Sr. Raphaela - © Sophie Huber Lachner

Die letzten Karmelitinnen

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Fast 200 Jahre nach der Gründung des Karmels in Gmunden sind die letzten Schwestern aus dem Konvent ausgezogen. Kurz vor dem Umzug: ein Blick in eine faszinierende, nun verschwundene klösterliche Welt.

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Fast 200 Jahre nach der Gründung des Karmels in Gmunden sind die letzten Schwestern aus dem Konvent ausgezogen. Kurz vor dem Umzug: ein Blick in eine faszinierende, nun verschwundene klösterliche Welt.

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Nach dem Krieg waren es noch knapp dreißig Schwestern, zuletzt waren sie nur mehr zu viert und hochbetagt – zwischen 83 und 90 Jahre alt. Seit über einem halben Jahrhundert lebten Priorin Elisabeth und die Schwestern Raphaela, Gabriela und Annunciata schon im Karmel-Orden in Gmunden. Weitestgehend im Verborgenen, sodass auch viele Gmundner(innen) kaum etwas von den Schwestern wissen.

Das 1828 gegründete Kloster ist in die Jahre gekommen und nicht wirklich barrierefrei. Es war ein kleines Wunder, dass diese Schwesternschaft den Alltag im Kloster bis dato weitestgehend allein gemeistert hat. Jetzt ist der Auszug aber unvermeidlich geworden, und sie haben im März 2023 ihr gewohntes und liebgewonnenes Leben aufgegeben. Kurz vor dem Auszug eröffnet ein Besuch im Gmundner Karmel eine Welt, die karg und faszinierend zugleich ist.

Unsere Gründerin Teresa von Ávila wollte, dass die Schwestern keine schwachen Weiblein sind, sondern stark wie die Männer“, sagt Schwester Gabriela. Für die große Mystikerin, die im 16.Jahrhundert erste Karmel-Frauenklöster gründete, war ein einfaches, zurückgezogenes Leben nach strengsten Regeln entscheidend. Tatsächlich war es gerade die Strenge, erzählt Priorin Elisabeth, die sie als junge Frau an den Karmelitinnen faszinierend fand. So war etwa auch eine vegetarische Ernährung vorgeschrieben. „Jetzt im Alter wird das nicht mehr so heiß gegessen“, ergänzt Schwester Raphaela augenzwinkernd. Sie ist für die Küche zuständig.

Gebet als Hauptaufgabe

Als „beschaulicher“ Orden räumen die Karmelitinnen der Kontemplation sehr viel Zeit ein. Viele „tätige“ Orden meditieren nur mehr eine halbe Stunde, in Gmunden ist es eine Stunde morgens und eine Stunde abends. Der Tag der Karmelitinnen beginnt mit der Laudes um 5.45 Uhr: „15 Minuten Stehen vor Gott in Vertretung für die vielen Menschen, die nicht wollen, nicht können oder keine Zeit haben“, sagt Schwester Gabriela: „Für uns ist das Gebet die Hauptaufgabe.“ Die Mauern sind dick und hoch – die Trennung von der Welt ist hier auch baulich vollzogen. Das soll es den Schwestern leichter machen, sich auf das Wesentliche, auf die Beschauung zu konzentrieren. Eine Art „Schleuse“ im Eingangsbereich erinnert an Zeiten, in denen der Kontakt mit der Außenwelt – etwa die Annahme von Spenden – nur indirekt vonstattenging.

Die Gmundner Schwestern sind auf ihre Weise durchaus mit der Zeit gegangen, und so verwundert es auch nicht, als das Handy der Priorin klingelt (sie hat einen großen Sack Kartoffeln bestellt und klärt nun die Lieferung ab) oder dass die Schwestern im Radio Nachrichten über den Ukraine-Krieg hören. Für Schwester Elisabeth gar nicht abwegig: „Wir müssen schließlich wissen, was die Menschen draußen bewegt.“ So gesehen haben sich die Karmelitinnen der Welt schon ein großes Stück geöffnet. Ursprünglich war es ihnen verboten, das Kloster zu verlassen. Heute muss immer noch ein triftiger Grund vorliegen– ein Arztbesuch etwa. „Eine Runde am See spazieren gehen, das geht natürlich nicht, auch wenn der Traunsee nur wenige Schritte entfernt ist“, sagt Elisabeth und erzählt von einer Schwester, die vor Eintritt ins Kloster noch ein letztes Mal schwimmen ging

Die Schwestern leben von freiwillig gegebenen Spenden und arbeiten auch für den Lebensunterhalt. Früher wurden Kerzen und selbst angebautes Gemüse verkauft, und in der Paramentikwerkstatt waren sie mit der Gestaltung von Messgewändern beschäftigt. Vieles schaffen die Schwestern heute nicht mehr, aber sie versuchen sich immer noch nützlich zu machen. Es gibt eine „Gartenschwester“ und eine „Blumenschwester“, und wieder eine andere füttert jeden Tag zur selben Uhrzeit die geduldig gurrenden Tauben. Jede soll nach ihren Fähigkeiten und Vorlieben tätig sein. „Es ist ganz wichtig, dass wir Freude bei der Arbeit haben“, sagt Raphaela. „Kochen fällt mir immer noch leicht. Kein Vergleich zum Ziegenstall, für den ich früher zuständig war.“ Tatsächlich sind die hochbetagten Frauen mehr und mehr auf Unterstützung angewiesen.

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