"Die Nord-Süd-Achse stärken"

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LH Weingartner über Heimat, Solidarität und Offenheit, die Tiroler Fischler und Khol, die christliche Soziallehre und Schwarz-Grün.

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LH Weingartner über Heimat, Solidarität und Offenheit, die Tiroler Fischler und Khol, die christliche Soziallehre und Schwarz-Grün.

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dieFurche: Medienberichten zufolge gibt es in ihrer Tiroler Volkspartei Differenzen. "Format" hat in seiner ersten Ausgabe berichtet, daß sowohl AAB als auch Wirtschaftsbund Vorbehalte gegen die von Ihnen vorgegebene Linie hätten, AK-Präsident Dinkhauser soll ein Angebot von Baumeister Lugner, der in Tirol bei den Landtagswahlen antreten will, erhalten haben ...

Wendelin Weingartner: Die Tiroler VP ist in keiner Weise gespalten. Es sind alle Beschlüsse im Parteivorstand einstimmig gefaßt worden. Das mit dem Wirtschaftsbund und mir ist falsch dargestellt worden, es gibt auch mit dem AAB kein Problem. Dinkhauser ist ein Mensch, der sehr populistisch formuliert, der gegen die Bundes-ÖVP auftritt und sich mediale Aufmerksamkeit dadurch holt, daß er gegen die eigene Partei vorgeht. Dinkhauser ist aber auf der anderen Seite in der Lage, das was an Stammtischen gesagt wird, exzellent zu formulieren. Lugner hat alle möglichen Leute gefragt, nur ist es natürlich schon so, wenn man mit jedem will, dann will man eigentlich nichts. Ich glaube nicht, daß Dinkhauser mit einem Lugner zusammengehen will.

dieFurche: Aber inhaltlich sind doch zwischen der Vorstellungswelt eines Dinkhauser und dem, was auch Sie schon gelegentlich angedeutet haben, nämlich daß eine gewisse Modernisierung und wirtschaftspolitische Öffnung notwendig sein könnten, ziemliche Differenzen.

Weingartner: Es gibt Differenzen im Sachbereich in ein paar Dingen. So tritt Dinkhauser gerne als Tourismusgegner auf. Er muß aber wissen, daß sehr viel Arbeitsplätze in Tirol auch im Tourismus zu Hause sind. Aber in den grundchristlichen Werten treffen wir uns schon.

dieFurche: Daß sich der Innsbrucker Bürgermeister Herwig Van Staa, der ja auch der populistischen Formulierung durchaus fähig ist, sich bereithalte, um das Amt des Landeshauptmanns zu übernehmen, halten Sie auch für ein Medien-Gerücht.

Weingartner: Medien brauchen immer Gerüchte. Ich habe den Innsbrucker Bürgermeister schon längst vor unserer beider politischen Tätigkeit kennengelernt. Ich habe zu ihm ein ganz anderes Verhältnis als zum Präsidenten Dinkhauser, Van Staa versucht auch nie, sich in Szene zu setzen gegen seine Partei.

dieFurche: Was wird Ihr Rezept sein für die Landtagswahl? Die bayrische CSU hat mit dem Slogan Laptop und Lederhose gepunktet, ist das vom Inhaltlichen her etwas, was Sie sich als Leitmotiv für die Tiroler VP vorstellen könnten: starke regionale Verankerung, Wertekonservativismus und gleichzeitig wirtschaftliche Modernisierung?

Weingartner: Im Prinzip geht es schon um diese beiden Dinge. Einerseits die Verbundenheit mit Heimat, die Ortsverbundenheit, es geht um Sicherheit und Solidarität, das war ja auch der Inhalt der Arbeit der letzten vier, fünf Jahre; und auf der anderen Seite gilt es, Tirol offener zu machen. Wir müssen schauen, daß wir - nachdem jetzt die letzten 70 Jahre die Ost-West-Richtung dominierend war - dorthin zurückfinden, wo die eigentliche Dominanz Tirols war: das ist die Nord-Süd-Richtung. Das ist der Hintergrund dieser ganzen Südtirol- und Bayernpolitik, die wir haben: daß wir diese strategisch wichtige Achse wieder stärken.

dieFurche: Sie waren im Oktober Gastgeber der Klausurtagung des ÖVP-Klubs in Telfs. Der Tiroler ÖVP-Mann Franz Fischler hat im Vorfeld der Klausur recht herbe Kritik an der Bundespartei geübt. Er hat gemeint, sie müsse breiter, offener, auch wirtschaftlich liberaler werden. Ein anderer prominenter Tiroler ÖVP-Mann, Andreas Khol, hat diese Kritik ziemlich resolut zurückgewiesen. Was sagt der Tiroler ÖVP-Mann Wendelin Weingartner dazu?

