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Die Mischehe

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Die Mischehengesetzgebung der katholischen Kirche ist bisher dadurch gekennzeichnet gewesen, daß sie konfessionell gemischte Ehen ablehnte. Seelsorger sind angewiesen gewesen, die Katholiken nach Möglichkeit davon abzuhalten, Nichtkatholiken zu heiraten. Nur wenn der Katholik darauf hinweisen konnte, daß ohnehin für seinen Glauben in seiner künftigen Ehe mit dem Nichtkatholiken keine Gefahr bestehe, erlaubte die kirchliche Gesetzgebung der kirchlichen Verwaltung, eine Dispens auszusprechen.

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Die Mischehengesetzgebung der katholischen Kirche ist bisher dadurch gekennzeichnet gewesen, daß sie konfessionell gemischte Ehen ablehnte. Seelsorger sind angewiesen gewesen, die Katholiken nach Möglichkeit davon abzuhalten, Nichtkatholiken zu heiraten. Nur wenn der Katholik darauf hinweisen konnte, daß ohnehin für seinen Glauben in seiner künftigen Ehe mit dem Nichtkatholiken keine Gefahr bestehe, erlaubte die kirchliche Gesetzgebung der kirchlichen Verwaltung, eine Dispens auszusprechen.

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Wenn nun der Katholik trotzdem eine Mischehe schloß, ohne sich um die kirchliche Gesetzgebung zu kümmern, war er im Regelfall von der Exkommunikation bedroht. Es handelte sich hier freilich um eine relativ leichte Form, die nur dem Bischof zur Lossprechung vorbehalten war. Auch zog man sich die Exkommunikation nicht durch das Eingehen einer Mischehe zu, sondern durch die Trauung durch einen nichtkatholischen Religionsdiener (wenn dieser nicht etwa als Standesbeamter fungierte) und durch die nichtkatholische Kindererziehung. Normalerweise wurde auch von seiner Kirche die Ehe für ungültig gehalten. Das hing freilich nicht direkt mit der Mischehengesetzgebung zusammen, sondern einfach damit, daß alle katholisch Getauften, auch wenn sie aus der katholischen Kirche ausgetreten waren, seit 1907 für formpflichtig gehalten wurden. In diesem letzten Punkt ist die übliche Auffassung zu korrigieren: Mit Ungültigkeit ist die konfessionell gemischte Ehe unter getauften Christen (zum Unterschied von der Ehe mit Ungetauften) nie bedroht gewesen, wurde es aber in der Praxis doch auf dem Umweg über die Formpflicht der Katholiken. Auch in einem zweiten Punkt ist die landläufige Auffassung wohl zu korrigieren : Es wird in der Regel davon gesprochen, daß beim Eingehen einer nach dem katholischen Kirchenrecht geschlossenen Mischehe ein „Revers“ zu unterschreiben sei. Das kirchliche Rechtsbuch kennt eine solche Vorschrift nicht, sondern spricht nur von „Vorsichtsmaßregeln“, die man im allgemeinen wohl auch schriftlich niederlegen wird.

Von welchen „Vorsichtsmaßregeln“ ist dabei die Rede? Im allgemeinen kann man wohl sagen, es handle sich darum, den Glauben des Katholiken zu sichern. Der nichtkatholische Teil mußte versprechen, seinen katholischen Ehepartner in seinem Glauben nicht zu behindern. Dazu gehört hauptsächlich seine Pflicht, 'alle seine Kinder in seiner katholischen Konfession zu erziehen. Dazu kam das Versprechen, weder vor noch nach der katholischen Trauung eine nichtkatholische vollziehen zu lassen. Darin äußert sich die Ansicht, daß es dem Katholiken nicht möglich sein solle, die nichtkatholische kirchliche Gemeinschaft als eine solche anzuerkennen. Was die dritte Bedingung betrifft, die es dem katholischen Teil zur Pflicht macht, „in kluger Weise für die Bekehrung des nichtkatholischen Teils zu sorgen“, so muß im Gegensatz zur verbreiteten Meinung wieder darauf hingewiesen werden, daß es sich hier um nicht mehr handelt, als um die gewöhnliche Pflicht eines jeden Christen, das Beispiel christlichen Lebens dort zu geben, wo sich dazu Gelegenheit ergibt, also hauptsächlich seinem nichtkatholischen Ehepartner gegenüber. Die Instruktion der Glaubenskongregation des Jahres 1966*rachte in diesem Punkt genaugenommen keine Änderung, sondern gab nur Anweisung, wie man das bisher geltende Recht in Anwendung bringen sollte. Ursprünglich als „Motu proprio“ des Papstes konzipiert, wurde sie wohl im letzten Moment auf eine Instruktion der Kongregation umgeschrieben, was noch Spuren hinterließ. Das Entscheidende war, daß nun mit der Möglichkeit der Mischehe nicht mehr nur als gesetzwidrige Ausnahme, sondern als einem, wenn auch nicht erwünschten Regelfall gerechnet wurde. Die Strafandrohung für die Trauung vor einem ndchtkatholisehen Religionadiener wurde rückwirkend aufgehoben. Freilich wurde die Gültigkeit einer nichtkatholischen Trauung nicht zugestanden. Wohl aber wurde mit einer (freilich sehr eingeschränkten) Mitwirkung des nichtkatholischen Religionsdieners (wie er immer noch heißt) gerechnet. Auch wird der Bischof eingeladen, sich an den Apostolischen Stuhl zu wenden, wenn es in diesem Punkt Schwierigkeiten gibt. (Das ist keine Unmöglichkeit, wie man damals glaubte, weil man früher mit viel unwichtigeren Dingen nach Rom gehen mußte.) Es geht also, wenn man die Ehegesetzgebung im ganzen und in ihrer Wirkung (nicht zunächst in ihrer Absicht) nimmt, um drei Dinge: um die Form der Eheschließung, um die Erziehung der Kinder und (damit zusammenhängend) um das Verhalten der Eheleute zueinander.

