Die Kirche und ihre (Stadt-)Mission

Werbung
Werbung
Werbung

Stadtmission II: Vom 23. bis 31. Mai sollen in der Wiener Innenstadt und in vielen Pfarren der Stadt die "Türen für Christus" geöffnet werden. Eine "missionarische Offensive"(© P. M. Zulehner), die auf Eventkultur setzt und auf Nachhaltigkeit hofft.

Öffnet die Türen für Christus" lautet das Motto des ersten "Internationalen Kongresses für eine Neue Evangelisation" (ICNE). Mit einer Menschenkette um den Stephansdom und einem gemeinsamen Gebet sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 23. Mai, dem Eröffnungsabend, ein "Zeichen der Verbundenheit setzen". Das "Aggiornamento" des Zweiten Vatikanums aufgreifen will der eröffnende Dialogvortrag des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn und des Pastoraltheologen Paul Michael Zulehner "Christus am Puls der Zeit" am 24. Mai im Stephansdom.

Der Dom ist - bis zum 31. Mai - jeden Vormittag der Kongress-Ort zu den Themen: Menschen der Großstadt, Familie, Mein Nächster, Politik und Gesellschaft, Jugend, Kunst/Kultur, Tag der Mission, Zukunft der Evangelisation und Sendung zur Mission. Was an den Vormittagen und in Workshops rund um den Stephansdom theoretisch entwickelt wird, soll an den Nachmittagen und Abenden in die Praxis umgesetzt werden. Entsprechend bunt und unterschiedlich sehen die Aktivitäten, Bezeichnungen und Aktionsformen der Stadtmission aus: Da talken zum Beispiel Kardinäle, Politiker und andere Prominente zusammen mit bekannten TV-Moderatorinnen wie Arabella Kiesbauer oder Barbara Stöckl öffentlich in Wiener Kaffeehäusern "über Gott und die Welt", rappende und rockende Priester oder Stars wie Paddy Kelly sollen mit ihrer Musik dem Stephansplatz kräftig einheizen, Katechesen, "Key Points" und Kleingruppen sollen die Menschen zu Gebet und Glaubensgesprächen in Kirchen motivieren. In zahlreichen Wiener Pfarren finden dezentral weitere Veranstaltungen zur "Stadtmission" statt.

Theologisches Für und Wider

"Nach 30 Jahren Gottesfasten ist jetzt ein neuer Gotteshunger aufgetaucht", analysiert Religionssoziologe Zulehner und zeigt sich überzeugt, dass die Stadtmissionare sich dieses neuen Gotteshungers in der Bevölkerung annehmen können. Denn ein Unternehmen ohne "Mission" habe sich "selbst schon aufgegeben".

Der Münchener Missionsexperte und Kapuzinerpater Othmar Noggler kritisiert im Gespräch mit der Furche hingegen diese neue Auslegung des historisch belasteten Missionsbegriffs: Sie verführe dazu, das "Wohl der Institution, nicht das der Kunden" in den Vordergrund zu stellen, wenngleich deren Erwartungen "auf die Angebotspalette erheblichen Einfluss" hätten. Weniger "missionarische Tätigkeit", sondern "engagierte absichtsfreie Entwicklungshilfe" habe der Kirche Ansehen und Einfluss gebracht. Ob die Stadtmission auf die heutigen Menschen und ihren Gotteshunger - wenn er denn vorhanden sei - eingehen könne, komme, so Noggle, aber auf den Versuch an.

