Die Hetze im Verborgenen
Wer meint, dass Rassismus heute keinen Platz mehr in der öffentlichen Debatte hat, irrt: Fernseh-Formate wie "Real Cool Runnings" enthalten nach wie vor problematische Inhalte.
Wer meint, dass Rassismus heute keinen Platz mehr in der öffentlichen Debatte hat, irrt: Fernseh-Formate wie "Real Cool Runnings" enthalten nach wie vor problematische Inhalte.
Eine deutsche Eisschnellläuferin reist nach Kenia, um dort bei einem Casting vier Kandidaten zu finden, die sie binnen zehn Wochen für einen Eislaufmarathon fit machen kann. Schnell sind die passenden Sportler gefunden und werden nach Deutschland eingeflogen, wo ihnen zu ihrer Überraschung bereits am Münchner Flughafen dicke Winterjacken überreicht werden. Auch die wichtigsten Vokabel zur Verständigung hierzulande werden schnell vermittelt: "This is a Breze", erklärt der deutsche Co-Trainer. Bei ihren bayrischen Gastfamilien angekommen, inspizieren die Sportler nicht nur die scheinbar luxuriösen Zimmer, sondern vielmehr die für sie unbekannten Geräte: Ein Fön und ein Bidet. Ein gefundenes Fressen für die Produzenten, die sich auf Szenarien dieser Art stürzen, um sie mit einer Melodie zu unterlegen, die die Ahnungslosigkeit und Unbeholfenheit der Darsteller unterstreicht. Die Rede ist von der Serie "The Real Cool Runnings", die in Deutschland bereits mit Rassismusvorwürfen seitens der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) konfrontiert wurde.
Objekte der Unterhaltungsindustrie
"Durch unbegründeten Humor wird sich über eine Gruppe von Menschen lustig gemacht, die keinen Kommentator hat, um uns ihre Anschauungsweise näher zu bringen. Das 'schwarze Objekt' ist eben wieder einmal Objekt und nicht Subjekt und hat nichts zu sagen, außer dem, was wir hören wollen", erklärt Lioba Hirsch von der ISD. Zynische Kommentare wie etwa "Nur der Umgang mit Messer und Gabel ist noch ungewohnt", während sich die vier Männer mit unbekannten Gerichten vertraut machen, gefolgt von der deutschen Gastgeberin, die ihnen das Besteck wieder aus der Hand nimmt, um anschließend zu erklären, dass sie mit der Hand essen dürften, verdeutlichen die Sichtweise der ISD.
Während die deutsche Privatsendeanstalt darauf verweist, dass die Zuseher durch den "kenianischen Blick auf die deutschen Lebensgewohnheiten" vieles über sich selbst lernen könnten, empfindet auch die österreichische Organisation für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA) die Sendung als höchst problematisch: "Im Gegensatz zu anderen Casting-Shows werden die Gewinner nicht als Stars, sondern eher dümmlich dargestellt. Die Sendung präsentiert Klischees und Stereotype darüber, dass in Kenia alles scheinbar unterentwickelt sein soll und wir in der 'ersten Welt' hingegen besonders fortschrittlich sind", analysiert die Geschäftsführerin Claudia Schäfer.
Diese Ansicht bestätigt auch Kulturwissenschaftler Klaus Rieser von der Uni Graz: "Dinge am 'falschen' Ort sind kulturell verstörend, hier werden sie aber großteils als Witz dargestellt und so verharmlost", meint er. Auch die Idee, dass schwarze Menschen als "Rohmaterial, aus denen Europäer etwas machen", präsentiert werden, sei deutlich.
Eine wesentliche Erscheinungsform von Rassismus im TV ist die schlichte Vernachlässigung der Tatsache, dass das Publikum nicht nur aus weißen Menschen besteht. "In öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ist leider immer noch ein großes Unwissen um die Wirkung rassistischer und diskriminierender Darstellungsformen schwarzer Menschen zu verzeichnen", weiß Tahir Della von der ISD. So erhitzte beispielsweise die Dezember-Ausgabe der Unterhaltungssendung "Wetten, dass... "? viele Gemüter, als Moderator Markus Lanz die Augsburger bei der Saalwette dazu aufforderte, als Jim Knopf verkleidet zu erscheinen. "Jim soll natürlich geschminkt sein, Schuhcreme, Kohle, was auch immer", ergänzte er. Was die Produzenten der Sendung als harmlosen Spaß konzipiert hatten, wurde schnell zur Anstiftung zum "Blackfacing", einer rassistischen Praxis, die Ende des 19. Jahrhunderts in den US-amerikanischen "Minstrel Shows" angewandt wurde, um schwarze Bürger zu diskriminieren.
Die weiße Perspektive
Laut Claudia Schäfer von ZARA spiegle dieser Vorfall auch die Situation der österreichischen Sendeanstalten wieder: "Es zeigt, dass nicht darauf geachtet wird, dass auch Menschen anderer Hautfarbe im Fernsehen vorkommen können. Bei "Wetten, dass ?" wäre es die Lösung gewesen, dass man, wenn man eine schwarze Person zeigen will, auch versuchen muss, eine schwarze Person einzusetzen".
Wie schmal der Grat zwischen gut gemeinter Kritik und Rassismus ist, zeigt die Satire. Nicht selten entwickelt eine intendierte Rüge diskriminierende Auswüchse und verfehlt so den Grundgedanken des Formates: "Rassistische Sketche tragen dazu bei, Stereotypisierungen weiter zu verbreiten, zu verfestigen und bestehende Machtverhältnisse aufrecht zu erhalten. Es ist nicht möglich, konstruktive Kritik an Rassismus zu üben oder antirassistische Arbeit zu leisten, wenn dabei die Betroffenen beleidigt oder denunziert werden", sagt Julius Frank.
Obwohl die Sensibilität der Österreicher gegenüber Rassismus laut ZARA klar gestiegen ist, gelte es weiterhin, verdeckte Diskriminierungen im TV aufzuarbeiten. Formate wie die ORF-Sendung "Heimat fremde Heimat", bei der Redakteure mit Migrationshintergrund laut Schäfer "auf die eigene Geschichte reduziert werden und auf ihrer Biografie verharren müssen", wären nicht der richtige Ansatz. "Bei dieser Sendung hat man das Gefühl, dass sie nach dem Motto 'Wie können wir den Tatbestand, dass es in Österreich anerkannte Volksgruppen gibt, in eine Sendung packen?' funktioniert". Als Knackpunkt sieht Schäfer eine kulturell vielfältige Medienbranche: "Eine diverse Belegschaft hilft sicher beim Kampf gegen Rassismus, weil es die Sensibilität untereinander erhöht und zeigt, wie breit unsere Gesellschaft in Wirklichkeit ist".
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