Theologisch gesehen, ist die Form der Eheschließung kein Problem: Erst auf dem Konzil von Trient wurde (Ohne jeden Seitenblick auf Luther oder Calvin) die Notwendigkeit der Form zur Gültigkeit der Ehe eingeführt. Auch das geschah eher auf Drängen der Fürsten als 'auf Grund einer innerkathdlischen Reformbestrebung, die sogar eher Bedenken hatte, Bedingungen für die Gültigkeit eines Sakramentes festzusetzen, die zugegebenermaßen nicht göttliches Recht für sich in Anspruch nehmen konnten. Diese Bedingung, daß die Ehe vor dem Priester und zwei Zeugen geschlossen werden müsse, um vor der Kirche gültig zu sein, galt auch nur in den Pfarren, in denen sie verlautfoart worden war, dem sogenannten „tridentinischen Gebiet“, das durchaus nicht ident war mit dem Gebiet der Katholiken. Später wurde diese Bestimmung freilich geändert; doch zeigt der Ursprung, daß die Formpflicht nur sehr indirekt mit dem. Mischehenrecht zusammenhängt. Auch gibt es nach dem heutigen Recht zwei Fälle, in denen ein Katholik in beliebiger Form seine Ehe schließen kann: es ist die Todesgefahr eines Ehepartners und der Fall, daß der bevollmächtigte Priester nicht erreichbar ist, wobei die Erwartung der Unerreichbarkeit einen Monat betragen muß (also doch sehr wenig). In einem solchen Fall wäre es möglich, daß ein Katholik eine gültige Mischehe schließt, selbst wenn er sich sonst nicht 'an die Gesetze der Kirche hält. Auch wenn ihn ein Priester unter solchen Umständen doch trauen würde, ohne sich um das Kirchenrecht zu kümmern, könnte das die Gültigkeit der Ehe nicht tangieren. Schließlich ist es nach dem heutigen Kirchenrecht und der heutigen Praxis durchaus möglich, daß eine nicht vor der Kirche geschlossene Ehe saniert wird, das heißt gültig gemacht, ohne daß sie deshalb noch einmal geschlossen werden müßte. Das Problem der Eheschließungsform ist also eher pastoraler Natur. Nach der jetzigen Lage weiß jeder, der einen kirchlichen Trauungsschein besitzt, daß er in einer vor der Kirche gültigen Ehe lebt, wenn er nicht die Kirche betrogen hat. Gibt die Kirche die Notwendigkeit der Eheschließung auf, besteht diese Gewißheit nicht mehr: Es wäre dann dem einzelnen überlassen, zu beurteilen, ob seine Ehe dem christlichen Gesetz entspricht oder nicht. Es ist wohl eindeutig, daß bis ins Mittelalter hinein eine solche Situation bestand, die erst durch die Verlautbarung der tridentinischen Dekrete endgültig geändert wurde. Es soll die Frage nicht beantwortet werden, ob es nicht 'auch heute günstiger wäre, doch wieder eine solche Situation au riskieren. Die Frage reicht weiter, als im Moment gezeigt werden kann. Doch ist vielleicht sichtbar geworden, daß es hier um anderes geht als nur um das Mischehenrecht. Das ist vielmehr ein Anlaß (aber nicht der einzige), darüber nachzudenken, und hängt mit der Struktur der Pastoral unserer Kirche zusammen.

Viel mehr mit dem ökumenischen Problem hängt natürlich die Frage der Kindererziehung zusammen. Ist es dem Katholiken möglich, sein Kind in einem anderen christlichen Bekenntnis erziehen zu lassen? Dem Verfasser ist klar, daß sich dem Nichtkatholikeii dieselbe Frage ta derselben Schärfe stellt, ohne für den Katholiken an Schärfe zu verlieren. Es ist auch klar, daß di Frage nicht immer gleich beantwortet werden muß, nicht gleich, was die einzelnen Personen betrifft, und 'auch nicht gleich, was die Phasen der Geschichte der Kirche und der Bekenntnisse betrifft. Darüber hinaus gibt es noch eine Frage: In der jetzigen Praxis wird dem „gemischten“ Brautpaar (wenn wir den unschönen Ausdruck übernehmen wollen) die obengenannte Frage auf alle Fälle gestellt. Der Verfasser dieser Zeilen ist der Meinung, daß das Aufzeigen des Problems sicher schon eine Hilfe ist, die spätere Probleme mildern könnte. Das Stellen der Frage nach der katholischen Kindererziehung sollte aber nicht mit dem Wunsch nach „Bestandserhaltung“ der Kirche verwechseilt werden, sondern wirklich eine vorausschauende Hilfeleistung für das Brautpaar sein. Trotzdem kann gefragt werden, ob es sich hier wirklich um Hilfeleistung handelt. Könnte es nicht ein, daß sich dem Ehepaar das Problem bei jedem Kind wieder neu stellt, mit allem Streit der beteiligten Familien, die sich gar nicht mehr um das Gewissen des Ehepaares kümmern? Wäre dann nicht vielleicht sogar mehr und diskretere („differenzierte“) Hilfeleistung nötig, als sie derzeit geboten wird?

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