Jahrzehntelang bemühten sich evangelische und katholische Theologie um eine Verständigung über die Rechtfertigungslehre, einst Hauptfeld der Auseinandersetzung, mit gutem Erfolg. Wenigstens an diesem einen Punkt sollte es dann zu einer offiziellen und lehramtlich gültigen Konsensformulierung kommen, zu einer "Gemeinsamen Erklärung über die Rechtfertigungslehre" zwischen der katholischen und den lutherischen Kirchen. Das Gemeinsame wurde ausgedrückt, die verbleibenden Unterschiede wurden benannt, aber nicht als grundsätzlich trennend bezeichnet. In der Schlußphase wurden noch weitere Wünsche der Glaubenskongregation eingearbeitet. Konsenssuche war maßgebend, nicht unbedingt präzise Rede. Alles deutete auf ein Gelingen. Proteste deutscher Theologieprofessoren waren, global gesehen, provinziell. Die lutherischen Kirchen rezipierten die Erklärung mit übergroßer Mehrheit. Da erfolgte völlig unerwartet von Rom ein dezidiertes Nein. Höflich, als ein modifiziertes Ja maskiert. "Ein wichtiges Dokument, ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber ...". Die Lehrverurteilungen von Trient werden nicht aufgehoben, in einem Fall ausdrücklich bekräftigt. Keine Rede davon, daß es zu einer gemeinsamen Unterzeichnung eines Dokumentes kommt, das im Lichte bleibender Lehrverurteilung zu lesen ist!
Warum? Hat Rom Angst vor den Konsequenzen? Denkt nach wie vor Rom nicht im entferntesten daran, sich ökumenisch zu bewegen und von einmal gefaßten Urteilen abzurücken?
Oder ist es so, daß das ganze Unternehmen von Anfang an falsch gelaufen ist, weil Kompromisse über die alten Lehrdifferenzen nicht getroffen werden können, weil sie zu statisch sind, weil sie primär dem Denken einer anderen Zeit verhaftet sind, das mit dem gegenwärtigen Denken nicht auf einen Nenner gebracht werden kann?
Jedenfalls ist die sogenannte "Konsens-Ökumene" jetzt einmal auf Dauer erledigt. Es wird Zeit brauchen, bis evangelische Kirchen sich wieder auf so ein Abenteuer einlassen werden, wenn überhaupt.
Die Ökumene wird weitergehen. Aber jenseits der traditionellen Lehren und Kirchen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!