Zulehner entdeckt dagegen Kommunikationsschwierigkeiten unter den "vielen Kräften, die sich engagieren wollen". Die Unterschiede lägen nicht in den Zielen selbst, sondern in der Art und Weise, sie zu erstreben und anzusteuern. Die unterschiedlichen Gruppen spiegelten faktisch auch unterschiedliche Bedürfnisse in der Bevölkerung wieder. Man solle miteinander Synergien suchen statt gegeneinander zu streiten. Um das zu beschreiben verwendet Zulehner den Begriff "missionarische Offensive". Der kirchliche Auftrag sei nicht freigestellt: "Wir müssen das nach den Jahren der Schweigespirale riskieren", ist sich der Pastoraltheologe sicher. "Viele Pfarrgemeinden sind sich der Notwendigkeit der Reform bewusst, beginnen neue Wege zu gehen", ergänzt Zulehners Assistentin Regina Polak. Das vielfältige Engagement der Pfarrgemeinden werde oft nicht sichtbar, dürfte ruhig einmal explizit gewürdigt werden, wünscht sich die Leiterin des laufenden Seminars zum Thema Stadtmission, das das Institut für Pastoraltheologie an der Katholisch-theologischen Fakultät anbietet.

Für Zulehners Kollegen Richard Hartmann, Pastoraltheologe in Fulda, scheint das Programm für Wien wirklich "problemoffen" zu sein. "Wie auch anderswo bei Weltjugendtagen, Kirchentagen oder Wallfahrten" sieht er in der Stadtmission aber eine religiöse Eventkultur verankert, die auch Fragen aufwerfe: Kirche, so Hartmann, dürfe nicht als "lenkbare Masse" definiert werden, zum Großereignis brauche es eine "geförderte Kommunikation", um nicht in eine "Luxus-Null-Fehler-Linie" der kommerziellen Events einzustimmen. "Werden nicht allzu oft die, die in den Events Feuer gefangen haben, vor Ort und auf Dauer mit einer kalten Dusche der Kirche vor Ort erwischt? Und Holz, das einmal gelodert hat und dann gelöscht wurde, brennt nur nach langer Trockenzeit wieder", befürchtet Hartmann.

Praktisches Engagement

"Wenn die Türen für Christus geöffnet werden, ist Mission eigentlich ganz unkompliziert", findet Otto Neubauer, Leiter der Evangelisationsakademie der charismatischen Gemeinschaft Emmanuel. Diese koordiniert die Stadtmission in vier Metropolen in Europa: auf das Pilotprojekt in Wien folgen Paris, Lissabon und Brüssel. "Die Kirche ist nicht unbedingt das Gebäude, wo alle sofort hineinlaufen", stellt Neubauer fest. Es brauche "einen Weg oder eine Brücke" zur Kirche. Oft sei es "das Einfachste vom Einfachen", wenn man "die Türen einladend öffnet", beschreibt er die Missionsmethode. Man solle aber die Menschen "nicht gleich mit einer Bibel überrumpeln": "Mit der Wahrheit kann man auch andere verletzen, wenn man sie überfordert", stimmt Neubauer den Kritikern zu offensiver Missionsmethoden zu.

Für Martin Wiesauer, Generalsekretär der Wiener Katholischen Aktion (KA-Wien) und mit Neubauer Hauptorganisator der Stadtmission, haben gerade die Laien den Auftrag, Gesellschaft mitzugestalten: "Wir wollen uns nicht darauf reduzieren lassen, nur Frömmigkeit und Kirche in Gotteshäusern zu leben und zu praktizieren, sondern wollen aus einem engagierten Christsein auch zur Tat und zur Handlung schreiten", grenzt sich Wiesauer von Auffassungen ab, "nur religiöse Inhalte auf nicht gestellte Fragen" anzubieten. "Gebet und Meditation sind wichtig. Um gehen zu können, braucht es ein zweites Standbein, nämlich gesellschaftspolitisch aktiv zu sein. Sonst ist das eine statische Geschichte, die auch umgeblasen werden kann", betont Wiesauer. Doch der KA-Wien-Generalsekretär ist sich bewusst, dass das, was zwischen dem 24. und 31. Mai geschieht, weiterwirken muss: Es gelte, so Wiesauer, "aus dem Feuerwerk der Einmaligkeit" die gute Erinnerung und die Nachhaltigkeit zu sichern.

Informationen: www.stadtmission.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung