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Die letzten großen Menschheitsfragen

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Sodann l gte Kardinal Köqig /Jen Standpunkt der katholischen Kirche zum Dialog dar. So solle — seiner Meinung nach — der Dialog kein offener oder heimlicher Versuch sein, dem anderen zu beweisen, daß er im Unrecht ist. Anderseits dürfe ein solches Gespräch aber auch nicht gleichgültig bleiben gegenüber der Wahrheit oder sich mit einem allgemeinen Skeptizismus zufrieden geben. Ferner müsse man zu diesem Dialog selbst voll guten Willens zusammenkommen und auch vom guten Willen des Partners überzeugt sein. Schließlich sollte ein solches Gespräch dazu führen, daß man in der religiösen Welt des anderen die gemeinsamen menschlichen Probleme und Aufgaben wiederfindet, mit denen alle Menschen zu ringen hätten.

Unter Zitierung bedeutender nichtchristlicher religiöser Schriften und mit dem Hinweis auf das von der Konzilsmehrheit gutgeheißene Dokument über die Beziehungen zu den nichtchristlichen Glaubensge-

meinschaH eigte. Kardinal König auf, daß den Gläubigen der verschiedenen Religionen nicht nur Leid, Tod und Unwissenheit, sondern auch Sehnsucht nach Gott und nach einer Antwort auf die letzten großen Menschheitsfragen gemeinsam sind. Wenn auch in den einzelnen Religionen die Antworten auf diese Fragen verschieden seien, so stelle die Sehnsucht der Menschen doch eine gemeinsame Basis für einen Dialog dar.

Hierauf skizzierte Kardinal König die göttliche Person Christi, wie sie von der katholischen Kirche gesehen wird, wobei er unter Zitierung der Bergpredigt aufzeigte, daß die Christen jm Geiste des Herrn zu einem Gespräch mit allen Menschen guten Willens bereit sein wollen.

Nach Worten tiefen Bedauerns für die ein schlechtes Beispiel gebende Zerrissenheit und Uneinigkeit der Christenheit und mit dem hoffnungsvollen Hinweis auf die diesbezüglichen Bemühungen des II. Vatikanums, bezeichnete es der Wiener Oberhirte als unheilvoll, das europäische Kleid des Christentums mit der Botschaft Christi selbst zu identifizieren. Die Geschichte des Christentums in Europa zeige, wie groß der Schaden ist, wenn Religion für nationale, politische, wirtschaftliche oder koloniale Zwecke mißbraucht wurde. Daraus sei nur eine „unendlich große Verwirrung” entstanden.

Abschließend zeigte Kardinal König einige Möglichkeiten auf, die sich durch einen Dialog abzeichnen könnten. So sollten sich Indien und die katholische Kirche, die durch den Besuch des Papstes ihre, Wertschätzung für dieses Land zum Ausdruck brachte, in gegenseitiger Hochachtung begegnen. Man sollte versuchen, eine Zusammenarbeit ins Auge zu fassen, welche die Inder in ihrer Liebe zu ihrer Heimat bestärkt und auf dem Gebiet des sozialen Dienstes und der Betonung gemeinsamer geistiger Werte ihren Ausdruck findet. Ferner rief Kardinal König zu einer gemeinsamen Front gegen jene auf, die Feinde jeder Religion sind. Eine Zusammenarbeit der großen Weltreligionen werde nicht nur eine solche mächtige gewaltlose Front ergeben, sondern auch die Hochhaltung der moralischen und geistigen Werte fördern.

Schließlich verwies Kardinal Kö nig einerseits auf die in zivilisatorisch und wirtschaftlich immer mehr einswerdende Welt, anderseits auf die immer größer werdende Gefährdung des Friedens. Hier könnte die Zusammenarbeit der Weltreligionen für den Frieden der Welt, für die Einheit aller Völker größte Dienste erweisen.

Nichtkatholiken und Nichtchristen beim Papst

Am Vormittag des 3. Dezember hatte Paul VI. Gruppen von Nichtkatholiken und Abordnungen nichtchristlicher Religionen empfangen. Vor den nichtkatholischen Christen wies der Papst auf das Konzilsdekret über den Ökumenismus hin, das der Aussöhnung aller Christen in der einen Kirche Christi dienen soll. Er dankte den Nichtkatholiken, daß sie den Papst als im Namen Christi nach Bombay gekommenen Pilger begrüßt haben. Nach seiner Ansprache an die Nichtkatholiken rezitierte der Papst mit ihnen gemeinsam in ihrer Sprache das „Vaterunser”.

Die Vertreter der nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften reprä sentierten fünf Millionen indische Christen. Sie wurden vom Heiligen Vater in den Räumen des erzbischöflichen Palais empfangen. Nach dem Empfang erklärte der anglikanische Bischof von Bombay, Robinson: „Wir wissen, daß der Heilige Vater, wie wir es tun, für die Einheit aller Kirchen betet.”

Die Ansprache an die Repräsentanten nichtcHristlichefS Religionen ;.&9gwn mit ßinenj5iZätat aus dem Heiligen Buch der Hindus, das den Sinn der christlichen Adventserwartung ausdrückt: „Aus der Finsternis führe mich zum Licht, vom Tod zur Unsterblichkeit.” Den Nichtchristen legte der Papst nahe: „Der Mensch muß den Menschen, die Nation muß die Nationen treffen, als Brüder und Schwestern, als Kinder Gottes.” Die alle Menschen umfassende Liebe Gottes bezeichnete der Papst vor den Nichtchristen als Verpflichtung für alle Menschen zu brüderlicher Liebe und Zusammenarbeit. Er sagte wörtlich: „Wir brauchen Frieden und Stabilität in unserer Welt, wir brauchen Nahrung, Kleidung und Behausungen für Millionen, wir brauchen Ehrenhaftigkeit und Frömmigkeit.”

Die Vertreter der nichtchristlichen Religionen repräsentierten 450 Millionen indische Gläubige. Ein mohammedanischer Professor erklärte beim Empfang durch den Papst, man i sei gekommen, den Papst zu ehren | und seinen Segen zu empfangen. : Unter den Repräsentanten der Nichtchristen befand sich auch der I Gandhi-Schüler Apa Saheb Pat- wardham. Der Empfang für die nichtchristlichen Gläubigen war | öffentlich und fand im Theatersaal i einer Schule in der Nachbarschaft I der Kathedrale statt. Papst Paul i wurde zu diesem Empfang vom Wie- i ner Erzbischof Kardinal König be- : gleitet, der am Vortag als Vor- ■ sitzender der Konferenz nichtchrist- i licher Religionen den Dialog zwi- ; sehen der Kirche und den verschie- | denen asiatischen Religionen eröffnet | hatte.

? Die Vertreter der nichtchristlichen Religionen gingen nach der An-

3 spräche des Papstes einzeln zu ihm. Fast alle küßten den Fischerring des Papstes. Den ärmlich gekleideten Gandhi-Schüler hielt der Papst am | längsten bei sich zurück. Zum Ab- | Schluß des Empfanges mußte der I Papst vom erhöhten Podest herab I die Hände schütteln, die sich ihm I entgegenstreckten und ihn nicht los- I lassen wollten. Personen aus der Be- I gleitung des Papstes mußten den I Heiligen Vater festhalten, da er sonst von den begeisterten Empfangsteilnehmern vom Podest hinuntergerissen worden wäre.

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