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Kann ein impotenter Mann eine katholische Ehe gültig eingehen? Kirchenrechtliche Ehefähigkeit und göttliches Recht.

Vor kurzem hat eine Pressemeldung einiges Aufsehen erregt: Ein italienischer Bischof hat einem jungen Mann die kirchliche Eheschließung verweigert, weil dieser infolge einer durch einen Unfall entstandenen Querschnittslähmung beischlafsunfähig geworden war. Impotenz gehöre nach dem Recht der katholischen Kirche zu den Hindernissen des göttlichen Rechts, und davon könne auch kein Bischof eine Dispens erteilen.

Impotenz als Beischlafsunfähigkeit ist abzugrenzen von der Sterilität (Unfruchtbarkeit), das heißt der auf Seiten des Mannes oder der Frau gelegenen Unfähigkeit, Kinder zu zeugen beziehungsweise zu empfangen. Sterilität ist für die Gültigkeit der Ehe irrelevant, das heißt, sie stellt kein Ehehindernis dar.

Göttliches Recht?

Was heißt nun eigentlich im Bereich der kirchlichen Rechtsordnung "göttliches Recht"? Im Gegensatz zu dem ausschließlich von Menschen geschaffenen und somit der Änderbarkeit unterworfenen Normenkomplex (ius mere ecclesiasticum) sind "göttliches Recht" die aufgrund göttlicher Weisung dem Menschen vorgegebenen Prinzipien sittlich-religiöser Art (ius divinum), die ihrerseits allerdings einer näheren Ausformulierung (Interpretation) und Konkretisierung bedürfen.

Das kirchliche Gesetzbuch selbst legt fest, dass es im Zusammenhang mit dem Hindernis der Impotenz Rechts- bzw. Tatsachenzweifel geben könne und dass in diesen Fällen auch Impotenz als Hindernis des göttlichen Rechts nicht angewendet werden dürfe (can. 1084 § 2). In diesem Sinne kann mit vollem Recht von einer Wandelbarkeit des göttlichen Rechts gesprochen werden. Umfang und Grenzen der mit dem Bereich des göttlichen Rechts zusammenhängenden Impotenz beim Mann wie auch bei der Frau wurden vor Jahren vom kirchlichen Gesetzgeber beziehungsweise amtlichen Interpreten noch viel weiter gezogen, als dies heute der Fall ist.

Ehehindernis Impotenz?

Das bedeutet, dass, nicht zuletzt aufgrund fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere im Bereich der Medizin, dem Tatbestand der Impotenz ein anderer Inhalt gegeben wurde als früher. Auf nähere physiologische Details kann hier nicht eingegangen werden.

Thomas von Aquin (1225-1274), einer der bedeutendsten Kirchenlehrer, hat die Beischlafsunfähigkeit (impotentia coeundi) von den Ehehindernissen völlig abgelöst und die Frage zur Gänze in den Bereich eines allfälligen Konsensmangels verwiesen.

Er schreibt, dass der Impotenz als solcher überhaupt keine ehebehindernde Wirkung zukomme. Sofern beide Ehepartner um die Behinderung eines oder beider Partner wissen und trotzdem die Ehe eingehen wollen, stehe dem kein Hindernis entgegen. Nur wenn die Unfähigkeit des einen Partners dem anderen verschwiegen oder sogar fälschlich Beischlafsfähigkeit behauptet wurde, dann liege arglistige Täuschung vor und (nur) aus diesem Grunde komme die Ehe nicht gültig zustande. Das bedeutet im Ergebnis, dass körperliche, in der Potenz eines Partners liegende Komponenten überhaupt außer Betracht zu bleiben haben und nur die Frage nach dem Vorhandensein des rechten Ehewillens zu stellen ist.

Einen bedeutsamen Beitrag zum kirchenrechtlichen Eheverständnis hat nicht zuletzt das Zweite Vatikanische Konzil geliefert.

Während das kirchliche Gesetzbuch (Codex Iuris canonici) von 1917 noch von Ehezwecken sprach und als Primärzweck der Ehe die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft angesehen hatte (c. 1013 § 1), geht das gegenwärtig geltende Gesetzbuch der Lateinischen Kirche (Codex Iuris Canonici von 1983) von einer anderen, wesentlich umfassenderen Sicht der Ehe aus. Auf mehreren Aussagen des Zweite Vatikanischen Konzils, vor allem auf dessen Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" aufbauend, ist die frühere Ehezwecklehre völlig verschwunden.

Can. 1055 § 1 spricht nunmehr von der Ehe als Bund, durch den Mann und Frau eine Gemeinschaft des ganzen Lebens ("totius vitae consortium") begründen. Dieser Bund hat eine zweifache Ausrichtung (Hinordnung), nämlich auf das Wohl der Ehegatten und sodann auf Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft.

Eheverständnis des Konzils

Während also früher der Primärzweck der Ehe in der Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft bestand, ist das neue Ehebild der Kirche von umfassenderen theologischen Zielrichtungen geprägt: Die durch die Eheschließung begründete ganzheitliche Lebensgemeinschaft ist unabdingbar auf das Wohl der Ehegatten ausgerichtet; ein willentlicher Ausschluss dieses Elements würde Nichtigkeit der Ehe zur Folge haben.

Die Hinordnung der Ehe auf Nachkommenschaft bedeutet hingegen nicht, dass die tatsächliche Erreichbarkeit dieser Hinordung als Wesensbestandteil jeder Ehe bezeichnet werden kann. Sterilität stellt daher kein Ehehindernis dar, sofern nicht geschlechtliches Unvermögen (Impotenz) als solches vorliegt. So hat die Kirche die Greisen-Ehe immer gestattet, sofern nur überhaupt die Beischlafsfähigkeit vorhanden ist.

Angesichts dieser Fakten stellt sich umso dringender die Frage, warum die Kirche derzeit (noch) ohne ausreichende Begründung auf der Beischlafsfähigkeit (Potenz) beider Partner besteht, wo doch ohnedies die tatsächliche eheliche Fruchtbarkeit, von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen, die Gültigkeit der Ehe nicht tangiert.

Recht auf Sakramente

Angesichts des allen Gläubigen zukommenden Grundrechts auf Empfang von Sakramenten (can. 213) ist es schwer, dafür Verständnis aufzubringen, dass das göttliche Recht einem zum geschlechtlichen Vollzug der Ehe unfähigen Partner den Empfang des Ehesakramentes vorenthält. Diese reduktionistische Sicht entspricht dem Verständnis der Ehe als Bund und ganzheitlicher Bezugswirklichkeit nicht mehr.

Nicht zu Unrecht wird von einigen Experten des Kirchenrechts die Ansicht vertreten, dass die Einreihung von Impotenz im besprochenen Sinne als Ehehindernis göttlichen (!) Rechts zu bezweifeln und daher die Anwendbarkeit dieser Norm prinzipiell auszuschließen sei.

Das würde im Ergebnis auf die bereits erwähnte These des Thomas von Aquin hinauslaufen, wonach Impotenz als solche kein Ehehindernis darstelle, sondern dass ihr nur eventuell im Bereich der Willensmängel (arglistige Täuschung) eheverungültigende Wirkung zukomme.

Der Autor ist emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-theologischen Fakultät Wien.

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