Weingartner: Die Offenheit für Diskussionen ist notwendig in einer breiten Partei wie der ÖVP. Gerade für die ÖVP, die auf verschiedenen Beinen steht, ist eine Diskussion notwendig, und es wäre eine Krise, wenn es keine Diskussion mehr gäbe. Ich bin der Meinung, man muß auch von der Partei Veränderungsfähigkeit einfordern, wir fordern das auch von den Menschen und Unternehmen, daß sie sich an neue Situationen anpassen. Man sollte nicht schreckhaft auf Diskussionsbeiträge reagieren. Sehr negativ sehe ich allerdings den Versuch, sich zu profilieren durch Kritik oder einen Sager gegen die eigene Partei. Ich sehe das auch bei Fischler kritisch, den ich persönlich sonst sehr schätze.

dieFurche: Abgesehen von Form und Stil, können Sie seiner Kritik inhaltlich etwas abgewinnen, oder würden Sie sich denen anschließen, die sagen, der Mann ist weit weg, ihm fehlt die Nähe, um es wirklich beurteilen zu können?

Weingartner: Ich meine, daß ein Andenken einer breiteren Wirtschaftskompetenz notwendig ist. Ich persönlich glaube, daß ein Kapitalismus ohne die soziale Komponente genauso im Straßengraben der Geschichte landet, wie es beim Marxismus der Fall war. Die ÖVP wird nur dann eine starke Partei bleiben und auch stärker werden, wenn sie im Sinn der christlichen Soziallehre eine Wirtschaftspartei bleibt.

dieFurche: Die ÖVP hat auch Defizite im urbanen Milieu, bei jüngeren und/oder höher gebildeten Wählerschichten. In diesem Zusammenhang wird immer wieder moniert, die Partei sei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftspolitisch zu eng, eine Reduktion auf christliche Werte genüge heute nicht mehr.

Weingartner: Ich glaube nicht, daß die christlichen Werte - sei es die christliche Soziallehre, seien es die Werte des Urchristentums - Werte sind, mit denen man nicht leben kann. Man kann also sicher nicht sagen, die christlichen Werte sind nicht zukunftsfähig; die Werte des Urchristentums sind ja zutiefst soziale Werte. Auf der anderen Seite gibt es manche Positionen der Kirche, die den gesellschaftlichen Entwicklungen etwas nachhinken. Ich muß zwischen christlich und kirchlich unterscheiden, eine Reduktion auf manche Werte der Amtskirche kann es also nicht sein, ich möchte das unterscheiden.

dieFurche: Im Gefolge der deutschen Bundestagswahlen wurde auch in Österreich wieder etwas lauter über neue Formen der Regierungszusammenarbeit nachgedacht. Hauptsächlich ist da natürlich immer von Rot-Grün die Rede, aber es ist doch auch fallweise angedeutet worden, ob sich nicht die Schwarzen den Grünen und umgekehrt öffnen könnten. Halten Sie solche Überlegungen für zielführend?

Weingartner: Ich glaube, daß man grundsätzlich offen zu sein hat gegenüber allen Parteien, letztlich sind die Parteien vom Wähler gewählt, und es wäre eine Mißachtung des Wählerwillens, wenn man sagen würde, man schließt gewisse Parteien aus. Meine Erfahrung mit einer grünen Landesrätin (Eva Lichtenberger; Anm.) ist die, daß es etwas völlig anderes ist, Oppositionspolitik zu machen und sich auf den leichten Weg zu begeben, Extrempositionen zu beziehen oder aber in die Regierungsverantwortung eingebunden zu sein. Wenn man in einer Regierung sitzt, kann man keine Extrempositionen vertreten. Lichtenberger war ein Mitglied der Landesregierung, das sehr wohl erkannt hat, daß es in der Regierung um den richtigen Weg, um das richtige Maß der Dinge geht. Das muß ich mit Hochachtung sagen. Für die Grünen als Partei ist das schwierig. Man hat ja auch in Deutschland gesehen, wie die Grünen beim Koalitionspakt haben Federn lassen müssen. Aber seitens der ÖVP sollte man grundsätzlich zu allen demokratischen Parteien offen sein, das ist der Sinn der Demokratie.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.

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