skigeschichte, noch Doppelolympiasieger geworden ist, das zweite jetzt, sein Comeback.

2004

die furche, 18. 3.

Es gibt Menschen, denen, egal was sie auch immer anpacken, alles misslingt, denen jede Unternehmung fehlschlägt, alles scheitert, so als wollten sie sich gegen eine unsichtbare Ordnung durchsetzen, gegen einen Lauf der Welt, eine stillschweigende Vereinbarung aller Dinge. Sie scheitern. Und je mehr sie sich bemühen, hineinbeißen und sich in ihre Ideen verbohren, desto sicherer gehen sie zu Bruch. [...] Und so ähnlich wie diese armen Törichte, die gegen die Gesetze anlaufen, ohne es zu wissen, deren gut gemeinte, aber falsch angepackte Unternehmungen doch nicht recht in den Griff zu kriegen sind und also immer scheitern, kommen mir auch die österreichischen Fußballmannschaften manchmal vor.

Immer, wenn es darauf ankommt, versagen sie. Sie versagen das, was sie vorher großmäulig versprochen haben, versickern in unsäglichem Geplätscher, das meist nicht einmal wert ist, es Fußball zu nennen, um dann wieder, wenn es eigentlich nichts mehr zu reden gibt, man über diese ballesterischen Entäußerungen nicht einmal noch schweigt, in einen Sprachfluss zu gelangen, der alle überrascht und staunen macht. Sie könnten es ja doch.

Ja, sie könnten es. Im Grunde hat der österreichische Fußball seit 100 Jahren immer wieder gezeigt, dass er es könnte, um sich letztlich doch zu bescheiden, es wenigstens seit 50 Jahren beim Konjunktiv zu belassen [...].

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