Die Kirche ist heilig, sie ist aber auch der Reinigung bedürftig

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Zu Recht nimmt sich daher die Kirche, während sich das zweite christliche Jahrtausend seinem Ende zuneigt, mit stärkerer Bewußtheit der Schuld ihrer Söhne und Töchter an, eingedenk aller jener Vorkommnisse im Laufe der Geschichte, wo diese sich vom Geist Christi und seines Evangeliums dadurch entfernt haben, daß sie der Welt statt eines an den Werten des Glaubens inspirierten Lebenszeugnisses den Anblick von Denk- und Handlungsweisen boten, die geradezu Formen eines Gegenzeugnisses und Skandals darstellten.

Obwohl die Kirche durch ihre Inkorporation in Christus heilig ist, wird sie nicht müde, Buße zu tun, sie anerkennt immer, vor Gott und vor den Menschen, die Sünder als ihre Söhne." (Tertio Millennio Adveniente 33) Diese Worte Johannes Pauls II. zeigen, daß sich die Kirche von den Sünden ihrer Glieder selbst betroffen weiß. Die Kirche ist heilig, insofern sie vom Vater durch die Vermittlung des Kreuzesopfers des Sohnes in Heiligkeit konstitutiert wurde. Sie ist darum nicht ein menschliches Werk, sondern die Gabe des Heiligen Geistes an die Menschen.

Doch in einem gewissen Sinn ist diese Kirche auch Sünderin, insofern sie real die Sünden derer, die sie wie eine Mutter in der Taufe als ihre Kinder geboren hat, auf sich nimmt, ähnlich wie Christus, der selbst ohne Sünden war, die Sünden der Welt, das heißt derer getragen hat, die durch Glaube und Taufe zu Gliedern seines Leibes, der Kirche, werden sollten (vgl. Röm 8,3; 2Kor 5,21; Gal 3,13; 1Petr. 2,24).

Es begegnet uns im Tiefenbewußtsein der Kirche in ihrem Gang durch die Geschichte die Überzeugung, daß die Kirche nicht einfach die Gemeinschaft der Heiligen und Prädestinierten ist, sondern daß sie in ihrem Schoß sowohl Gerechte als auch Sünder umfaßt. Dies gilt für ihre Vergangenheit wie für ihre Gegenwart. Denn aus ihrer Herkunft und Sendung ergibt sich ihre die Zeiten übergreifende Einheit als Wesenszug ihre Mysteriums.

In der Gnade und auch in den Wunden, die ihr durch die Sünde ihrer Glieder zugefügt wurden, sind sich die Getauften von gestern und heute nahe und verbunden. Darum kann man sagen: Die Kirche, die in Christus und im Heiligen Geist geeint ist und darum eine einzige und selbige Gemeinschaft in Raum und Zeit der Menschheitsgeschichte dargestellt, ist in Wahrheit "zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig" (Lumen gentium 8).

Auszug aus "Erinnern und versöhnen", dem von der Internationalen Theologischen Kommission aus Anlaß der Vergebungsbitte erstellten Grundlagendokument.

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