Die Hoffnung auf die Trägheit

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Vertreter der Automobilindustrie meinen, dass sich ein möglicher Ausstieg der USA aus dem NAFTA sehr lange hinziehen würde -bis in den nächsten US-Wahlkampf.

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Vertreter der Automobilindustrie meinen, dass sich ein möglicher Ausstieg der USA aus dem NAFTA sehr lange hinziehen würde -bis in den nächsten US-Wahlkampf.

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Die Kfz-Fertigung ist für Mexiko zu einem Herzstück seiner Wirtschaft geworden. Als NAFTA 1994 in Kraft trat, trug die Automobilindustrie gerade einmal 1,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. 2015 registrierte das mexikanische Statistikinstitut bereits 3,4 Prozent aus diesem Sektor. Eindrucksvoller lesen sich die Zahlen der Beschäftigung. Ende 2015 waren 875.382 Personen direkt in der Automobilindustrie angestellt. Zehn Prozent davon in der Herstellung von Pkw und Lkw, 90 Prozent in der Produktion von Autoteilen. Von der gesamten Industrieproduktion entfällt ein Anteil von 18,3 Prozent auf diesen Sektor und was die Beschäftigung betrifft, sind es 14,4 Prozent.

Mexiko ist binnen zweier Jahrzehnte zum siebtgrößten Autoproduzenten aufgestiegen, zum größten in Lateinamerika. Da 80 Prozent ins Ausland verkauft werden, ist das Land der viertgrößte Exporteur (nach Deutschland, Japan und Südkorea). Nach Daten der Mexikanischen Automobilindustrievereinigung gingen im ersten Quartal 2015 mehr als 70 Prozent davon in die USA. Damit hat Mexiko Japan als zweitwichtigsten Lieferanten der USA verdrängt. Rang eins bekleidet immer noch Kanada. Nicht weniger als neun von elf neuen Produktionsstätten, die seit 2011 auf dem amerikanischen Kontinent gebaut oder geplant wurden, stehen oder entstehen in Mexiko. Als die Krise 2007/2008 in den USA fast die Hälfte und in Kanada 42 Prozent der Arbeitsplätze in der Autoindustrie vernichtete, kam Mexiko mit Verlusten von nur 24 Prozent vergleichsweise glimpflich davon. Soweit die statistischen Daten.

Steigerungen in Mexiko

Aber während die USA und Kanada gerade wieder das Vorkrisenniveau erreichen konnten, hat Mexiko seine Kapazität um fast zwei Drittel und die Beschäftigung um 50 Prozent steigern können. Trotz des Strukturwandels bleiben die USA mit zwölf Millionen Stück jährlich der hinter China zweitgrößte Produzent von Autos. Mexiko erzeugt nur vier Millionen.

Allerdings, so wendet Christof Parnreiter von der Universität Hamburg, ein, wären die US-Autokonzerne -allen voran die Big Three Ford, General Motors und Chrysler -längst nicht mehr konkurrenzfähig, wenn sie nicht Teile der Produktion nach Mexiko ausgelagert hätten. Bei gleicher Produktivität liege das Lohnverhältnis bei 1:6. "Bestimmte Modelle wären unverkäuflich weil zu teuer", sagt Parnreiter. Der Verkaufshit Fiat 500, der in Toluca hergestellt wird, würde bei Produktion in den USA keinen Profit abwerfen.

Deshalb zeigt sich auch die Industrie angesichts der Drohgebärden von Trump relativ gelassen. Dietmar Schäfer, der Vorsitzende der ARGE Automotive Zulieferindustrie in Österreich, findet, man nehme den Mann zu wichtig. "Ich bin sehr stark dafür, dass man einem Menschen, der Lateinamerika auf Mexiko reduziert, nicht allzu viel audience gibt".

NAFTA hält Schäfer für die Erfolgsstory schlechthin. Dass man nach fast einem Vierteljahrhundert nachbessern müsse, liege in der Natur der Sache. Sollte Trump aber NAFTA tatsächlich aufkündigen, so habe man sechs Monate Zeit zum Neuverhandeln. Wenn sich keine Lösung findet, werde nach den Spielregeln der Welthandelsorganisation WTO gespielt - Zollfreiheit und andere Vorteile wären weg.

Theoretisch könnten die USA aus der WTO austreten, doch das hält Schäfer für unwahrscheinlich. Sein Unternehmen hat in Mexiko investiert. Es beliefert die Autoindustrie mit Airbags. In den USA gebe es keine Produktion von Airbags. Selbst wenn Trump Ernst machen sollte: "All das umzustellen, dauert Zeit", beruhigt Schäfer: "In drei Jahren haben wir wieder Campaign in den USA. Das ist ein halber Produktlebenszyklus." In den kommenden Jahren werde sich daher nichts ändern..

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