Die Kraft der Berührung

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Der Jesuitenpater Georg Sporschill erzählt von seinem "Leben mit Hoffnungskindern".

Georg Sporschill hat sein Leben den Ärmsten der Armen verschrieben. In den 1980er Jahren rief der 1946 in Vorarlberg geborene Jesuitenpater Organisationen für Obdachlose wie den "Canisibus" ins Leben. Sein Einsatz für die Straßenkinder in Österreich, Rumänien, der Republik Moldau, der Ukraine und neuestens in Bulgarien in Form der Organisation "Concordia" wurde vielfach ausgezeichnet. 2004 wurde Pater Sporschill zum Österreicher des Jahres gewählt und erhielt das Ehrenzeichen der Republik Österreich. Sporschill war zuletzt Gast bei der gemeinsam mit der Furche veranstalteten Reihe "Forum Sacré Cœur" am gleichnamigen Wiener Gymnasium und stellte sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler.

Welche Hindernisse mussten Sie anfangs überwinden?

P. Georg Sporschill: 1982 gab mir der damalige Caritaschef Prälat Ungar die Schlüssel zum Jugendhaus der Caritas im 8. Bezirk. Ich sollte mit den Jugendlichen, die aus Gefängnissen oder von der Straße kamen, arbeiten. Allerdings protestierten Politiker, die Nachbarpfarre, das Dekanat und viele weitere dagegen. Alle unterstützten zwar die Idee, doch nicht die Wahl des Bezirkes. "Nicht bei uns" hieß die Devise. Die Rettung kam von Pater Taler, als er mich mitsamt der Jugend am Gründonnerstag zur Fußwaschung einlud. Das öffnete den anderen die Augen. Am Ende hat man immer mehr Freunde als Feinde.

Sie klingen sehr positiv. Hat es nie einen Punkt gegeben, an dem es Ihnen zu viel geworden ist? Wenn ja, wo haben Sie die Kraft gefunden weiterzumachen?

Sporschill: Mir ist es oft so ergangen, doch habe ich einen Trick gefunden. Ich bin Priester geworden, dabei sollte ich eigentlich Manager genannt werden, da ich ständig am Organisieren bin. Das drückt mich nieder. Doch wenn ich traurig oder müde bin, lege ich mich nicht ins Bett, sondern besuche Obdachlose und Bahnhofskinder. Wenn sie mich berühren, kommt meine alte Kraft wieder. Auch die Kinder bringen mich viel zum Beten und machen mich fromm. Wer nahe bei den Menschen ist, kann kein Burnout verspüren.

Wie können Jugendliche in Österreich konkret helfen?

Sporschill: Fangt damit an, dass es in eurer Klasse keinen Einsamen gibt, schenkt jedem Freundschaft. Gleichaltrige sind nämlich die größte Stütze, zumal man sich ihnen am besten anvertrauen kann. Wenn ihr selber nicht mehr weiter wisst, können Ältere einschreiten, doch die ersten seid ihr, die jungen Leute. Ich habe als Jugendseelsorger miterlebt, wie ein 16-Jähriger Selbstmord begangen hat. Alle Betroffenen meinten nur: "Wenn wir gewusst hätten, dass er so einsam ist, hätten wir etwas getan!" Es liegt an jedem Einzelnen, so etwas zu verhindern. Freundet euch nicht nur mit jemandem an, weil er klug, toll oder schön ist, sondern weil er euch braucht. Wenn jeder einen Menschen rettet, gibt es keine Probleme.

Wie kommt es, dass die Kinder in Rumänien religiöser sind als bei uns?

Sporschill: Jesus war ein toller Psychologe und sagte, dass leichter ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher glücklich wird. Denn der Umgang mit Wohlstand ist gefährlich. Soziale Verantwortung ist der Schlüssel zum Glück. Ich sehe eine Chance für unsere Gesellschaft, wenn sie anfängt, den Reichtum nicht in sich selber hineinzufressen, sondern vielmehr diesen mit anderen teilt. Helfen und Teilen macht glücklich und ist der Weg, um Hoffnung, Glauben und Geborgenheit bei Gott zu finden.

Wie schenken Sie Kindern, die sich nicht integrieren können oder sich in einem ihrer schwierigsten Momente befinden, neue Hoffnung und Mut weiterzumachen?

Sporschill: Hierzu passt der Spruch "Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her". Die Überraschung ist das Wichtigste. Gott liebt es, uns zu überraschen, und wir müssen das von ihm lernen und an andere weitergeben, denn die Überraschung entfeindet. Wenn z. B. einer im Rausch Fenster zerschmettert und wütend ist und nicht des Hauses verwiesen wird, sondern gebeten wird, einen anderen zur Ruhe zu bringen, vergisst er seine Wut. Die Verblüffung bringt ihn auf andere Gedanken. Es ist ganz einfach: Schenkt jemandem Blumen - und er weiß gar nicht, wo er steht.

Ist Ihre Arbeit als "Hoffnungslehre" oder "Glaubensphilosophie" zu verstehen?

Sporschill: Mein Motto ist: "Ein Leben mit Hoffnungskindern". Glaube, Hoffnung und Liebe sind untrennbar. Das Wundervollste von diesen ist allerdings die Liebe. Wer Liebe verspürt und weitergeben kann, bekommt auch den Glauben und die Hoffnung dazugeschenkt.

Was wäre Ihr Wunsch, wenn Sie nur einen einzigen hätten?

Sporschill: Dass mehr Menschen, insbesondere Jugendliche, ihr ganzes Leben in den Dienst der Armen stellen.

Redaktion: Nicole Krysiuk, Natalie Staniewicz, Sarah Van der Veen.

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