Intimität - © Foto: iStock / Vanessa Nunes

Die Kirche muss lernen, neu über Sex zu sprechen

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Die Kirche spricht bei ihrer Lehre gerne vom „gelingenden Leben“. Über welche Deutungsangebote verfügt sie aber, wenn wenn Dinge nicht aufgehen, wenn sich Grenzen und Bruchstellen zeigen, wenn Menschen stolpern, sich korrigieren, neu beginnen müssen?

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Die Kirche spricht bei ihrer Lehre gerne vom „gelingenden Leben“. Über welche Deutungsangebote verfügt sie aber, wenn wenn Dinge nicht aufgehen, wenn sich Grenzen und Bruchstellen zeigen, wenn Menschen stolpern, sich korrigieren, neu beginnen müssen?

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Wo ist die katholische Kirche bei „emotionalen Achterbahnfahrten“ der Menschen - etwa wenn es um Liebe, Sex und Beziehungen geht?, - fragten indirekt schon die beiden Familiensynoden 2014/15. Das ist mittlerweile schon wieder zehn Jahre her. Das Nachsynodale Schreiben „Amoris laetitia“ (2016), das eine „kalte Schreibtisch-Moral“ beklagte, ist das umstrittenste, innerkirchlich teils bis heute unter Häresieverdacht gestellte päpstliche Dokument seit Humanae vitae. Daniel Bogner, in Fribourg (Schweiz) lehrender Professor für Theologische Ethik, hält die katholische Sexualmoral „für überholt und dringend reformbedürftig“. Überfällig sei es, anders darüber zu reden als „vermeintlich allwissend und letztlich bevormundend“: „Mir geht es grundsätzlich um eine neue Umgangsweise mit dem Bereich Sex, Begehren und Zärtlichkeit. Daraus könnte eine Kultur innerhalb der Kirchen werden, die bisher noch nicht selbstverständlich ist.“ Wie umstritten etwa die Segnung gleichgeschlechtlich Liebender innerhalb der katholischen Kirche ist, zeigten nicht zuletzt die heftigen Debatten um die Erklärung Fiducia supplicans der vatikanischen Glaubensbehörde.

Das ist ein „Lernweg“ – für beide Seiten: diejenigen, die Liebe und Sexualität als „Verheißung und Versprechen“, Treue und Verlässlichkeit leben wollen; und diejenigen, die an die Lehre der Kirche erinnern. Denn sie müssen „vorherrschende Arrangements der Moral“ auf ihre Lebenstauglichkeit hin befragen lassen, Positionen, die sich als „hilflos und ungeeignet“ erwiesen haben, möglicherweise aufgeben. „Mit spitzen Fingern“, stellt Bogner fest, fasse die Kirche bisher an, „was Menschen existenziell durchleben müssen. Indem sie an Idealen festhält, vernachlässigt sie jene Situationen, in denen Ideale nicht aufgehen.“ Liebe als „eine Form von Praxis, von tätigem Leben“ braucht eine „Kompetenz in die Lebensführung“ und hat mehr mit „Grundhaltungen“ zu tun als mit „Grundregeln“.

Über Sex reden

Auch wenn er als Heranwachsender keine „toxischen“ Botschaften erlebt hat – an „klingendes Schweigen“ erinnert er sich: „Die Unvertrautheit, dieses Künstlich-Gestellte, dass man, wenn schon, eher abstrakt-befangen von der Sexualität als einfach vom Sex redete, zählte hierzu.“ Für Bogner zählt: „Für mich ist eine Neugier leitend – danach, wie sich in Liebe und liebendem Begehren Spuren eines geglückten Menschseins finden lassen; eine Neugier danach, wie wir besser damit umgehen können, dass das Lieben oft so schwierig ist und wir den Eindruck haben, damit zu scheitern.“ Seine Motivation: „Ich möchte keine neue Lehre vorlegen und ich argumentiere auch nicht in erster Linie dafür, eine überlieferte religiöse Tradition zu retten. Mein Ausgangspunkt ist das, was so viele Menschen erleben: Wir sehnen uns danach zu lieben, wir wollen unsere Liebe oftmals in einer dauerhaften Beziehung leben und wir empfinden Sexualität als eine, vielleicht als die wichtigste Sprache solcher Liebe.

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