Die "Karriere nach innen" gewählt

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Vor 100 Jahren kamen sieben junge Salvatorianerinnen als Pflegerinnen nach Wien-Josefstadt. Heute sind die Schwestern von Krankenpflege bis zu geistlicher Begleitung tätig - und versuchen Wohn- und Arbeitsgemeinschaften mit den männlichen Salvatorianern.

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Vor 100 Jahren kamen sieben junge Salvatorianerinnen als Pflegerinnen nach Wien-Josefstadt. Heute sind die Schwestern von Krankenpflege bis zu geistlicher Begleitung tätig - und versuchen Wohn- und Arbeitsgemeinschaften mit den männlichen Salvatorianern.

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In unserer Welt wird ein Auto besser geschützt als das menschliche Leben." Dies diagnostizierte der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner am 24. November beim Festvortrag zum 100-Jahr-Jubiläums der Salvatorianerinnen in Österreich: "Diejenigen, die Panzer und Computerchips produzieren, verdienen um ein Vielfaches mehr als Menschen, die in lebensdienlichen Berufen wie Kindererziehung oder Gesundheitspflege tätig sind." Um so wichtiger sei es, daß es eine Gemeinschaft wie die Salvatorianerinnen gibt, in der Frauen zusammengefunden haben, die "das Lebensdienliche" und "die Karriere nach innen" gewählt haben.

Salvare - Heilen "Eigentlich war es Absicht unseres Gründers, Johann Baptist Jordan, eine Gemeinschaft von Laienverkündigern zu gründen", erzählt Schwester Edith Bramberger, die 46jährige Provinzoberin der Salvatorianerinnen: "Es sollten Gemeinschaften von Arbeitern, Journalisten, Akademikern und so weiter sein, die durch ihre Arbeit und Lebensweise das Evangelium verkündigen." Die Idee war aber wegen des damaligen Kirchenrechts nicht durchzuführen. So beugte sich der aus dem Schwarzwald stammende 33jährige Priester den Vorschriften, 1881 gründete er in Rom den Orden der Salvatorianer. Sieben Jahre später entstand der dazugehörige Frauenorden unter Leitung von Therese von Wüllenweber.

Die Ordensbezeichnung lautet übersetzt: Schwestern vom göttlichen Heiland. "In unserem Namen steckt das lateinische salvare, und das bedeutet heilen", so Schwester Edith. Seit 25 Jahren ist die frühere Religionslehrerin und Pastoralassistentin in der Gemeinschaft: "Wir haben drei Zentren in Wien und weitere in Kärnten, Steiermark und Niederösterreich. Mit unserer Arbeit wollen wir die Menschen fördern und ihre Persönlichkeit durch die Beziehung zu Gott entwickeln".

Schwestern der Gemeinschaft sind nicht nur in Krankenhäusern wie zum Beispiel im St. Josef-Krankenhaus im 13. Wiener Gemeindebezirk, als Pflege- und Verwaltungspersonal tätig oder als Erzieherinnen in Kindergärten, sondern auch als geistliche Betreuerinnen für die Patienten und für das Krankenhauspersonal. Es werden von der Gemeinschaft im Rahmen der Erwachsenenbildung in der Erzdiözese Wien auch Selbsterfahrungskurse angeboten. "Die Sehnsucht nach Stille und persönlicher Beziehung zu Gott ist in den letzten Jahren besonders im Westen sehr stark zu spüren", weiß Schwester Maria Schlackl, 47, Leiterin der Kurse. Zu diesen Kursen kommen auch Leute, die in einer Lebenskrise stecken oder auf Grund ihrer persönlichen Lebensgeschichte ein enorm niedriges Selbstwertgefühl haben. "Für mich ist es immer eine Herausforderung, andere Menschen zu ermutigen ihren Weg zu Gott zu suchen und in ihrem Leben unabhängig von materiellen Reichtum Erfüllung zu finden", so Schwester Maria.

