"Die Furche vertiefen"

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Papst Franziskus hat bereits in seinem ersten Jahr der Kirche sein Gepräge verliehen. Etliche der auf ihn projizierten Erwartungen wird er freilich nicht erfüllen können.

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Papst Franziskus hat bereits in seinem ersten Jahr der Kirche sein Gepräge verliehen. Etliche der auf ihn projizierten Erwartungen wird er freilich nicht erfüllen können.

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Vor einem Jahr stand (nicht nur) die katholische Welt im Banne des neuen Papstes. Zweieinhalb Wochen vor Ostern war überraschend der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, zum Nachfolger Benedikts XVI. gewählt worden. Seither hat der Jesuit auf dem Stuhl Petri mit einer Vielzahl breit rezipierter Gesten und symbolischer Handlungen sowie mit einer für dieses Amt bislang ungewohnten, sehr unmittelbaren Sprache für Aufsehen und -horchen gesorgt - angefangen von der Wahl seines Namens: "qui sibi nomen imposuit Franciscum" -"der sich den Namen Franziskus gegeben hat", verkündete der Kardinalprotodiakon am Abend des 13. März von der Benediktionsloggia des Petersdoms.

Dass jene, die sich habituell an Franziskus' Vorgängern rieben und allgemein mit dem Papsttum ihre liebe Not haben, den gegenwärtigen Bischof von Rom als Hoffnungsträger sehen, versteht sich von selbst. Doch nicht nur diese, vielmehr Katholiken aller Schattierungen (und viele Menschen außerhalb der Kirche) sind voll des Lobes für den "neuen Papst". Kaum jemand, der sich nicht - zu Recht - von dessen Art auf Menschen zuzugehen, von seiner erfrischenden, "unklerikalen" und menschennahen Sprache angetan zeigte.

Nahbarkeit und "Menschenfreundlichkeit"

Die große Frage ein Jahr später lautet: Was kommt noch? Das symbolische Repertoire ist bekannt, Franziskus hat dem Amt damit jetzt schon sein ganz persönliches, überzeugendes Gepräge verliehen. Vieles davon ist seinem Charakter, seiner Biografie, kurz: all dem, was die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen ausmacht, geschuldet. Niemand bringt "alles" für eine Führungsfunktion mit - dies gilt umso mehr für das nach menschlichen Maßstäben "unmögliche", gleichwohl faszinierende Petrusamt. An bestimmten Dingen, insbesondere was Nahbarkeit und "Menschenfreundlichkeit" betrifft, wird sich aber auch ein möglicherweise ganz anders "gestrickter" Nachfolger messen lassen müssen (die Farbe der Schuhe und die Frage der Privatwohnung sind dabei freilich nicht entscheidend). So wie etwa Johannes Paul II. bei der "Globalisierung" des Papsttums Maßstäbe gesetzt hat und Benedikt XVI. im theologischen Anspruch der "Vernünftigkeit" des Glaubens.

Johannes XXIII. - Johannes Paul II.

Franziskus hat indes auch Erwartungen geweckt, die weit über das hinausgehen, was bisher geschehen ist. Zu vermuten steht, dass er viele dieser Erwartungen nicht wird erfüllen können und wollen. Im letzten deshalb, weil die Kirche ihrem Selbstverständnis nach von Anbeginn durch alle Brüche hindurch die "eine, heilige, katholische und apostolische" ist. Das schließt Änderungen in pastoralen Fragen, etwa bei wiederverheirateten Geschiedenen, nicht aus. Das ist auch kein Widerspruch zu theologischen Weiterentwicklungen, die es immer gegeben hat.

Letztlich gilt aber wohl auch für Franziskus, was Kardinal Loris Capovilla, der einstige Privatsekretär von Johannes XXIII., über "seinen" Papst gesagt hat: "Er wollte die Furche vertiefen, in die das Wort Gottes gesät wird. Eine neue Furche aufreißen, das wollte er nicht." Das ist ein schönes Bild für das, was bleibende Aufgabe der Kirche ist. Auf welche Weise das jeweils am besten geschieht, wie -um im Bild zu bleiben -der Pflug beschaffen sein muss, dies will in jeder Zeit neu herausgefunden werden. Darum geht es letztlich bei jenem "Aggiornamento" ("Verheutigung"), von welchem der spätere Papst Johannes bereits als Kardinal Roncalli sprach, und das zu dem Leitbegriff des Zweiten Vatikanums werden sollte. Dass dieser Angelo Roncalli nun am Sonntag nach Ostern, dem Weißen oder Barmherzigkeits-Sonntag, heilig gesprochen wird, darf man als programmatisch verstehen. Dass gemeinsam mit ihm auch Johannes Paul II. künftig zu den "Heiligen" zählt, steckt einmal mehr das weite Feld ab, auf dem sich Kirche seit jeher bewegt.

rudolf.mitloehner@furche.at

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