Vor 100 Jahren kamen die ersten Salvatorianerinnen nach Wien. Die sieben jungen Frauen wurden als Pflegerinnen im Maria Theresia-Frauen-Hospital in der Josefstadt angestellt. Außerhalb des Spitals nahmen sie Kontakt mit Arbeiterfrauen auf und betreuten sie geistlich. Heute sind 115 Schwestern der Gemeinschaft in Österreich. Weltweit arbeiten 1.300 Salvatorianerinnen als Pflegerinnen, Erzieherinnen und Betreuerinnen. "Es wird auf die Begabungen der Frauen in der Gemeinschaft geachtet", versichert Schwester Maria: Eine der Schwestern entdeckte während einer Krankheit ihr malerisches Talent: Drei Ausstellungen mit ihren Bildern veranstaltete die Gemeinschaft schon.

Schwestern der jüngeren Generation geben auch ihren politischen Interessen Raum und engagieren sich für Organisationen wie "Christen im Not" oder den "Internationalen Versöhnungsbund". "In Brasilien, Sri Lanka oder USA ist das politische Engagement christlicher Gemeinschaften sehr stark", berichtet Schwester Edith. In Europa ist dieses Engagement immer noch im Entstehen: Zwar seien beispielsweise auch Salvatorianerinnen am 12. November unter den Teilnehmern der Antirassismus-Kundgebung am Wiener Stephansplatz gewesen, jedoch sei das ein persönliches Engagement und nicht Engagement der Gemeinschaft. "Unsere Ordensleitung unterstützt solche Aktionen", betont die Provinzoberin, "und erteilte uns sogar den Auftrag, unsere Arbeit auch im politischen Bereich auszuweiten".

Die Salvatorianerinnen leben in kleinen Wohngemeinschaften von fünf bis zehn Schwestern. "So können wir einen besseren Kontakt zueinander aufbauen", meint Schwester Maria. Regelmäßige Treffen und gemeinsame Feste ermöglichen den Salvatorianerinnen nicht nur österreichweit ihre Erfahrungen auszutauschen, sondern über die Arbeit ihrer Mitschwestern in Kongo, Rumänien und Syrien zu erfahren.

Gemischte Häuser In den letzten Jahren entwickelte sich die Zusammenarbeit zwischen den Salvatorianerinnen und ihren männlichen "Kollegen", den Salvatorianern besonders gut. Es wurde sogar das Experiment einer "Wohngemeinschaft von Brüdern und Schwestern" gewagt. "In Österreich ist das die einzige derartige Kommunität", sagt der Provinzial der Salvatorianer, Pater Erhard Rauch, 49. In Gurk (Kärnten) leiten zwei Schwestern und vier Patres ein Gästehaus, in dem Besinnungstage vor allem für junge Leute angeboten werden. "Die Schwestern und der Brüder sind in dieser Gemeinschaft völlig gleichberechtigt", versichert Pater Erhard. Es sei nicht wie in anderen Gemeinschaften, in denen sich die Schwestern nur um den Haushalt der Brüder kümmern dürfen.

In Margarethen am Moos (Niederösterreich) bieten eine Schwester und ein Pater Seminare zu Gotteserfahrung durch Musik und Körperübungen an. Drei weitere gemischte Teams leiten Besinnungstage in Häusern der Gemeinschaft. "Wir wollen weitere gemischte Gemeinschaften aufbauen", sagt Pater Erhard weiter. "Aber wir sollten diese zuerst ökonomisch absichern". In der Kirche sei die persönliche Betreuung als Arbeit immer noch wenig geschätzt, deswegen auch nicht gerne finanziert: "Die Kirche bezahlt lieber einen Kaplan als geistliche Betreuer".

Vor 30 Jahren wurde die ursprüngliche Idee des Gründers des Ordens von einer Laiengemeinschaft wieder belebt. Heute gibt es fünf Laiengruppen in der Erzdiözese Wien, welche die Spiritualität der Salvatorianer und Salvatorianerinnen in ihrem Alltag und durch ihre Arbeit leben. Jede Gruppe wird von einer Schwester oder einem Bruder begleitet.

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